Herford

Mathilden Hospital gründet Refluxzentrum

Mit Top-Technologie gegen Sodbrennen

Hoch entwickelte Medizintechnik: Die beiden behandelnden Ärzte Detlev Scholz (l.) und Joseph Prasse-Badde arbeiten Hand in Hand. Prasse-Badde setzt die Elektroden ein (auf dem Bildschirm zu sehen), Scholz kontrolliert die korrekte Einpflanztiefe. | © Thomas Hagen

Thomas Hagen
01.09.2015 | 01.09.2015, 11:57
Schrittmacher: Hiermit wird der Speiseröhrenmuskel angeregt. - © NW
Schrittmacher: Hiermit wird der Speiseröhrenmuskel angeregt. | © NW

Herford. Sodbrennen kennt fast jeder, Schätzungen zufolge leiden fast 40 Prozent aller Deutschen darunter. Wenig bekannt ist, dass es nicht immer angezeigt ist, die so genannte Refluxkrankheit nur medikamentös zu behandeln. Ausgelöst wird sie durch übermäßigen Rückfluss der Magensalzsäure in die Speiseröhre. Dort greift die Säure die Schleimhaut an und kann sie krankhaft verändern - bis hin zum Karzinom, dem Speiseröhrenkrebs.

Im neu gegründeten - und im weiten Umkreis einzigen - Refluxzentrum behandeln die Spezialisten vom Mathilden Hospital, Dr. Detlev Scholz und Dr. Joseph Prasse-Badde, mit modernsten operativen und diagnostischen Methoden, um ihren Patienten Linderung zu verschaffen.

Viel versprechend ist eine neue Behandlungsmethode zur elektrischen Stimulation von nicht oder schlecht funktionierenden Schließmuskeln der Speiseröhre. Sie wird deutschlandweit bisher nur in wenigen Kliniken angewandt. Der operierende Arzt Joseph Prasse-Badde nennt das Verfahren "Bodybuilding für den unteren Ösophagus".

Wie ein Herzschrittmacher

Ähnlich wie bei stolpernden Herzen übernimmt ein Schrittmacher die "automatisierten" Kontraktionen. Bei diesem Verfahren werden am Ende der Speiseröhre zwei kleine Elektroden eingesetzt. Das geschieht auf schonende Weise mit einem minimal-invasiven Eingriff.

Die vom Schrittmacher-Aggregat (es wird in die Bauchdecke eingesetzt) ausgesendeten, kaum spürbaren Impulse stärken den Schließmuskel (auch Magenpförtner genannt) und machen so den operativen Einbau einer Magenmanschette überflüssig. Aber nicht bei Patienten mit Zwerchfellbruch.

Bei Diagnostik und Therapie greifen die Ärzte im Mathilden Hospital im ersten Schritt auf neu und hoch entwickelte Endoskope zurück. Endoskopie dient dabei dem sicheren Ausschluss von Speiseröhrenkrebs. Als Vorstufe einer Krebserkrankung gilt das so genannte Barrett-Epithel. Es wird eingefärbt und sorgfältig untersucht.

Mit einem besonderen Verfahren, der Radiofrequenzablation (RFA), lässt sich verdächtiges Gewebe entnehmen und wird anschließend von einem Pathologen untersucht. Weisen sie Vorläuferkrebszellen nach, sollte nach einem aufklärenden Gespräch mit dem Patienten eine endoskopische Therapie erfolgen. Manchmal verschafft aber auch diese Therapie keine ausreichende Klarheit, so dass weitere Verfahren hinzugezogen werden müssen.

Dazu zählen eine Langzeit-ph-Metrie und Impedanzmessung. Hier wird mit einer in die Nase eingeführten Messsonde Rückfluss nachgewiesen. Die Messung geht über 24 Stunden. Der Patient verhält sich wie gewohnt und dokumentiert auftretende Beschwerden. Bei der anschließenden computergestützten Auswertung können die Spezialisten ermitteln, wodurch Beschwerden entstehen.

Videoaufnahmen aus dem Magen

Vereinzelt muss auch der Schluckvorgang bildlich dargestellt werden, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Hier trinkt der Patient einen Brei, dessen Weg bis in den Magen aufgezeichnet wird. Das Video gibt den Medizinern wichtige Hinweise auf Speiseröhrenausstülpungen (Divertikel), größere Zwerchfellbrüche und Störungen der Speiseröhrenfunktion.

Neben diesen modernen Methoden kann aber durch bewusste Umsetzung von ausgewogener Ernährung, Vermeidung voluminöser oder später Mahlzeiten, sich genug Zeit nehmen, Verzicht auf Nikotin und Oberkörper nach dem Essen hochlagern eine Linderung der Beschwerden erfolgen.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, so genannte Protonenpumpenhemmer (Säureblocker) zu verordnen. Leider hat die Praxis erwiesen, dass lediglich 70 Prozent der Patienten durch Säureblocker beschwerdefrei sind. 30 Prozent - oder in greifbaren Zahlen 3,8 Millionen Deutsche - können nicht von den Medikamenten profitieren. Weil sie in keiner Sprechstunde auftauchen nennt man sie "lost patients". Das sind die potenziellen "Kunden" eines Reflux-Zentrums in dem sie eine maßgeschneiderte Therapie bekommen.

Information

Europaweit einzigartiger Fall

Mit großer Freude haben die beiden Mediziner Dr. Detlev Scholz (Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie) sowie Dr. Joseph Prasse-Badde (Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Unfallchirurgie) das Ergebnis eines Eingriffs mit Schrittmacher-System bei einer 15-jährigen Herforder Schülerin registriert. „Wir haben dem jungen Mädchen ihre Lebensqualität wieder zurück geben können. Sie kann in der kommenden Woche wieder zur Schule gehen und dürfte weitgehend beschwerdefrei sein“ sagt Scholz. Und fügt stolz hinzu: „Sie konnte bereits einen Tag nach dem Eingriff wieder säurehaltigen Apfelsaft trinken.“