Tod einer Vierjährigen aus Bünde: Warum wurde die Patientenakte nachträglich bearbeitet?

Bünde/Herford. 31 Seiten lang ist das Privatgutachten, das die Anwaltskanzlei Brocks Medizinrecht gemeinsam mit einer Fachärztin für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin erstellt hat. In dem Schreiben kommen die Experten zu dem Schluss, dass dem Tod der vierjährigen Emily Janke aus Bünde am Neujahrstag 2023 mehrere Behandlungsfehler vorausgegangen sind. Zu dem Urteil sind Anwälte und Fachärztin gekommen, nachdem sie die Patientenunterlagen, die im Klinikum Herford und bei zwei Kinderärzten erstellt worden sind, sowie die für sie zugänglichen Akten von Staatsanwaltschaft und Polizei ausgewertet haben. Stutzig macht die Gutachter zudem ein Eintrag einer Oberärztin, der erst nach dem Tod des Mädchens Eingang in die Unterlagen gefunden haben soll. Kinderärztin kündigte Kind in Klinik an Um 11.37 Uhr ist Emily an Neujahr in der Notfallambulanz des Klinikums Herford aufgenommen worden. Das ergibt sich aus dem Gutachten, das den Behandlungsablauf am Neujahrstag chronologisch rekonstruiert. Zuvor hat sich eine Kinderärztin aus Löhne telefonisch im Klinikum gemeldet und die Überweisung des Mädchens angekündigt. Dabei sei um &bdquo;eine dringende Abklärung“ gebeten worden. Der Befund der Ärztin: schlechter Allgemeinzustand bei seit Tagen bestehendem Fieber, Hautkolorit, Nasenbluten, Beinschmerzen und Hämatome. Im Überweisungsschreiben wird als Diagnose zudem eine &bdquo;septische Arthritis“ notiert, also eine bakterielle Infektion. Die Kinderärztin und die Mitarbeiter seien &bdquo;sehr engagiert“ gewesen, heißt es in dem Gutachten. Verwunderung über nachträglichen Eintrag Ein Eintrag in der Patientenakte von Emily, der vier Stunden und 53 Minuten nach der Aufnahme des Mädchens dort auftaucht, wirft bei den Gutachtern Fragen auf. Für 16.30 Uhr hat eine Oberärztin dort etwas dokumentiert. &bdquo;Hierbei handelt es sich wohl um einen nachträglichen Eintrag (post mortem)“, vermuten die Gutachter. Also eine Ergänzung in den Unterlagen, die erst nach dem Tod des jungen Mädchens aufgeschrieben worden sein soll. &bdquo;Anders ist der Eintrag nicht zu erklären, weil die Oberärztin zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang zur Akte gehabt haben dürfte“, heißt es weiter. Doch was soll nachträglich eingefügt sein? Dokumentiert ist, dass die Katheterisierung von Emily schwierig gewesen und daher nach einer Sedierung gefragt worden sei. Dies hat auch Emilys Mutter, Lara Janke, bereits bestätigt. Zudem ist jedoch ergänzt worden – und das wirft Fragen auf –, &bdquo;dass die Oberärztin ’nochmals’ darauf hingewiesen habe, dass bei hohen Infektionswerten die Antibiose schnell gegeben werden“ müsse. Warum gab Oberärztin keine Antibiose? Ist dieser Eintrag wirklich nachträglich in die Patientenakte eingefügt worden? Und wenn ja, warum ist das im Nachhinein geschehen? &bdquo;Sollte der Eintrag nicht post mortem erstellt worden sein, drängt sich die Frage auf, warum die Oberärztin nicht selbst die Antiobiose gegeben hat“, heißt es in dem Gutachten. Erst mehr als sechs Stunden und 23 Minuten nach der Aufnahme taucht in der Patientenakte das Wort Sepsis auf. Handschriftlich ist das Wort dort mit einem Fragezeichen notiert. Weitere 30 Minuten später, etwa um 18.30 Uhr wird Emily erstmals eine Antibiose verabreicht. Für die Vierjährige kommt das zu spät. Um kurz nach 21 Uhr muss Emily reanimiert werden, um 21.49 Uhr wird das Mädchen für tot erklärt. Das sagt das Klinikum Herford Die NW hat beim Klinikum Herford um eine Stellungnahme gebeten. Kliniksprecherin Annika Vinzelberg teilt mit, dass &bdquo;bei der Versorgung der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten die Behandlung dieser im absoluten Vordergrund“ stehe. &bdquo;Insbesondere in Notfallsituationen und bei der Versorgung kritisch kranker Patientinnen und Patienten werden die wichtigsten Details zur Versorgung direkt dokumentiert und nach Abschluss von zum Beispiel Stabilisierungsmaßnahmen die ausführlichere Dokumentation nachgeholt und ergänzt“, heißt es weiter. Dies erfolge unmittelbar im Anschluss der jeweiligen Versorgungssituationen. &bdquo;Zum genauen Vorgang der konkreten Patientenversorgung und auch zur Dokumentation der Vorgänge dieses Behandlungsfalls können und möchten wir aktuell nicht Stellung beziehen, da es sich um einen laufenden Prozess handelt“, erklärt Vinzelberg. Weitere Artikel zum Thema finden Sie hier.

Meistgelesen