
Herford. Es ist kahl geworden. Nur ein paar Stängel Grünkohl ragen noch aus der Erde. Bei der Aussaht im Juni ist er eine von vielen Gemüsesorten, in der kalten Jahreszeit ist er Alleinherrscher. Doch seine Zeit scheint gezählt. Im Winter kehrt Ruhe in den Kleingärten der Nordstadt ein. Nur ein paar Vögel zwitschern zur Begrüßung. Und dann ist da noch Wolfgang Winkekler.
Der leidenschaftliche Kleingärtner winkt und öffnet das grüne Tor zu 11.893 Quadratmetern Gärtnerglück. Gleich am Anfang, gegenüber des Schaukastens, zeigt er stolz auf sein Reich und auf besagten Kasten mit Dienstordnung und einer Ankündigung der Stadt. Der Brief scheint in die Jahre gekommen zu sein. "Vor vier Jahren hatten wir eine Auseinandersetzung mit der Stadt. Sie wollten uns unsere Gewächshäuser nehmen", sagt Winkeler und wundert sich, dass die Verwaltung, nach Ende der vierjährigen Testphase der Gewächshausnutzung in 2014, noch keine feste Reglung getroffen hat. Die Stadt hatte befürchtet, dass die Kleingärtner ihre Gewächshäuser als Schuppen benutzen und daraufhin eine Testphase mit Kontrollen eingeräumt.

Vorbei an den kahlen Hecken geht es zum Ludwig-Rohrbach-Platz. "Wir haben zum Gedenken an unseren Gründer unseren Gemeinschaftsplatz nach ihm benannt", sagt Winkeler und schaut stolz auf die Überdachung. "Der Bezirksverbandsvorsitzende hatte uns damals verboten, ein Dach zu bauen. Jahre später kam er zu Besuch und wunderte sich, warum wir unsere Gemeinschaftstreffen unter freien Himmel abhalten. Er war sich selbst nicht im klaren, warum er das Dach verboten hatte." Winkeler hat sich an die Eigenarten der Kleingärtnerkultur gewöhnt. Ordnung gehört dazu, Veränderung aber auch. So wurde der Gemeinschaftsplatz kurzerhand doch wetterfest gemacht.

Winkeler lässt den Grünkohl in seinem Beet zunächst unberührt. Er will sein ganzes Reich präsentieren. Der Gartenfreund bewegt sich den Berg hinauf zum Mittelpunkt seines kleinen Paradieses. Eigens gepflastert und mit betonierten Bänken versehen, gibt dieser Platz Gelegenheit zur Rast.
Der 75-Jährige zeigt zur nächsten Station der kleinen Reise. Am Ende des Horizonts erkennt man eine Garage ebenfalls betoniert mit grünem Tor. "Da haben wir alles drin, was nicht jeder einzeln braucht. Rasenmäher, Heckenscheren und Leitern werden geteilt." Winkeler erzählt, dass er vor 27 Jahren Mitglied wurde und jetzt bereits seit 13 Jahren den Verein führt. Ein wenig bedrückt sagt er, dass es sein letztes Jahr als Vorsitzender sein wird. "Wissen sie, das Alter geht auch an mir nicht vorbei, wir wollen die nächsten Jahre einfach genießen." Aber auch als Kleingärtner ohne Vorsitz will er weiterhin ein waches Auge auf die Einhaltung der Regeln haben. Winkeler kennt sich aus im Dickicht der Vorschriften für die Hobbygärtner.

"Der Garten darf maximal 400 Quadratmeter groß sein. Die Laube darf 15 und der Vorbau 9 Quadratmeter haben. Wenn wir diese Regeln nicht hätten, würde der Teufel Einzug halten und jeder würde bauen, wie er lustig ist", prognostiziert Winkeler und erzählt vom Bundeskleingartengesetz. "Keine andere Vereinsstruktur hat ein eigenes Gesetz," sagt der Vorsitzende stolz während sich langsam das Tor zu seinem Garten öffnet. Die letzte Portion Grünkohl wartet auf ihn.
Der Eingang zur Laube befindet sich an der Rückseite. Ein kräftiger Stoß und der Vorhang lüftet sich. Eine kleine Sitzecke bietet Platz, gleich neben der Küche. "Hier sitzen meine Frau und ich, wenn es draußen mal stürmisch ist. Wasser liefert der Regen, aber wenn es trocken wird, haben wir eine Alternative", sagt Winkeler und zeigt auf den Backsteinbau, der zwar wie ein Brunnen wirkt, aber keiner ist. Der Kleingärtner hat die Stadtwerke dazu gebracht, sie mit Wasser zu versorgen. Die Idylle lässt wilde Romantik vermuten, aber der Garten ist zivilisiert. Das wollte Winkeler noch sagen.
Jetzt widmet er sich seinem eigentlichen Ziel. Nur noch wenige Schritte trennen Gärtner und Grünkohl. Des Ostwestfalens liebste Winterspeise verbindet sich in Gedanken schon mit Kartoffeln und Kassler.