Enger

Winterschlaf im Kühlschrank

Manche Exoten lieben es jetzt kühl: Schildkröte und Co. verschlafen die kalte Jahreszeit an den ungewöhnlichsten Orten

Schildkröten Expertin: Marion Büteröwe hält mehrere Arten von europäischen Landschildkröten wie die Breitrandschildkröte links im Bild, ein sehr altes Männchen. Auf der Hand sie eine griechische Landschildkröte der Ostrasse (hell) und der Westrasse (dunkel). | © STEFANIE BOSS

27.01.2017 | 27.01.2017, 06:30

Enger. Während sich die meisten Zweibeiner zur Zeit wohl nichts sehnlicher wünschen, als Sonne und steigende Temperaturen, kann es für Archie gar nicht kühl genug sein. Schon seit mehr als 35 Jahren lebt die Landschildkröte bei Waltraud Bettinger in Enger. Und während die Beiden im Sommer viel Zeit zusammen draußen verbringen, verschläft er die kalte Jahreszeit in einer Kiste im Keller – kühl und dunkel gelagert. Und damit hat er es in seinem Winterschlaf sogar noch relativ gemütlich. Denn viele seiner Artgenossen wandern im Winter auch schon mal in den – Kühlschrank.

Europäische Landschildkröten halten – im Gegensatz zu tropischen – in ihrem natürlichen Lebensraum Winterruhe, erklärt der Engeraner Tierarzt Dr. Carsten Plischke. „In der Natur buddeln sie sich dafür in die Erde ein und kommen so etwa im April wieder an die Oberfläche.“ Schildkröten, die als Haustiere gehalten werden, haben es oft nicht so leicht, den richtigen Platz für die lange Winterpause zu finden – wenn sie denn überhaupt zur Ruhe kommen. „Manche Besitzer lassen die Tiere nicht schlafen, doch das ist nicht artgerecht und kontraproduktiv für die Gesundheit der Tiere“, betont Plischke. Schildkrötenliebhaber, die ihren Tieren keinen Garten zum Einbuddeln bieten können, müssen sich deshalb etwas einfallen lassen. Verpackt in Boxen wandert dann so manche Schildkröte in den Keller, den Kühlschrank oder – wie bei Marion Büteröwe aus Rödinghausen, die mehrere Arten europäischer Landschildkröten hält – in das Gewächshaus.

„Auf diese Weise kann man die Tiere kontrolliert durch den Winter bringen“, sagt Plischke. Zur Vorbereitung sollten Temperatur und Tageslichtzufuhr allmählich reduziert und umgekehrt im Frühling langsam wieder erhöht werden. Das weiß auch Marion Büteröwe: „Ab Ende Oktober fahre ich die Zufuhr der Wärmelampen kontinuierlich runter“, erläutert sie. Unter diesen Lampen holen sich ihre Schildkröten auch an kalten Sommertagen ihre tägliche Ration Wärme ab, die sie zur Stoffwechselregulierung benötigen.

Jetzt im Winter hält die Schildkröten-Liebhaberin ihr Gewächshaus konstant auf einer Temperatur von fünf Grad. „Wenn es zu mild ist, lüfte ich, wenn es richtig kalt wird, heize ich zu“, sagt sie. Da das Gewächshaus keinen Boden hat, können sich die Tiere hier ganz natürlich direkt in die Erde eingraben oder sich nach Wahl nur unter dem Laub verkriechen. „Manche meiner Schildkröten graben sich bis zu 30 Zentimeter tief ein, andere schauen mit dem Panzer oben aus der Erde“, hat sie beobachtet. Wichtig ist, dass das Fundament unter der Umrandung von Frühbeet oder Gewächshaus mindestens 80 Zentimeter tief in die Erde geht – damit sich die Schildkröten im Frühling nicht einfach in die Freiheit buddeln können. Außerdem können so auch Fressfeinde wie Ratten oder Marder am Eindringen gehindert werden.

Waltraud Bettinger richtet für ihren Archie jedes Jahr einen Karton mit Laub und anderen Materialien her. „Ich setze ihn hinein, bedecke ihn vorsichtig mit ein bisschen Laub. Dann buddelt er sich von selbst ein“, berichtet sie. „Im Frühjahr schaue ich regelmäßig nach, ob er noch schläft. Wenn er sich bewegt, hole ich ihn wieder heraus. Seit über 35 Jahren klappt die Überwinterung auf diese Weise sehr gut.“

Für Tiere, die im Kühlschrank schlafen, sollten Tierfreunde sich am besten einen Extra-Kühlschrank anschaffen. „Man sollte die Schildkröten nicht zwischen Butter und Wurst lagern“, sagt Tierarzt Plischke. Wichtig sei auch ein geeignetes Gefäß, ein Schuhkarton etwa könne leicht schimmeln. „Auch sollte das Licht abgestellt und der Kühlschrank regelmäßig gelüftet werden, damit die Schildkröte Sauerstoff bekommt.“

Das kann auch Marion Büteröwe nur bestätigen. Sie hat es schon erlebt, dass Tiere ganz ohne Behältnis in den Kühlschrank gesetzt worden sind. „Das darf auf keinen Fall passieren, da der Kühlschrank Feuchtigkeit aus dem Kühlgut zieht.“ Und dann könnte das kalte Winterquartier schnell zur Todesfalle für die Schildkröte werden.

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Vitamine und Unterschlupf

Auch andere Reptilien wie zum Beispiel Bartagame halten Winterschlaf, Wellensittiche und andere Vögel aus wärmeren Gefilden jedoch nicht. Wichtig sei es aber, die Tiere auch im Winter mit ausreichend Vitaminen zu versorgen, sagt Dr. Carsten Plischke.
Im Fall von anderen exotischen Haustieren kann bei der Überwinterung nicht viel schiefgehen. „Hamster halten Winterruhe, allerdings nur die bei uns wildlebenden Feldhamster", so Plischke. Die Arten, die als Haustier gehalten würden, seien meist in der Wüste beheimatet und schliefen im Winter nicht. Ebenso wie Meerschweinchen. „Wichtig ist nur, ihnen einen Unterschlupf als Schutz vor Kälte und Nässe zu bieten, wenn man sie nicht in der Wohnung, sondern draußen hält." (boss)