
Herford. Alle Jahre wieder: Lichterketten, Tannenbäume, Glühweinduft. Buntes Treiben und dichtes Gedränge an geschmückten Buden. Weihnachten ohne Weihnachtsmarkt - für die Herforder unvorstellbar. Doch nur schrittweise entwickelte sich diese Attraktion. Selbst Glühwein war für die Einheimischen exotisch.
"Der Anfang war schwer. Glühwein kannte ja keiner", erinnert sich Willi Berghaus. Der Bünder betrieb zu Beginn der 1980er Jahre inmitten des Alten Markts am Eingang zur Bäckerstraße eine der wenigen Buden, die dort neben Pkw-Parkplätzen und Bushaltestellen Platz fanden. "Mit heiß gemachtem Orangensaft und Cointreau fingen wir an. Später kam Glühwein dazu." Dafür hatte sich der Schausteller spezielle Töpfe besorgt, um darin einen Sud für den Wein anzusetzen. "Auf einer Elektroplatte haben wir Wein, Zimtstangen, Vanille, Lorbeerblätter, Nelken und Zucker zusammengekocht und als Sud zum Rotwein gegeben", sagt Willi Berghaus.

Bei dieser Prozedur musste er höllisch aufpassen, dass das Gebräu nicht überkochte. "Dann konnten wir den Rest wegschütten und unsere Reetdachhütte sauber machen", sagt der heute 78-Jährige, der zu den Glühwein-Pionieren in Herford zählt. Wenngleich bei der Stadt Louis Parpalioni als erster Betreiber einer Glühweinbude verzeichnet ist: 1981 erhielt er seine Standgenehmigung. Während Berghaus neben dem "Kinder-Express" und Reckendorfs Bratwurstbude die Wochen vor Weihnachten verbrachte, war der Neue Markt zum Arbeitsplatz im Advent für Willi Schemel geworden.

Er weiß noch, dass in den Nachkriegsjahren einige wenige Buden auf dem Wilhelmsplatz standen. "Das muss 1946 oder 1947 gewesen sein. Das war aber nur einmal", sagt Schemel. Der inzwischen 77-Jährige fing 1950 mit einem Honigkuchengeschäft an und teilte sich den Platz an der Johanniskirche mit Kurt Freitags Bratwurststand und Hirschhorns Kinderkarussell, das später Josef Weber übernehmen sollte. "Bis Anfang der 60er Jahre waren wir immer wieder für ein oder zwei Wochen in der Stadt", sagt der Herforder. Formen nahm der Weihnachtsmarkt in Herford erst 1966 an, als die so genannte "K&K-Dynastie", bestehend aus den Kaufleuten Kox und Köhler, die Initiative ergriff.

Sie wollten eine festliche Beleuchtung an den Geschäften und einige Stände auf dem Alten Markt. Christoph Laue vom Kommunalarchiv besitzt Unterlagen: Zu "Weihnachtswerbezwecken" sei ein "Ponykarussell, 2 Kuchenbuden, 1 Mandelbrennerei und eine Orgel aufzustellen". Betreiber des Ponykarussells war Willi Laffontien junior. "Das waren von Ponys gezogene Kutschen", erinnert sich Willi Schemel, der zu dieser Zeit auf dem Neuen Markt in einer sogenannten "Moppenbude" stand.
"Das waren Pfeffernüsse ohne Zuckerglasur", sagt der Schausteller, der mit seiner Frau Inge vor allem in den ersten Jahren bitterlich fror. Später stiegen für die Schemels die Temperaturen. Das lag allerdings nicht am Klimawandel. Das Paar konnte die Bratwurstbude von Kurt Freitag übernehmen. Die Holzkohleglut wärmte. "Heizstrahler oder Fußbodenheizungen gab es noch nicht", sagt Inge Schemel. Dass es wärmer geworden ist, belegen auch Fotos vom Gänsemarkt, wo die Familie Krameyer mit Glühwein- und Bratwurstbude sowie einer Kindereisenbahn vertreten ist. Früher, vor mehr als einem Vierteljahrhundert, stand im Zentrum der Buden Schemels Kinderkarussell.
Raoul Krameyer besitzt ein Foto, auf dem es gut zu erkennen ist. Schnee ist auf dem Bild auch zu sehen. "Den", sagt der 42-Jährige", hatten wir auf dem Weihnachtsmarkt zuletzt 2010." Und das ist ja auch schon eine Weile her.