Altersarmut Statt Ruhestand: Bünder Rentnerin erzählt, warum sie weiterarbeiten muss

Bünde. 1.300 Euro bekommt Andrea S. (Name von der Redaktion geändert) von der Rentenkasse – für sie zu wenig für den Ruhestand, sagt sie. Im Januar vergangenen Jahres ging die 67-Jährige aus Bünde in Rente und heute arbeitet sie wieder als Teilzeitkraft in einem Büro. &bdquo;Ich wollte das Haus nicht verlieren“, sagt sie. Und dann seien da noch die gestiegenen Lebensunterhaltungskosten. Allein mit dem Rentengeld hätte sie das Haus nicht weiter abbezahlen können. Wäre sie noch verheiratet, hätte sie ihren Ruhestand jetzt genießen können, da ist sich S. sicher. &bdquo;Zu zweit hat man mehr, das Haus wäre bestimmt schon abbezahlt.“ Aber nicht immer verläuft das Leben so, wie man es sich gewünscht hat. Als sie und ihr Mann sich damals scheiden ließen, blieb S. mit einem Kind und dem Haus in Bünde. Sie arbeitete hauptsächlich in Teilzeit im öffentlichen Dienst, musste aber noch diverse Minijobs machen, um über die Runden zu kommen. &bdquo;Das war keine einfache Zeit“, sagt sie, &bdquo;aber ich bin froh, dass wir, meine Tochter und ich, das so gut hinbekommen haben.“ Ähnlich wie bei S. nutzen viele Frauen oder auch Männer einen Minijob beziehungsweise 520-Euro-Job, um das reguläre Gehalt aufzustocken. Laut der Arbeitsagentur waren im Jahr 2022 4.215 Minijobber in Bünde registriert. 2.506 davon waren Frauen, 1.709 Männer. Wie viele von den Frauen ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen und nicht noch ein festes, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis haben, geht aus den Zahlen nicht hervor. &bdquo;Aber es werden deutlich mehr Frauen als Männer sein“, sagt Zdravka Buettner. Minijob führt oft nicht zur Festanstellung Buettner ist seit Anfang des Jahres die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bünde. Von Minijobs hält sie nicht viel. &bdquo;Viele Frauen beginnen nach der Elternzeit die Arbeit in einem Minijob. Sie erhoffen sich, über diesen Weg wieder in eine Festanstellung“, weiß Buettner. Die Rechnung gehe aber in den meisten Fällen nicht auf. &bdquo;Der Minijob ist eine Berufsfalle – besonders für Frauen. Er sichert nicht vernünftig ab, bietet keine Perspektiven und trägt zur Altersarmut bei.“ Wer 40 Jahre ausschließlich in einem 520-Euro-Job arbeitet, erhält am Ende 200 Euro Rente im Monat, hat Buettner errechnet. Durch den geringen Verdienst und die fehlende Absicherung würden sich die Frauen auch finanziell von ihrem Partner abhängig machen. Doch nicht immer halten die Ehen ein Leben lang. Allein in Bünde hatten sich im Jahr 2022 59 Ehepaare scheiden lassen (Die NW berichtete). Deshalb rät die Gleichstellungsbeauftragte: &bdquo;Man kann auf das Beste hoffen, aber sollte immer auf das Schlimmste vorbereitet sein.“ Dass Frauen immer stärker von der Altersarmut betroffen sind, zeige auch die Statistik. Die Armutsgefährdungsquote für Frauen ab 65 Jahren liegt bei 20 Prozent – bei Männern ab 65 Jahren bei 16 Prozent. Diese Schere zwischen den Geschlechtern gehe meist auf, wenn die Frauen um die 30 Jahre alt sind, wenn sie eine Familie gründen und ihre Berufstätigkeit an die Fürsorge-Arbeit anpassen, so Buettner. Fast jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit &bdquo;Ich verurteile keine Frau, die sagt, dass sie mehr Zeit für das Kind haben möchte, und deshalb Stunden reduziert oder einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht“, sagt Buettner, die selbst eine jugendliche Tochter hat. Aber die Frau müsse auch bedenken: &bdquo;Teilzeitarbeit bedeutet auch Teilzeitrente.“ Auch wenn sich die Väter immer mehr in der Fürsorge-Arbeit einbringen würden, arbeite immer noch fast jede zweite Frau in Deutschland in Teilzeit. Bei Müttern mit Kindern unter sechs Jahren sind es mehr als 70 Prozent, bei Vätern nur knapp sieben Prozent, so die Expertin. &bdquo;Es macht mir Mut, dass immer mehr Männer einfordern, mehr Zeit mit dem Kind verbringen zu wollen, aber gesellschaftlich muss sich noch viel mehr ändern.“ Ausgeweitete Betreuungszeiten in der Kita oder der OGS wären ein Anfang. Auch die Einstellung der Gesellschaft sollte sich grundlegend ändern. Nicht selten werden Mütter, die Vollzeit arbeiten, von anderen Müttern abgewertet. Sprüche, wie &bdquo;Du willst dein Kind jetzt solange in der Kita lassen?“ seien an der Tagesordnung. Buettner weiß das nur allzu gut. Auch sie ging nach der Elternzeit gleich wieder zunächst für 30 Stunden, dann wieder voll arbeiten. Die Sprüche ließen sie kalt, dennoch fragte sie sich: &bdquo;Warum fragt man das nicht meinen Mann?“ &bdquo;Ich bin froh, dass ich die vergangenen acht Jahre vor meiner Rente in Vollzeit gearbeitet habe“, sagt auch Andrea S. Sonst sehe es jetzt noch schlimmer aus. Auch sie ging nach der Elternzeit zunächst nur für ein paar Stunden wieder arbeiten. Als dann die Scheidung kam, wollte sie unbedingt das Haus behalten. Wieder in Vollzeit arbeiten, wollte sie nicht. &bdquo;Dann hätte ich nachmittags nicht für meine Tochter da sein können.“ Also nahm sie Minijobs an, die sie zeitlich besser organisieren konnte. &bdquo;Die Zeit mit dem Kind gibt dir niemand zurück“, sagt S. Deshalb bereut sie die Entscheidung von damals nicht – auch wenn sie sich schon manchmal wünscht, einfach morgens aufzustehen, in Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken und dann in den Garten gehen zu können. Vielleicht in ein bis zwei Jahren, hofft sie. Dann sei das Haus fast abbezahlt.

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