Kreis Herford

Wittekind auf der Opernbühne

"Carlo Magno" entstand 1813/14 und wurde jetzt in Frankfurt wieder aufgeführt

Hartmut Braun
06.02.2015 | 06.02.2015, 13:00
TraurigerKriegsheld: Auf der Wittekindsburg nahe der Porta hängt dieses 1904 von Hans Mündelein in Öl gemalte Wittekind-Bildnis. Fast hundert Jahre vorher verarbeitete Giuseppe Nicolini den Konflikt Wittekinds mit dem Frankenkönig Karl in großer dichterischer Freiheit zu einem "Melodramma serio", das jetzt wieder entdeckt wurde. Ein männlicher Sopran singt dort den Sachsenherzog. - © Foto: Hansen
TraurigerKriegsheld: Auf der Wittekindsburg nahe der Porta hängt dieses 1904 von Hans Mündelein in Öl gemalte Wittekind-Bildnis. Fast hundert Jahre vorher verarbeitete Giuseppe Nicolini den Konflikt Wittekinds mit dem Frankenkönig Karl in großer dichterischer Freiheit zu einem "Melodramma serio", das jetzt wieder entdeckt wurde. Ein männlicher Sopran singt dort den Sachsenherzog. | © Foto: Hansen

Kreis Herford. Der Sachsenherzog Wittekind hat in ganz Europa Spuren in Geschichte, Malerei und Literatur hinterlassen. Dass er auch auf der Opernbühne seinen Mann gestanden hat, und das sogar als Männersopran, ist für viele Widukind-Fans neu. "Carlo Magno" heißt das Stück, es ist ein "Melodramma serio".

Der zu seiner Zeit berühmte italienische Komponist Giuseppe Nicolini (1762-1842), dessen Stil irgendwo zwischen Rossini und Donizetti angesiedelt wird, hat mehr als 50 heute unbekannte Opern komponiert. Auch damals schaffte es sein Ruhm nicht über die Alpen.

Dieser Nicolini hat für das Jahr 1814, da war Karl der Große gerade 1.000 Jahre tot, ein Musikdrama zu Ehren des großen mittelalterlichen Franken-Herrschers komponiert. Die Wittekind-Partie schrieb er für den damals weltberühmten Kastraten Giovanni Battista Velluti, dem auch Rossini Rollen auf den Leib schrieb. Doch bald danach verschwand "Carlo Magno" in der Versenkung.

200 Jahre später suchte der Frankfurter Dirigent Thomas Hanelt ein zum Karls-Jahr 2014 (da war der Frankenkönig gerade 1.200 Jahre tot) passendes Stück Musiktheater. In der bayrischen Staatsbibliothek in München stieß er auf ein unbekanntes Opern-Libretto mit einem Karls-Stoff. Er forschte weiter - und spürte schließlich in Parma auch die Partitur dieses Opern-Schinkens auf.

Der Musiker und Musikwissenschaftler war begeistert, rekonstruierte in mühevoller Arbeit das Notenmaterial - und brachte das Stück mit Solisten, den Männerstimmen des Frankfurter Motettenchors und der 25-köpfigen Kammerphilharmonie St. Petersburg in einer konzertanten Aufführung im Frankfurter Cantatesaal und in Königstein/Taunus zu Gehör. Das war Anfang Januar - und eine ziemliche Sensation.

Die Handlung spielt auf der legendären sächsischen Eresburg, die in der Nähe Paderborns im heutigen Marsberg lag. Karl der Große (Tenor) wird als Frauenheld dargestellt, der dem sächsischen Herzog Wittekind (Kastratensopran) die Verlobte (Sopran) ausspannen will.

Für deren Entgegenkommen wäre er sogar bereit, auf den Krieg zu verzichten. Das ist im Detail historisch nicht sonderlich korrekt, aber unterhaltsam: Es geht um Kabale und Liebe, Krieg und Frieden, Ehre und Tod - große Gefühle eben.

Ein Priesterchor tritt auf, Soldaten sind dabei, das Volk meldet sich, jeweils dargestellt von den Männerstimmen des Frankfurter Motettenchors. Das Orchester mischt sich mit Pauken und Trompeten ein. Amüsante Zwischentexte von Michael Quast lockern das Konzert auf.

"Das war eine amüsante und überaus kurzweilige Aufführung", urteilt die Engeraner Museumsleiterin Regine Krull, die sich als Sachwalterin des Wittekind-Erbes die Wiederaufführung nach 200 Jahren in der laut Legende von Karl gegründeten Stadt Frankfurt nicht entgehen ließ.

Die Frankfurter Rundschau schrieb von einem "becircend geglückten" Konzert. "Die Sensation des Abends ist Robert Crowe, ein Sopransänger", heißt es in den Taunusnachrichten, er sang den Wittekind. Und auch die Taunus-Zeitung vermeldet "lang anhaltenden, stürmischen Applaus".

Dem Titel zum Trotz steht nicht Karl der Große, sondern Wittekind mit seinem Männersopran im Zentrum. "Es gibt schöne Melodien, eine nachvollziehbare Handlung; die Oper ist nicht zu lang, das ist allerbeste Unterhaltung", fasst Regine Krull ihre Eindrücke zusammen.

Dieser Wittekind als Männersopran auf der Opernbühne würde sicher auch im Kernland des Sachsenherzogs rund um Enger, wo er begraben liegt, sein Publikum finden.