Herford. Mittwochnachmittag. Die Patientin klagt über Fieber, Husten, Heiserkeit. Beim Hausarzt läuft der Anrufbeantworter: "Sie rufen außerhalb der Praxiszeiten an." Doch dafür ins Krankenhaus? Die seit fünf Jahren bestehende Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte im Klinikum wäre die richtige Adresse. "Das System hat sich bewährt", sagt Hermann Lorenz, Koordinator der Kassenärztlichen Vereinigung und niedergelassener Arzt in Herford.
Das anfangs lebhaft diskutierte und mancherorts nicht beliebte Modell hat sich etabliert, weil alle Beteiligten profitieren. Allen voran die Patienten. Denen wird eine Rundum-Versorgung gewährt, sei es durch die Anlaufstelle am Klinikum oder telefonisch unter der Nummer 116 117.
Vorteile können auch die Krankenhäuser verbuchen, denn in ihren Notaufnahmen landen die schwereren Fälle. Hermann Lorenz: "Rechts zur Notaufnahme geht?s beispielsweise für den gebrochenen Arm, links in der Notfallpraxis landen die Rückenbeschwerden oder die schwere Erkältung."
Letztlich sind es die niedergelassenen Ärzte selbst, die die Praxisräume für den gemeinsamen Notdienst zu schätzen wissen. "Diese Regelung ist", sagt Lorenz und stockt, "weniger lästig will ich nicht sagen." Um dann doch noch die passende Formulierung zu finden: "Weniger zusätzlich belastend."
Denn Mittwochnachmittags, an Wochenenden oder Feiertags hätte der niedergelassene Arzt eigentlich frei. Um die Grundversorgung dennoch zu sichern, teilen sich die Mediziner den Notfalldienst - auch und gerade in Zeiten des Ärztemangels.
"Das ist in Großstädten nicht weiter gravierend. In Hamburg etwa ist jeder niedergelassene Arzt nur einmal jährlich an der Reihe. Je ländlicher jedoch die Gegend, desto häufiger sind die Kollegen im Notdiensteinsatz", sagt Hermann Lorenz und nennt als Beispiel Bielefeld, wo es den jeweiligen Arzt drei- bis viermal jährlich trifft. "In Herford sind wir acht- bis zehnmal in der Notdienstpraxis", sagt Lorenz.
Dieser Notdienst wird vor allem an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern frequentiert. Insgesamt sind die Zahlen gestiegen. "Im vergangenen Jahr hatten wir knapp 13.000 Patienten", sagt Monika Otte, die Koordinatorin der Kassenärztlichen Vereinigung ist.
Wobei auch an einem Mittwoch die Patienten mitunter Schlange stehen und der gestern Dienst habenden Ärztin Silke Reinelt nur kurze Pausen gönnen. "Wir entlasten durch unseren Einsatz die Hausärzte", sagt die Gynäkologin. Die verfügt zwar über das Fachwissen einer Allgemeinmedizinerin, in speziellen Fällen weiß sie aber das Klinikum in ihrer Nähe. "Dann schicke ich den Patienten nach nebenan in die Ambulanz", sagt Silke Reinelt.
"Die Notdienstpraxis ist nur 20 Meter von unserer Anmeldung der Zentralen Notaufnahme entfernt. Damit ist eine lückenlose Versorgung gewährleistet, so dass die Patienten, die eigentlich strikt getrennten Versorgungsstrukturen gar nicht wahrnehmen", ergänzt Wilfried Schnieder, Ärztlicher Leiter der Zentralen Notaufnahme.
Im Februar 2011 war die Notdienstordnung neu geregelt worden. Zuvor waren die Ärzte selbst für die Organisation von Notfallsprechzeiten verantwortlich und auch außerhalb der normalen Sprechzeiten in der Pflicht.
Inzwischen beteiligen sich alle niedergelassenen Ärzte aus den Kreisen Herford und Minden-Lübbecke am Notdienst, der lediglich beim Einsatz in der Notdienstpraxis ortsnah ist. "Beim Fahrdienst sind wir für beiden Kreise zuständig", sagt die Herforder Ärztin Silke Reinelt.
Öffnungszeiten Notdienstpraxis
- Montag, Dienstag und Donnerstag: 18 bis 22 Uhr; Mittwoch und Freitag: 13 bis 22 Uhr; Samstag, Sonntag, Feiertag: 8 bis 22 Uhr
- Telefonnummer für Fahrdienst und Hausbesuche: 116 117. Die Nummer ist kostenfrei und zu folgenden Zeiten erreichbar: Montag, Dienstag und Donnerstag 18 bis 8 Uhr am Folgetag; Mittwoch und Freitag: 13 bis 8 Uhr am Folgetag; Samstag, Sonntag, Feiertag 8 bis 8 Uhr am Folgetag.