Wie einsame Menschen in Bünde gemeinsam Weihnachten feiern

Bünde. &bdquo;Ich bin seit drei Monaten wohnungslos“, sagt Victoria (54, Name von der Redaktion geändert). Ihr Vermieter habe Eigenbedarf angemeldet und die Wohnungssuche in Bünde fällt ihr schwer. Obwohl sie eine temporäre Unterkunft gefunden hat, hat sie keine eigene Küche, in der sie Weihnachten etwas zu essen kochen könnte. Trotzdem wird sie dieses Jahr an Heiligabend nicht alleine sein. Denn die katholische Kirche und der Verein Mahlzeit organisieren seit Jahren ein Weihnachtsfest der ganz besonderen Art. Für Menschen, die einsam sind oder die einfach den Kontakt zu anderen suchen. Seit über 15 Jahren organisiert Ulrich Martinschledde, Gemeindereferent der katholischen Gemeinde St.Josef und Vorsitzender des Vereins Mahlzeit, dieses besondere Fest. Auch diesen Heiligabend ist es wieder so weit. Morgen, am 24. Dezember, treffen sich wieder Menschen von 19 Uhr bis 22 Uhr im Gemeindehaus an der Fünfhausenstraße, um miteinander zu essen und zu plaudern. Rund 40 Teilnehmer werden erwartet. &bdquo;Ulrich macht das schon ganz gut“, sagt Rolf Meier, der seit Anfang an mit dabei ist. Er sei ledig und habe wenig Verwandtschaft, sagt er von sich selbst. Ihm gefallen das gesellige Beisammensein und das gemeinsame Singen bei der Feier. Martinschledde: "Das sind nicht nur Alleinstehende" &bdquo;Das sind nicht nur Alleinstehende“, sagt Martinschledde über seine Gäste. &bdquo;Bei einigen Menschen sind auch einfach die familiären Erwartungen extrem hoch.“ Dieser Familiendruck, das perfekte Weihnachten zu haben, sei so stark, dass es manche Menschen vorziehen würden, lieber am Heiligabend mit Fremden zu feiern. Wobei es häufig gar nicht mehr wirklich Fremde sind. Viele der Besucher kennen sich schon über den Verein Mahlzeit. Dreimal in der Woche bietet dieser im Gemeindehaus der katholischen Kirche Mahlzeiten für Bedürftige an. &bdquo;Es sind die gleichen Leute. Man ist Teil einer Gemeinschaft“, sagt eine 66-jährige Bünderin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Sie erinnert sich an zwei junge Mädchen, die beim vergangenen Weihnachtsfest mit dabei waren und spontan angefangen haben, Weihnachtslieder zu singen und zu tanzen. &bdquo;Da kann ich mich immer wieder drüber freuen“, sagt die 66-Jährige. Martinschledde kennt viele solcher Anekdoten nach fast zwei Jahrzehnten &bdquo;Weihnachtsdienst.“ Er erinnert sich besonders an einen Herrn, der zum ersten Mal zum gemeinsam einsamen Weihnachtsabend kam, nachdem seine Mutter verstorben war. Nun habe er sie nicht mehr pflegen gemusst und hatte niemanden mehr. Sorgen wegen gestiegener Lebensmittelpreise &bdquo;Das war ein schwerer Abend für ihn“, sagt Martinschledde. Der Mann sei dann aber auch regelmäßig zur Mahlzeit gekommen. &bdquo;Da hat er dann eine Frau kennengelernt“, so der Gemeindereferent. So dass der Mann ein paar Jahre später vor dem Heiligabend zu ihm gekommen sei. &bdquo;Du, ich möchte der eine CD mit Liebessongs schenken, hat er gesagt“, erzählt Martinschledde. Normalerweise würde bei dem gemeinsamen Abend noch eine Geschichte vorgelesen oder es würden Weihnachtslieder gesungen. Doch an diesem Abend hat Martinschledde die Gäste dann auf Wunsch am Tannenbaum versammelt. &bdquo;Ich hatte auch noch so Herzenskerzen im Raum verteilt“, erinnert sich Martinschledde. &bdquo;Dann hat er ihr die CD überreicht und es war wie im Fernsehen.“ Die Angebetete erinnert sich nach Jahren natürlich immer noch an diesen Abend. &bdquo;Das war irgendwie ein bisschen kitschig, aber es war schön“, sagt sie. Dieses Weihnachten will sie wieder mit ihrer Familie kommen. Auch sie kommen wegen der gelebten Gemeinschaft. &bdquo;Ulrich macht sehr viel“, sagt die Schwester der Angebeteten. &bdquo;Es wird gesungen. Es werden Geschichten vorgelesen.“ Doch es gibt auch kritische Worte. Ein 75-Jähriger Besucher erzählt, dass er überlegt zu der Weihnachtsfeier zu kommen, weil er so viele Leute in seinem Umfeld beerdigen musste. Seine Lebensgefährtin sei tödlich verunglückt und seine Eltern wurden von ihm gepflegt, bevor auch sie verstarben. Er sieht staatliches Versagen darin, dass aktuell so viele Menschen in Deutschland Hilfen wie den Verein Mahlzeit in Anspruch nehmen müssen. &bdquo;Der Staat schafft es nicht, seine Bevölkerung zu ernähren“, sagt der Rentner. Die gestiegenen Lebensmittelpreise machen vielen Besuchern der Mahlzeit Sorgen. Ein 89-jähriger Besucher berichtet, dass er zur Mahlzeit kommen muss, weil seine Rente so gering ist. Mahlzeit ist auf Spenden angewiesen Auch der Verein selbst spürt die steigenden Kosten. Damit das regelmäßige Mittagsangebot weiterhin nur ein Euro pro Person kostet, mussten die Preise für Sonderveranstaltungen wie dem Weihnachtsfest leicht angehoben werden. Dieses Jahr kostet es erstmalig sechs Euro. Gerade in diesen Zeiten ist der Verein auf Spenden angewiesen. Alle Informationen dazu gibt es auf www.mahlzeit-buende.de. Mit seiner Arbeit schafft der Verein einen Ort, an dem Menschen zueinander finden, an dem Besucher trotz Krise ein besinnliches Weihnachten feiern können. Besucher wie Michael (48). Er freut sich schon auf das gemeinsame Fest am Samstag. &bdquo;Alleine zuhause wäre es nicht so schön wie hier“, sagt er.

Meistgelesen