
Herford. Stress pur: Zum Klinikum fahren, einen Parkplatz finden. Um dann festzustellen, dass nicht das Klinikum sondern das Kreishaus der Veranstaltungsort des MS Familientages ist. Eine undeutliche Ankündigung sorgte dafür, dass etliche Interessierte zunächst das falsche Ziel ansteuerten. Dabei sind es doch gerade die Betroffenen, die angesprochen werden sollten - und die Stress ganz und gar nicht vertragen.
"Viele Patienten beobachten einen Zusammenhang zwischen stressreichen Lebensereignissen und der Auslösung neuer Schübe. Lange galt dies als wissenschaftlich nicht bewiesen.
Doch gerade in den letzten Jahren wurde dieser Zusammenhang durch aussagekräftige Studien belegt", sagte Annette Walter und ging in ihrem Vortrag genau auf diese Problematik ein.
Mehr als 100 Betroffene und deren Angehörige verfolgten am Samstag den MS Familientag im Kreishaus.
Sie erfuhren, dass chronische Entzündungen im Gehirn und des Rückenmarks kennzeichnend für Multiple Sklerose (MS) sind. Und dass diese heimtückische unheilbare Krankheit bei Frauen als auch bei Männern auftritt.
Oft werde die Krankheitsaktivität erstmalig im jungen Erwachsenenalter festgestellt. Da sie sich durch verschiedenste Symptome ausdrückt, werde vielfach von den "1.000 Gesichtern der MS" gesprochen.
Alleine im Kreis Herford leben derzeit schätzungsweise über 600 Patienten. Einige von ihnen waren in das Kreishaus gekommen, um den Vorträgen zuzuhören. "Im Klinikum hätten wir für so eine große Zahl an Besuchern ohnehin keinen geeigneten Raum gehabt", sagte Matthias Sitzer (Chefarzt für Neurologie am Klinikum Herford).
Gemeinsam mit dem Kompetenznetz OWL hatte das Klinikum Herford diese Veranstaltung organisiert, bei der sich die Besucher über das Thema informieren und sich mit Ärzten, Musiktherapeuten und Psychologen austauschen konnten. Federführend bei der Vorbereitung war Annette Walter.
Die Oberärztin der Klinik für Neurologie wies in ihrem Vortrag darauf hin, dass unter hohem Stress leidende Menschen krankheitsanfälliger seien. Und dass es darum gehe, diesen Stress zu vermeiden oder zu reduzieren.
"MS ist per se ein Stressfaktor. Dabei ist das durch MS geschädigte Gehirn stressempfindlicher. Im ersten Krankheitsjahr ist die Stresssituation besonders ausgeprägt", sagte Annette Walter.
Die Herforder Medizinerin erläuterte: "Multiple Sklerose ist unkontrollierbar. Und das macht sehr viele Menschen unsicher. Viele Patienten leben in der Angst, dass es schlimmer wird."
Umso mehr komme es darauf an, dass der Stress minimiert wird.
"Kreativität und Musik können dabei helfen", sagte Annette Walter. Aber auch Yoga, Tai-Chi und Chi Gong. Wobei die Medizinerin einräumte: "Ein halbes Jahr Yoga, das ist schon eine Herausforderung."
Ursachen von Multipler Sklerose
Als Ursache von Mutipler Sklerose (MS) wird eine Autoimmunreaktion angenommen: Entzündungs- und Abwehrzellen des Körpers greifen fälschlicherweise körpereigene Strukturen an. Dies führt zu einem Abbau der Hüllschicht von Nervenfasern und zu einer Schädigung der Nervenfaser selbst. In den betroffenen Fasern werden Nervenreize schlechter weitergeleitet. Denn die Schutzhüllen umgeben die Nervenfortsätze wie eine Isolierschicht ein elektrisches Kabel. Sie sind unerlässlich dafür, dass die Nervenimpulse mit einer adäquaten Geschwindigkeit an den gewünschten Ort gelangen.Wie MS genau entsteht, ist bis heute nicht vollständig verstanden. Ärzte vermuten, dass viele Faktoren zusammentreffen. Am häufigsten kommt MS in den kühlen Klimazonen wie Mittel- und Nordeuropa oder den USA vor. In Deutschland leiden nach Schätzungen etwa 120.000 Menschen an MS.