Herford

Maximilian Reeck über Privatschulen, Schulwegtickets und Bildungsbiografien

„Ich wünsche mir ein offenes Ohr für jeden Schüler“

Will Schranken in der Schullandschaft aufbrechen: Bezirksschülersprecher Maximilian Reeck (16). | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Miriam Scharlibbe
19.07.2016 | 19.07.2016, 13:02

Maximilian oder Max?
Maximilian Reeck:
Maxi ist ok.

Gut. Maxi, die Sommerferien haben begonnen, für viele Schüler eine sorglose Zeit. Es gibt aber auch einige, die jetzt die Schule wechseln müssen. Du hast das selbst erlebt. Wie war das für dich damals?
Reeck:
Ich habe die fünfte und sechste Klasse auf dem Marktgymnasium in Bünde absolviert. Dann bin ich nach Herford auf die Otto-Hahn-Realschule gewechselt. In Bünde bin ich mit den Lehrern nicht so gut klargekommen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass das Lernsystem Gymnasium nicht das richtige für mich war.

Beim Hoeker-Fest in Herford warben sie für ihre Ideen: Maximillian Reeck (16), Jeanette Bieber (15) und Sarah Heide (17). - © Frank-Michael Kiel-Steinkamp
Beim Hoeker-Fest in Herford warben sie für ihre Ideen: Maximillian Reeck (16), Jeanette Bieber (15) und Sarah Heide (17). | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Darum bist du gewechselt?
Reeck:
Genau. Eigentlich wollte ich auf ein anderes Gymnasium, aber die waren alle voll. Darum bin ich auf die Realschule gegangen.

Hast du den Schritt bereut?
Reeck:
Nein, es war genau richtig. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und tolle Menschen kennengelernt. Es ist wichtig, dass Schüler die Möglichkeit haben zu wechseln, wenn sie die Erprobungsstufe nicht schaffen.

Das heißt, diese Probezeit ist wichtig und richtig?
Reeck:
Ja, gerade das Gymnasium ist ein System, in das man reinwachsen muss. Vor allem seit es mit G8 mehr Stoff in kürzerer Zeit zu lernen gibt. Auf dem Gymnasium hast du Pech, wenn du etwas nicht verstanden hast, an der Realschule läuft das besser. Und nach zwei Jahren ist ein guter Zeitpunkt zum Wechseln.

Nun bist du Bezirksschülersprecher. Es gibt Klassen- und Schülersprecher, wozu braucht es noch eine Bezirks-SV?
Reeck:
Die Frage bekomme ich auch von Schülern gestellt. Ich denke, Klassensprecher sind die, die uns von den Problemen der Schüler berichten. Sie helfen auch bei einzelnen Konflikten zwischen Lehrern und Schülern vor Ort. Dann gibt es noch das SV-Team an der Schule, das vom Schülerrat gewählt wird.

Einen Schülerrat gibt es also auch noch. Was macht der?
Reeck:
Der Schülerrat ist die Versammlung der Klassensprecher. Die vom Rat gewählte SV organisiert dann vor allem Projekte an der eigenen Schule, zum Beispiel der Getränkeausschank bei Schulfesten oder ein Waffelverkauf, der die SV-Arbeit finanzieren soll. Sie organisieren diese unterste Plattform, auf der Schüler ihre Meinung äußern können. Der Schülersprecher ist als SV-Vorsitzender das Sprachrohr der Schule. Er hat die meisten Termine und nimmt an Schulkonferenzen teil.

Klingt nach jeder Menge Arbeit neben dem Unterricht.
Reeck:
Ja, es ist arbeitsintensiv, aber auch wichtig. Bei uns im Kreis gibt es etwa 30.000 Schüler an weiterführenden öffentlichen Schulen. Deren Vertretung ist die Bezirks-SV. Das ist schon eine nicht ganz so kleine Sache.

Macht dir das keine Angst?
Reeck:
Klar, manchmal frage ich mich, ob ich da wirklich jedem einzelnen gerecht werden kann. Aber gerade wenn wir als gesamte Bezirks-SV tagen, merke ich, da ist jede Meinung vertreten.

Gibt es denn an jeder Schule im Kreis eine funktionierende SV?
Reeck:
Leider nicht an allen. Aber wir gehen immer wieder auf die Schulen zu, bieten unsere Hilfe und Mitarbeit an. Ich persönlich finde, man kann nur etwas verändern, wenn man auch bereit ist, daran mitzuwirken. Darum bin ich jetzt auch im Vorstand der Landes-Schülervertretung NRW aktiv. Da bin zuständig für den Fachbereich Schülerrechte.

Schüler haben also Rechte - welche zum Beispiel?
Reeck:
Ja, das wird leider im Schulalltag oft übersehen. Dabei sind diese Rechte extra im Schulgesetz NRW geregelt. Ein Schüler hat vor allem erst einmal ein Recht darauf, zu erfahren, was er darf und wo seine Grenzen sind. Ich höre aber immer wieder von Fällen, in denen Schüler nicht wissen, was sie machen sollen. Zum Beispiel wenn ihnen eine Lehrerin das Handy für eine Woche weggenommen hat.

Ist das erlaubt?
Reeck:
Die Lehrerin darf das Handy konfiszieren, aber nicht für eine ganze Woche. Das Handy muss am Ende des Schultages wieder ausgehändigt werden. Nur bei Mehrfachtätern kann es bis zum nächsten Tag einbehalten werden, aber auch dann müssen die Eltern die Möglichkeit haben, es am selben Tag wieder abholen zu können. Oft wissen aber auch Lehrer nicht, was im Gesetz steht. Sie kennen nur die eigene Schulordnung, aber die muss sich dem Landesgesetz unterordnen.

Wer wendet sich mit solchen rechtlichen Fragen an dich?
Reeck:
Manchmal sind es Klassen- oder Schulsprecher, oft aber die Schüler selbst. Das sind meistens Menschen, die sich sonst nicht engagieren, aber wenn sie auf einmal selbst betroffen sind, realisieren sie, dass es uns gibt und werden doch aktiv.

Wann wurde dir dein Handy weggenommen, woraufhin du dich engagiert hast?
Reeck:
Das ist mir zum Glück nicht passiert. Ich bin auf der Realschule irgendwann Klassensprecher geworden, dann war ich im Schülerrat und dadurch ziemlich schnell im SV-Team und konnte Erfahrungen sammeln.

Die kannst du jetzt weiter nutzen. Inzwischen tauchen du und deine SV-Kollegen auch in einigen Rathäusern im Kreis auf.
Reeck:
Ja, wir bemühen uns, in die Schulausschüsse gehen zu dürfen. Einige Kommunen erlauben uns das als reguläre Gäste. In Herford dürfen wir aber zum Beispiel mit am Ratstisch sitzen und erhalten auch Rederecht.

Das nutzt ihr, um auf eure politischen Forderungen aufmerksam zu machen. Ihr fordert zum Beispiel ein Schülerticket für ganz OWL. Warum?
Reeck:
Genau. Wir fordern, dass Bildung für alle kostenfrei ist und der Schulweg ebenfalls. Wir haben uns umgeschaut, was es aktuell gibt und festgestellt, viele Angebote sind einfach zu teuer, vor allem für Schüler aus sozial schwachen Familien. Das Ticket, das wir uns wünschen, sollte in ganz OWL gelten und 24 Stunden nutzbar sein. Das Geld sollen die Kommunen aufbringen.

Aber es gibt doch jetzt ein neues Ticket für die Kreise Herford und Minden-Lübbecke?
Reeck:
Ja, aber ich kann damit nicht nach Bielefeld oder Detmold fahren und kostenlos ist es auch nicht.

Du sagst, Bildung darf nichts kosten. Das Forscherhaus gründet eine private Gesamtschule in Bünde. Wie findest du das?
Reeck:
Als SV haben wir uns dazu bisher nicht positioniert, aber ich persönlich finde es super, dass es eine weitere Gesamtschule im Kreis Herford geben wird. Ich halte Gesamtschulen für sehr wichtig, weil sie Schülern alle Möglichkeiten offen halten. Sie geben Eltern und Kindern Sicherheit. Besonders im Bereich Berufsorientierung sind die sehr gut. Dass die Schule privat ist, finde ich allerdings nicht gut. Bildung steht im Kinderrecht und sollte nichts kosten.

Du hast angedeutet, dass du nicht viel von dem Gymnasium in acht Jahren hältst, warum? Als Schüler kann man mit G8 doch schneller auf den Arbeitsmarkt.
Reeck:
Die Frage ist doch, welche Universität oder welche Firma will dich mit gerade einmal 17 Jahren haben? Außerdem sorgt die kürzere Schulzeit dafür, dass nur noch ein Praktikum möglich ist, das auf dem Gymnasium auch nur ein oder zwei Wochen dauert. Viele machen das dann einfach im Kindergarten, weil die Praktikumsplätze rar sind und alle Schulen gleichzeitig Praktikum haben. Da hat ein Realschüler mit seinen zwei bis drei Praktika Vorteile gegenüber den Gymnasiasten.

Wie kann man das ändern?
Reeck:
Gut wäre schon, wenn nicht alle Schulen im Kreis zum gleichen Zeitpunkt ihre Schüler auf Praktikumsplatzsuche schicken. Da müsste es bessere Absprachen geben.

Wenn du einen Wunsch als BSV-Sprecher frei hättest, den dir die Kommunalpolitiker erfüllen sollten, welcher wäre das?
Reeck:
Ein offenes Ohr für alle Schüler. Ich denke, wenn man hingeht und mit uns Schülern spricht, erfährt man viel mehr von dem, was wir wollen und brauchen, als wenn man nur Zeitungsartikel über die besten Schulen liest.

Ist das eine leichte Medienkritik? Dann hast du jetzt mein offenes Ohr ...
Reeck:
Gerne. Es ist super, wenn Medien über gute Projekt oder Schulfeste berichten, aber ich finde es schade, dass vor allem Brennpunktlagen an Schulen selten beschrieben werden. Natürlich melden sich eher die Schulen, die eine Auszeichnung bekommen haben, als die, die Probleme mit ihren Anmeldezahlen haben. Aber diese negativen Nachrichten sind auch wichtig. Da müssten Schulen und Medien offener aufeinander zugehen.

Information

Zur Person

  • Maximilian Reeck (16) hat gerade den Jahrgang 11 der Olof-Palme-Gesamtschule Hiddenhausen absolviert und strebt dort jetzt das Abitur an.
  • Vorher war Reeck an der Otto-Hahn-Realschule in Herford, davor auf dem Marktgymnasium in Bünde.
  • Er wohnt mit seiner Familie in Eilshausen (Großgemeinde Hiddenhausen).
  • Seit Februar 2016 ist Reeck Sprecher der neuen Bezirksschülervertretung, die sich im September 2015 gegründet hat.
  • Der Vorstand der Bezirks-SV besteht aktuell aus elf Personen.
  • Die alte Bezirks-SV war seit 2009 nur noch unregelmäßig aktiv.
  • Reeck ist außerdem 
seit wenigen Wochen auch im Vorstand der 
Landes-SV.
  • Die Bezirks-SV sammelt für ihre Arbeit regelmäßig Ideen, zum Beispiel auf dem Hoekerfest in 
Herford an einem eigenen Stand in der Innenstadt.