Sterne-Niveau hinter Herforder JVA-Gittern

Herford. Sechsmal pro Jahr öffnen sich die Tore eines etwas anderen Restaurants: In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Herford können angemeldete Gäste sechs Gänge genießen, die von Häftlingen zubereitet und serviert werden. Das Dinner mit Nervenkitzel hat jedoch einen simplen Grund: Hinter den Mauern sollen die Jugendlichen auf ein Leben nach dem Gefängnis vorbereitet werden.Eine der 15 angebotenen Ausbildungen ist die zum Koch. NW-Mitarbeiterin Friderieke Schulz schaute den Häftlingen über die Schulter und ließ sich berichten, warum für manch einen von ihnen sechs Gänge Freiheit bedeuten.Kurz nach zwei Uhr Nachmittags in der Lehrküche der Justizvollzugsanstalt Herford: Die Vorbereitungen für das Dinner hinter Gittern sind bereits in vollem Gang und Michael und Jonas (Namen geändert) sind gerade mit dem Schneiden der Oliven für die Vorspeise beschäftigt.Die beiden Insassen sind derzeit Auszubildende in der Lehrküche und kochen heute Abend unter Anleitung von Ausbilder Sebastian Momma und Gennaro Chirico das Dinner hinter Gittern.Dinner seit 2008 Die gelernten Köche haben sich vor rund zwei Jahren für die Ausbildung eingesetzt. Das Dinner hinter Gittern, das die JVA seit 2008 anbietet, hat sie einst auf die Idee gebracht. &bdquo;Dadurch haben die Auszubildenden die Chance, auch das à-la-Carte-Geschäft kennenzulernen und dadurch eine bessere Vorbereitung auf das Leben danach“, so Momma.Doch nicht nur deswegen sind die Ausbildungsplätze beliebt. &bdquo;Ich habe draußen bereits die Ausbildung zum Koch begonnen. Die Ausbilder hier haben viel mehr Zeit für uns, deswegen lernt man auch mehr als draußen“, sagt Michael. Gerade hat der Auszubildende seine Zwischenprüfung bestanden: &bdquo;Als einer der Besten übrigens“, sagt Momma stolz und erzählt, dass Ausbildungsinhalte und Prüfung dieselben seien wie in Betrieben außerhalb der JVA.Die Menüfolge für das Dinner haben sich die beiden Insassen selbst überlegt – auch das gehört zu den Inhalten ihrer Ausbildung. Neben einem Kresserahmsüppchen mit Parmesanklößchen oder einem Pfefferminzparfait steht auch ein Lammrückenfilet auf dem Menü. &bdquo;Das sind Produkte, mit denen sie unter Umständen draußen nie wieder arbeiten werden“, sagt Chirico.Die beiden Insassen geben nun Vollgas. Immer wieder probieren sie die Saucen, ändern eine Kleinigkeit und behalten trotz zunehmender Hektik auch die Zeit im Blick. Denn für das finale Kochen müssen sie umziehen. Gekocht wird bei den Gästen im Verwaltungsgebäude. Dafür packen sie alle vorbereiteten Speisen zusammen. &bdquo;Habt ihr euch schon überlegt, wie ihr es anrichten wollt?“, fragt Momma auf dem Weg und aus den beiden Häftlingen sprudeln die Ideen.Das Gefängnis vergessen &bdquo;Ich möchte schon gern, dass beim Dinner alles nach Plan läuft – schließlich ist das für uns eine Bewährungsprobe“, sagt Jonas. An solchen Abenden genießt er vor allem die Abwechslung: &bdquo;Ich kann für einige Zeit vergessen, dass ich im Gefängnis sitze, mich aufs Kochen konzentrieren und bekomme Feedback von einem normalen Publikum – wie im Restaurant.“Im anderen Gebäude wird es auch für die Ausbilder stressiger. Weitere Insassen kommen hinzu. Sie sind am Abend für den Service eingeteilt und müssen nun eindecken. Sascha Warnat zeigt ihnen, wie es geht und gibt gleich auch einen Crashkurs in Sachen Knigge mit auf den Weg: &bdquo;Schultern zurück und achtet darauf, dass ihr parallel zueinander lauft.“Markus (Name geändert) hat bereits vor seinem Haftantritt als Kellner gearbeitet. Für ihn ist das Dinner ein Stück weit Rückkehr zum Alltag. Kumpel Lin-Khan (Name geändert) hingegen sieht es mit gemischten Gefühlen: &bdquo;Es ist zum einen schön, weil der Tag schneller vorbeigeht. Normalerweise ist bei uns um zwei Uhr Schluss, nun sind wir bis zehn beschäftigt. Mir gefällt auch, dass manchmal hübsche Frauen da sind – dann macht es Spaß.“ Aber manchmal kommt er sich auch doof dabei vor: &bdquo;Dann frage ich mich, was die Leute bewegt, hierher zu kommen. Ich glaube, für viele von ihnen ist das ein Kick.“ Während der 19-Jährige noch rätselt hat JVA-Leiter Friedrich Waldmann bereits die 20 Gäste am Tor in Empfang genommen und ihnen auch ihren Ausweis abgenommen.Plätze sind beliebt &bdquo;Als junges Mädchen habe ich hier Kuchen hingeliefert. Ich habe viel Gutes über das Dinner gehört und möchte mich nun selbst davon überzeugen“, sagt Gertrud Fleischer aus Bückeburg. Für die zwei Plätze haben sie und ihre Tochter Barbara viele Monate gewartet. Denn die Plätze sind beliebt.Von Gang zu Gang staunen die Gäste über das Essen, für das die beiden Auszubildenden in der Küche gerade schwitzen. Nach dem Dessert zeigen sie sich dann der Menge. &bdquo;Es schmeckt köstlich“, loben die Gäste mit Worten und viel Applaus. Und auch die beiden grinsen nun zufrieden: &bdquo;Deswegen macht es so viel Spaß.“

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