Keimzelle des BVB ist heute das Wohnzimmer des Engeraners Jan-Henrik Gruszecki

Enger/Dortmund. Im Leben von Jan-Henrik Gruszecki dreht sich (fast) alles um Fußball. "Das Erste, an das ich nach dem Aufwachen denke, ist Fußball." Sucht? "Ja, man kann es wohl so beschreiben", sagt der quirlige Fußballfan, der aus Enger stammt. Die Sucht hat bei ihm eine Farbe: Schwarz-gelb. Seit Kindesbeinen an schlägt sein Herz für den BVB. Er verpasst kein Heim- und Auswärtsspiel und hat die Spielergebnisse der Schwarzgelben in seinem Gedächtnis abgespeichert. Er kann sogar die Torschützen des jeweiligen Spiels aufzählen - ob Bundesliga oder Champions League. Gruszecki wuchs im Engeraner Ortsteil Besenkamp auf. Heute - wie könnte es anders sein - lebt er in der Heimatstadt seines BVB. Um die Adresse werden ihn eingefleischte BVB-Fans beneiden: "Der Raum, in dem 1909 Borussia Dortmund gegründet wurde, ist heute mein Wohnzimmer." Bei Recherchen zu einem Film über die Gründungsgeschichte des BVB, den Gruszecki zusammen mit zwei Kumpel drehte, stieß er auf die Kneipe "Zum Wildschütz". Hier gründete am 19. Dezember 1909 eine Gruppe von Männern den BVB. Heute zählt der Club zu den Top-Vereinen in Deutschland und feierte internationale Erfolge. Als Gruszecki erfuhr, dass der "Wildschütz" zwangsversteigert werden sollte, schlug er zu. "So manches Mal, wenn ich die Haustür aufschließe, denke ich: Das ist schon krass. Du lebst in einer historischen Immobilie." In dem Film "Am Borsigplatz geboren" spüren die drei Macher die Gründungsväter des Traditionsclubs im Pott auf. Er lief 2015 in vielen Programmskinos der Republik und lockte Tausende von Fans an. Im Mittelpunkt steht Franz Jacobi, der wohl wichtigste Mann in der frühen BVB-Geschichte. "Es ist natürlich sehr schön, ein Thema zu recherchieren, das einem am Herzen liegt", sagt Gruszecki, der als freier Journalist arbeitet. "Aber die Recherche war eine Höllenarbeit und man muss schon in den Profimodus schalten." Die Fußball-Leidenschaft packte ihn als Fünfjähriger. "Da habe ich im Fernsehen den Pokalsieg der Dortmunder gegen Bremen gesehen: Das Spiel gewann der BVB 4:1." Im Nu war es um ihn geschehen. Kurze Zeit später bekam der kleine Jan-Henrik seine erste BVB-Fahne und einen Fanschal. Und er hatte Glück: In seinem Ort gab es bereits den BVB-Fanclub "Die Germanen kommen". "Das war für mich das Epizentrum der BVB-Fans in meiner Heimatstadt", sagt Gruszecki schmunzelnd. Als Siebenjähriger sah er sein erstes Spiel der Borussia im Dortmunder Stadion. Mit zwölf hatte er seine erste Dauerkarte für seinen Lieblingsverein in der Tasche. Mit den "Germanen" aus Besenkamp ging?s dann regelmäßig zu den Spielen vor ausverkauftem Haus. "Mein Vater ist dann durch mich auch zum BVB-Fan" geworden", erinnert sich der heute 31-Jährige. Der BVB reichte ihm aber nicht. Als Groundhopper zog es ihn ins Ausland, um möglichst viele Spiele in verschiedenen Stadien zu besuchen - und landete später sogar in Südamerika. Für ein Jahr ging der Student nach Paraguay und absolvierte während seines Auslandssemesters ein Praktikum bei einer deutschsprachigen Zeitung. Jedes Wochenende fuhr er 20 Stunden mit dem Bus in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires, um dort Fußballspiele zu sehen. Anschließend ging's 20 Stunden im Bus retour. "Ich war so verknallt in diese Fußballstadt, dass ich nach meinem Studium von Deutschland nach Buenos Aires zog." Und der BVB? "Dessen Spiele hab? ich per Online-Stream verfolgt und häufig über die schlechte Verbindung geflucht." Seit 2012 lebt er wieder in Deutschland. "Eigentlich wollte ich nur kurz bleiben. Aber dann kam der BVB-Film dazwischen." So ist er geblieben. Und denkt "25 Stunden am Tag" an Fußball. Seine Freundin kommt ab und zu mit ins Stadion. Die beiden erwarten demnächst ein Kind. Und für den werdenden Vater steht jetzt schon fest: "Mein erster Weg - egal ob Mädchen oder Junge - führt nicht zum Einwohnermeldeamt, sondern direkt in die BVB-Geschäftsstelle. Das neue BVB-Mitglied anmelden!" Die katholische Kirche lehnt die &bdquo;Fußlümmelei" ab Jan-Henrik Gruszecki hat 2015 mit zwei Kumpel den Film &bdquo;Am Borsigplatz geboren" gedreht. Das Geld (260.000 Euro) haben sie über Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) zusammen bekommen. Der Film lief in vielen Programmkinos der Republik. In dem Dokumentarfilm erzählen sie die Gründungsgeschichte des BVB. Und das durchaus spannend: Die Fußballbegeisterten Männer der ersten Stunde mussten sich 1909 gegen die katholische Kirche durchsetzen. Der Kaplan im Dortmunder Arbeiterviertel lehnte strikt die &bdquo;Fußlümmelei" ab. Das sonntägliche Fußballspielen von Mitgliedern seiner Jugendgruppe versuchte er zu unterlaufen, indem er die Jungs verpflichtete, neben der Vormittagsmesse auch die Nachmittagsmesse zu besuchen. Der Kaplan eilte höchstpersönlich in die Kneipe &bdquo;Zum Wildschütz", um in letzter Minute die Gründung des Fußballclubs zu unterbinden. Vergeblich. Sieg für den BVB!

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