Wieso ist gerade jeder krank? Ein Arzt erklärt

Kreis Herford/Kreis Minden-Lübbecke. Bei der Polizei funktioniert die Fahndung nach Straftätern umso besser, je mehr Informationen darüber vorliegen. Und je öfter die Ermittler an kniffligen Fällen arbeiten, desto besser und effizienter werden sie. Eine kleine Analogie zum Immunsystem, das bei den meisten Menschen in den vergangenen zweieinhalb Jahren bei der Identifikation von Erregern etwas weniger zu tun bekam als in der Zeit davor. Als eine weitere Analogie kann man ein Computersystem, das hin und wieder ein Update benötigt, um zu funktionieren. Diese Updates fehlten unserem Immunsystem durch Hygienemaßnahmen und Maskenpflicht. &bdquo;Das merken wir zurzeit sehr deutliche“, sagt der Bünder Chefarzt und Ärztliche Direktor im Lukas-Krankenhaus, Tim-Christopher Lendzian. Der Mediziner sieht darin aber auch eine Chance. &bdquo;Wir haben aktuell vermehrt Grippefälle bei den Patienten. Und die, die erkrankt sind, haben auch recht starke Symptome“, sagt Lendzian. Das betreffe wie so oft aber überwiegend die Risikogruppen der Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen. Laut dem Ärztlichen Direktor hat die hohe Zahl der Erkrankungen in allen Altersstufen mit dem quasi &bdquo;zweimaligen Ausfall der Grippewelle in den vergangenen zwei Wintern zu tun“. Jetzt komme alles zusammen. Bei den Kindern besonders das RS-Virus und zusätzlich die Erkältungserreger. Wenn die Coronaschutzmaßnahmen ab April 2020 auch notwendig gewesen seien, &bdquo;die Kinder hatten durch Maske und Abstand äußerst dürftigen Kontakt zu Erregern“, sagt der Chefarzt. Das RS-Virus betrifft nicht mehr nur die Kleinkinder Das RS-Virus betreffe aber längst nicht nur die Kinder im Kita- und Grundschulalter. Auch Jugendliche und sogar Erwachsene seien dabei – wenn mit Ausnahmen auch nicht so stark betroffen. &bdquo;Ein älterer Patient, der mit dem RS-Virus infiziert war, hatte starke Symptome“, so Lendzian weiter. In der Regel zeige sich die Symptomatik bei Jugendlichen und Erwachsenen aber in einer länger andauernden Atemwegserkrankung, die man nur schwer loswird. Dass das Immunsystem aber durch die Schutzmaßnahmen in der Coronazeit &bdquo;geschwächt“ im Sinne von &bdquo;unterdrückt“ wurde, ist nicht direkt gemeint. Es geht vielmehr um den regelmäßigen Kontakt mit Erregern, die dem Immunsystem sozusagen ein &bdquo;Update“ verpassen. Ein Großteil der Wissenschaftler ist sich darin einig, dass die hohe Zahl der Infektionen mit dem RS-Virus und gleichzeitig starken Symptomen – einhergehend mit einer hohen Hospitalisierungsrate – damit zusammenhängt, dass Kinder, die in den Jahren 2020 bis 2022 geboren wurden, noch gar nicht damit und auch nicht mit Influenzaviren in Berührung gekommen sind. In der Zeit vor Corona hätten aber 90 Pozent der Kinder in den ersten beiden Lebensjahren eine Infektion mit dem RS-Virus durchgemacht, belegen Zahlen vom Robert-Koch-Institut (RKI). Allein für die klassische Influenza sind die Zahlen zwischen den Wintern 2019/20 und 2021/22 signifikant. Zählte man im ersten Zeitraum noch 191.000 Grippefälle, waren es im ersten &bdquo;Corona-Winter“ ein Jahr darauf lediglich 753. Im letzten Winter waren es dann wieder fast 22.000. Ohne die Schutzmaßnahmen der vergangenen zweieinhalb Jahre hätten sich laut Wissenschaftler des RKI die Menschen weiter mit Influenza-, RS- und Rhinoviren infiziert und hätten Antikörper gebildet – aber eben nacheinander und nicht geballt wie aktuell in vielen Fällen. Chefarzt rät zur Grippeschutzimpfung Der Krankenstand im Lukas-Krankenhaus mache laut Chefarzt Tim Christopher Lendzian aktuell zu schaffen. &bdquo;Wir haben es immer mal wieder, dass Stationen nicht voll besetzt sind. Das hat aber weniger mit Corona zu tun, sondern mit anderen Infekten“, so Lendzian. Der Krankenstand liege derzeit zwischen 10 und 15 Prozent. Bedenklich sei allerdings auch die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit. Lendzian: &bdquo;Wir sind hier nicht mehr bei ein oder zwei Tagen, die jemand wegen eines Schnupfens oder einer Erkältung fehlt. Jetzt sind es auch mal bis zu zwei Wochen.“ Allerdings sei der Krankenstand damit auch nicht höher als in der Hochphase der Pandemie. Lendzian rät in diesem Zusammenhang besonders den Risikogruppen zu einer Grippeschutzimpfung. &bdquo;Die Ständige Impfkommission gibt hierzu klare Empfehlungen“, so der Chefarzt. Zu den Risikogruppen gehören grundsätzlich alle Menschen ab 60 Jahre sowie Personen mit erhöhter Gefährdung durch ein anderes Leiden wie Erkrankungen beispielsweise an Atemwegen, Herz oder Nieren. &bdquo;Wir müssen durch diese schwierige Phase der Infektionen jetzt einmal durch“, sagt der Ärztliche Direktor des Lukas-Krankenhauses. In ein paar Wochen werde sich die Lage bessern – mit einem frischen Update für das Immunsystem.

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