
Herford. Der Frühling des Jahres 1965 begann für Herford mit einer spektakulären Aussicht: Der Bau einer Universität vor den Toren der alten Hansestadt schien in greifbare Nähe gerückt. Zehn Städte und Kreise hatten sich auf einen Standort im Raum Bielefeld/Herford geeinigt, in "Elverdissen/Brake II".
Für Kurt Schober schien ein Traum in Erfüllung zu gehen. Der Herforder Oberbürgermeister (CDU) sah für seine Stadt in der "Ostwestfalen-Universität" eine Chance, "wie sie in Jahrhunderten nicht wieder kehren würde". Sogar einen Namen hatte Schober schon parat: Max-Weber-Universität, nach dem großen Soziologen mit Bezügen nach Oerlinghausen und Lemgo.

Exkurs: Die medizinische Fakultät
- Lange bevor Mikat die Debatte über die „Ostwestfalen-Universität" eröffnete, hatte Ende 1960 der Chef des Brackweder Pharmaunternehmens Asta-Werke, Ewald Kipper, Stadt und Kreis Bielefeld zum Einsatz für eine „Medizinische Akademie" aufgefordert.
- Doch die NRW-Landesregierung wollte zunächst keine Mediziner-Ausbildung in OWL.
- In Herford gab es nach der Standortentscheidung für den Voltmannshof zeitweilig die vage Hoffnung, man könne noch nachträglich Standort einer medizinischen Fakultät werden.-
- Fast 50 Jahre später flammte das Thema Medizinerausbildung in OWL wieder auf, in Form einer Konzeptdebatte nebst Standortsuche – mit dem Ergebnis, dass Bielefeld unterlag und die Kliniken Minden und Herford als Außenstelle von Bochum zu Universitätskliniken werden.
- So wird in Herford doch noch, vermittelt, universitär ausgebildet.
Chronik einer Standortsuche
- Anfang 1964: Oberbürgermeister Kurt Schober macht eine Rundreise im Stadtgebiet und der näherem Umland auf der Suche nach einer 100-150 Hektar großen Fläche. Er berichtet: Klein-Schwarzenmoor ist schön, aber zu klein. Besser wäre Groß-Schwarzenmoor „links der Vlothoer Straße". Auch der Homberg biete sich an, zudem Diebrock. Gegen Lockhausen äußert Hermann Stell (CDU) Bedenken.
- Januar 1965: Professor Brünger hält Diebrock/Otterheide für den besten Standort, gefolgt vom Waldfrieden.
- März 1965: Durch das gemeinsame Vorgehen mit Bielefeld und Lemgo „nimmt die Standortfrage eine andere Wendung" (Schober). Jetzt wird „Elverdissen/Brake II" favorisiert.
- Juli 1965: Erste Gerüchte, dass „Brake II" in Düsseldorf aus dem Rennen und Großdornberg Favorit ist.
- Spätsommer 1965: Das Storbeck-Gutachten des Landes sieht Brake II als schlechtesten von 13 OWL-Standorten und Herford überhaupt für wenig geeignet.
- November 1965: Düsseldorf wählt den Makrostandort Bielefeld-Herford.
- Anfang 1966: Herford kämpft darum, zumindest einen kleinen Teil der Universität aufs Stadtgebiet zu bekommen.
- 6. Juni 1966: Die Entscheidung für den Bielefelder Westen wird verkündet.
Zum Jahreswechsel 1963/64 hatte NRW-Kultusminister Paul Mikat (CDU) die Debatte um die "Ostwestfalen-Universität" angestoßen. Wenige Wochen später war ein "Standort-Krieg" zwischen Bielefeld, Paderborn, Detmold und Herford in vollem Gange, auch Soest meldete sich.
Am 31. Januar 1964 fasste der Herforder Rat den einstimmigen Beschluss, sich zu bewerben. Am 18. März konstituierte sich ein gemeinsamer "Universitätsausschuss" von Stadt und Kreis.
Schober hatte seinen Parteifreund Paul Mikat so verstanden, dass der eine mittelgroße Stadt in landschaftlich schöner Lage der grauen Großstadt Bielefeld vorziehen würde. Welche andere Stadt käme da in OWL in Frage?
Doch seine Begeisterung wird nicht von allen geteilt. Der Industrie könnten durch die Hochschule Arbeitskräfte entzogen werden, warnt Oberkreisdirektor Günter Bantzer. Andere weisen auf die Kosten für Erschließung und Infrastruktur hin, auf steigende Mieten und Wohnungsknappheit. Der Krankenhausneubau dürfe nicht gefährdet werden. Überall Bedenken.
Der Universitätsausschuss beschließt, Erkundungen in Göttingen, Bochum und Konstanz einzuholen - und in aller Stille zu wirken.
Inzwischen hat Schober den Herforder Wilhelm Brünger, Professor für Wirtschaftsgeografie in Hamburg, als Gutachter gewonnen. Für den ist Herford wegen seiner Lage an der Kreuzung zweier Bahnlinien und der Nähe zur Autobahn der "beste Standort für eine Universität in ganz Nordostwestfalen".
Derweil streiten Stadt und Kreis sich im Uni-Ausschuss um die richtige Strategie.Brünger hatte in seiner im Januar 1965 veröffentlichten Denkschrift für Herford die Tradition als Bildungsstandort seit dem Mittelalter beschworen. Die Leute vom Kreis setzen auf die starke Industrie von Poggenpohl bis Sulo.
Anfang 1965 wird in Düsseldorf der Münsteraner Soziologe Helmut Schelsky als Uni-Planer berufen. Der verabscheut eine "dörfliche Umgebung" für seine Reform-Universität für 3.000 bis 5.000 Studenten und drängt auf Nähe zur Großstadt - keine gute Grundlage für die Herforder, deren Planer Brünger außerdem - wenig realistisch - immer noch eine "Voll-Universität" einschließlich medizinischer Fakultät fordert.
Realistischer ist Schobers Ansatz, sich mit Bielefeld zusammenzuschließen. Um die Jahreswende 1964/65 werden viele Gespräche zwischen beiden Städten und Kreisen geführt. Schober holt als fünften Partner den Kreis Lemgo dazu. Das wird die Grundlage für die kommunale "Zehnergemeinschaft" der Achse Minden-Gütersloh, die sich im April 1965 auf "Brake II", das zu Elverdissen gehört, einigt.
Links zum Thema
Chronik einer Standortsuche
- Anfang 1964: Oberbürgermeister Kurt Schober macht eine Rundreise im Stadtgebiet und der näherem Umland auf der Suche nach einer 100-150 Hektar großen Fläche. Er berichtet: Klein-Schwarzenmoor ist schön, aber zu klein. Besser wäre Groß-Schwarzenmoor „links der Vlothoer Straße". Auch der Homberg biete sich an, zudem Diebrock. Gegen Lockhausen äußert Hermann Stell (CDU) Bedenken.
- Januar 1965: Professor Brünger hält Diebrock/Otterheide für den besten Standort, gefolgt vom Waldfrieden.
- März 1965: Durch das gemeinsame Vorgehen mit Bielefeld und Lemgo „nimmt die Standortfrage eine andere Wendung" (Schober). Jetzt wird „Elverdissen/Brake II" favorisiert.
- Juli 1965: Erste Gerüchte, dass „Brake II" in Düsseldorf aus dem Rennen und Großdornberg Favorit ist.
- ¥ Spätsommer 1965: Das Storbeck-Gutachten des Landes sieht Brake II als schlechtesten von 13 OWL-Standorten und Herford überhaupt für wenig geeignet.
- November 1965: Düsseldorf wählt den Makrostandort Bielefeld-Herford.
- Anfang 1966: Herford kämpft darum, zumindest einen kleinen Teil der Universität aufs Stadtgebiet zu bekommen.
- 6. Juni 1966: Die Entscheidung für den Bielefelder Westen wird verkündet.