Rechtschreibung ist gar nicht so einfach

Enger/Spenge. Die Methode &bdquo;Sprechen nach Gehör" funktioniert seit dem Beginn der menschlichen Kommunikation. Das Projekt &bdquo;Schreiben nach Gehör" ist wohl ein auslaufendes. Letzteres hat NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer erkannt. Die schwarz-gelbe Landesregierung leitet die Abkehr von diesem umstrittenen Ansatz ein. Jahrelang waren die Kinder in den ersten beiden Grundschuljahren angehalten, einfach mal drauf los zu schreiben um ohne die bremsende Rechtschreibhürde den Spaß am geschriebenen Wort zu gewinnen. Die Folge: Eine nicht wegzudiskutierende Zahl an Kindern hat jetzt in der Mittelstufe deutliche Probleme mit der Rechtschreibung. Für sie kommt die Abkehr der Ministerin zu spät. Maike Wolters ist Deutschlehrerin in einer 7. Klasse des Widukind-Gymnasiums Enger. Und auch sie sieht gewisse Defizite bei einigen Schülerinnen und Schülern in Sachen Rechtschreibung. Doch geht sie prinzipiell differenziert an die Problematik heran. "Kurzzeitigkeit der modernen Medien" Zunächst sei nicht unbedingt ausschließlich das Prinzip: &bdquo;Schreiben nach Gehör" für die unbefriedigende Situation verantwortlich. &bdquo;Da muss man auch sehen, dass die neuen Medien mit ihren kurzen Nachrichten und ihrer Rechtschreibkorrektur nicht unbedingt zum richtigen Schreiben animieren." Sie erkennt die &bdquo;Kurzzeitigkeit der modernen Medien". &bdquo;Wie sollen Kinder lernen, sich länger mit einem Text zu befassen und die Konzentration dabei aufrecht zu erhalten, wenn Youtube-Videos nur drei Minuten lang sind?", fragt sie provokativ. Und bezieht das nicht nur auf Kinder, sondern auch auf viele Erwachsene, die verlernt hätten, sich konzentriert und reflektiert mit einem Text auseinander zu setzen. Qualität der Handschrift hilft beim Streben zur korrekten Rechtschreibung Außerdem geht es auch noch um die Qualität der Handschrift und ihre Leserlichkeit: &bdquo;Wie soll ich als Lehrerin denn kontrollieren, ob ein Wort richtig geschrieben ist, wenn ich’s nicht lesen kann." Und: &bdquo;Es ist wichtig, dass die Kinder ihre eigene Schrift lesen, damit sie selbst ihre Fehler entdecken. Das bedeutet, dass sie eine leserliche Handschrift ausbilden müssen." Prinzipiell – und nach ihrer langjährigen Erfahrung – verneint sie übrigens die These, dass Jungen in Sachen Rechtschreibung schlechter unterwegs seien als Mädchen. &bdquo;Das stimmt so nicht." Sie räumt aber ein, dass Kinder, die viel lesen, eher Chancen hätten, Wörter und Sätze richtig zu schreiben; mit der Syntax richtig umzugehen. Aber: &bdquo;Bei der Rechtschreibung wird nicht alles übers Auge erfasst; viel läuft auch über die Hand." Soll heißen: Wer viel schreibt, lernt auch die Rechtschreibung besser. "Früher wurde Schreiben mehr antrainiert" Ihr reines Bauchgefühl sagt: &bdquo;Früher wurde Schreiben mehr antrainiert." Und das habe wohl recht gut geklappt. In ihrer jetzigen Klasse sieben schrieben einige Kinder recht fehlerfrei; einige nicht ganz so. Maike Wolters legt viel Wert auf die korrekte Rechtschreibung, honoriert aber Mut. &bdquo;Wenn sich Schüler an schwierige Wörter herantrauen, dann finde ich das ganz klasse." Und wenn aus &bdquo;Rhythmus" dann &bdquo;Rythmus" wird und das &bdquo;h" verloren geht, sei das zwar ein Rechtschreibfehler; es gebe aber eine bessere Note im Ausdruck. &bdquo;Die Sache mit dem ,das’ und ,dass’ und dem ,wieder’ und ,wider’ ist problematisch" &bdquo;Selbstvertrauen" ist der Bereich, den Wolters fördern will. Dazu nutzt sie einige Werkzeuge. Eines ist das Diktat. Oft gibt sie den Kindern sogar den Diktattext mit nach Hause, damit sie üben könnten. Dadurch würde die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler gesteigert. &bdquo;Und wer sich sicher ist, verliert auch die Angst vor Fehlern." Wo die vorkommen, weiß die Lehrerin genau: &bdquo;Bei den ,nis-Endungen’wird gern ein Doppel-s verwendet, bei der Nominalisierung gibt’s Probleme mit der Groß- und Klein-Schreibung. Und auch die Sache mit dem ,das’ und ,dass’ und dem ,wieder’ und ,wider’ ist problematisch." Diese Fehler fallen ihr schnell auf. &bdquo;Aber ich bin ein Finder. Und kein Sucher", sagt sie lächelnd. Gerade für Eltern von Kindern in der Pubertät oder präpubertären Phase hat sie ein paar Tipps parat. &bdquo;Regeln müssen eingehalten werden, aber Kinder sollten ermutigt werden." Zudem sei Ruhe wichtig; gerade bei dem großen Rahmenprogramm, das die Kinder derzeit zu bewältigen haben. &bdquo;Richtig Rechtschreiben zu lernen ist ein längerer Prozess." Ihr Ratschlag: &bdquo;Sprechen Sie mit Ihrem Kind die regelmäßigen Übungseinheiten ab. Und nehmen Sie sich dann genug Zeit." Auch die Absprache mit dem Deutschlehrer sei sinnvoll. &bdquo;Denn der weiß genau, welches Übungsmaterial sinnvoll ist. Das ist besser, als einfach im Internet zu suchen." Besonders wichtig: &bdquo;Richtig Rechtschreiben zu lernen ist ein längerer Prozess." Der lohnt sich aber auch: Denn tatsächlich gibt es auch in anderen Fächern schlechtere Zensuren wegen zu vieler Rechtschreibfehler. Und wer will schon wegen &bdquo;Rythmus" & Co. den Abi-Schnitt versemmeln?

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