Boshafte Bewertungen im Internet: Kinderarzt aus dem Kreis Herford wehrt sich

Bünde/Kirchlengern/Rödinghausen. Das Internet kann Fluch und Segen gleichermaßen sein – mittendrin: Suchmaschinen wie Google, die den Nutzern im täglichen Leben immer mehr Entscheidungen abnehmen wollen, um ihnen – nicht uneigennützig – das Leben leicht machen zu wollen. Wer ein Restaurant sucht, findet es gleich inklusive Bewertung und Rezensionen von Personen, die dort – vermutlich – auch gegessen haben. Ebenso können auch Patienten über eine Arztpraxis urteilen. Ein Kinderarzt aus dem Bünder Land brauchte sich bislang kaum Sorgen zu machen. Seine Bewertungen liegen bei 4,5 von 5 Sternen. In Schulnoten wäre das eine 2+. Doch vor wenigen Tagen lasen er und seine Mitarbeiterinnen etwas, das ihnen die Sprache verschlug. In der Pandemie gab es unzählige Menschen, die vom Tragen der Maske gefrustet waren. Auch heute noch, denn in Arztpraxen gilt für Patienten oft nach wie vor die Maskenpflicht. Das führte in der Kinderarztpraxis zu einem Eklat. Zunächst machte eine Mitarbeiterin ein Mädchen und den Vater darauf aufmerksam, dass sie als Sechsjährige auch noch eine Maske tragen müsse. Schon das schien für den Vater zu viel gewesen zu sein, der sich in seinem offensichtlichen Frust an eine Rezension in der Internetsuchmaschine machte – mit fragwürdigem Erfolg, wie sich später herausstellen wird. Die Mitarbeiterin des Kinderarztes wurde in dem Beitrag zwar nicht mit Namen, aber abwertend und identifizierbar beschrieben. Sie sei &bdquo;so unfreundlich“ und &bdquo;respektlos“ zu ihrer Tochter gewesen. Im weiteren Verlauf mutmaßte der Verfasser etwas über ein unbefriedigendes Intimleben der Mitarbeiterin als Grund für deren vermeintliche Unfreundlichkeit. Für die Angestellte in der Praxis und ihren Chef war damit ganz deutlich eine Grenze überschritten. Verfasser ist identifizierbar &bdquo;Da braucht sich keiner mehr zu fragen, warum wir in unseren Praxen bald keine Lust mehr haben, zur Arbeit zu kommen, wenn wir so einen Mist lesen müssen“, so der Mediziner gegenüber der Neuen Westfälischen. Ihm gehe es nicht um eine schlechte Bewertung seiner Praxis, sondern ausschließlich um die Beleidigung seiner Angestellten. Da der Vorgang nachvollziehbar ist, ist auch die Verfasser des unsäglichen Beitrags bei &bdquo;Google Rezensionen“ für das Praxisteam zu identifizieren. Google legt in Erklärungen auf der eigenen Internetseite Wert auf &bdquo;strenge Inhaltsrichtlinien“, denen alle Rezensionen unterliegen würden. Schließlich biete man Nutzern eine Möglichkeit, &bdquo;Bewertungen und unangemessene Inhalte zur Entfernung zu markieren“, heißt es in den Richtlinien des Internetkonzerns. Darauf zählte zunächst auch der Mediziner, der den Beitrag meldete. Jedoch ohne Erfolg, denn die Rezension würde nicht gegen die Regeln verstoßen, teilte ihm Google mit. Gleiches erfuhr auch die betroffene Mitarbeiterin später in einem erneuten Versuch. Wo aber liegen hier Grenzen? Der Verfasser des Beitrags ist in seinen Rezensionen nicht zum ersten Mal beleidigend geworden. In einer Rezension über das Jobcenter in Bünde bezeichnet er dessen Mitarbeiter als &bdquo;Ratten“. Ärzte sollten auf Rezensionen nicht antworten Das Problem der Rezensionen in Suchmaschinen kennen mittlerweile viele Geschäftsinhaber, Gastronomen, Institutionen, Krankenhäuser, oder eben auch Inhaber von Arztpraxen. Missbrauch ist schnell Tür und Tor geöffnet. So könnte beispielsweise ein alt eingesessener Imbissbesitzer einem neuen Konkurrenten im Ort auf diese Weise das Leben schwer machen oder gar sein Geschäft zerstören. Hörige Stammkunden oder Freunde könnten die unliebsame Konkurrenz schlecht bewerten, ohne vielleicht jemals dort gewesen zu sein. &bdquo;Google bietet die Möglichkeit, zu Rezensionen Stellung zu nehmen. Bei Ärzten kann das aber zu Problemen führen“, beschreibt das Internetportal &bdquo;Arzt & Wirtschaft“ mit Blick auf die Schweigepflicht. Denn selbst ein &bdquo;Dankeschön“ zu einer positiven Rezension würde laut dem Portal schon Aufschluss über ein Arzt-Patienten-Verhältnis geben, was gegen die Schweigepflicht verstößt. Darauf macht auch eine Handreichung der Bundesärztekammer für Mediziner in einem Artikel unter dem Titel &bdquo;Ärztinnen und Ärzte in sozialen Medien“ aufmerksam. Stattdessen werden rechtliche Schritte empfohlen, die der betroffene Kinderarzt auch einleiten will. Ähnlich wie die Bundesärztekammer sieht es auch der Bünder Rechtsanwalt Finn-Christian Schiffmann, dessen persönliche Auffassung zwar ist, dass jemand, der zu einem Arzt oder anderen Berufsgeheimnisträger öffentlich kommentiert, diesen dann von dessen Schweigepflicht entbindet – selbstverständlich nur, was das bestehende Verhältnis betrifft. Schiffmann rät aber: &bdquo;Berufsgeheimnisträger sollten stets zurückhaltend agieren, wenn es um die Schweigepflicht geht. Es ist aus meiner Sicht eher sinnvoll zu versuchen, die Rezension löschen zu lassen, als diese selbst zu kommentieren.“ Arzt macht von seinem Hausrecht Gebrauch Seinem Kind hat der Verfasser des Beitrags im Übrigen einen Bärendienst erwiesen, denn nun wird sich die Familie auf die Suche nach einem neuen Kinderarzt machen müssen. Das Stichwort heißt hier Hausrecht, von dem Mediziner in ihrer Praxis Gebrauch machen können, wenn zum Beispiel das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstört ist, was hier der Fall sein dürfte. Eine Behandlungspflicht besteht – abgesehen von Notfällen – für Mediziner nämlich nicht. Eine Anfrage der Neuen Westfälischen bei der Presseabteilung von Google führte zu einer erneuten Überprüfung des Beitrags, wie eine Sprecherin in einer E-Mail am Mittwochnachmittag mitteilt. Man habe festgestellt, dass die Rezension über die Arztpraxis &bdquo;gegen die Richtlinien“ verstößt. Ebenso prüfte man auch die Rezension über das Bünder Jobcenter. Beide Beiträge wurden gelöscht.

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