Die Frau, die mit den Tieren spricht

Bünde/Melle. Anne Krüger-Degener steht mit ihrem Westfalen-Wallach &bdquo;Berti“ auf dem Reitplatz, er trägt nur eine Pferdedecke, weder Halfter, noch Trense. Die 54-Jährige spricht leise mit ihren drei Border Collie-Hündinnen Sugar, Coffee und Crunchy und gibt ihnen Signale. Die drei umzingeln die kleine Ziegenherde auf dem Platz und kriechen näher, bis die Ziegen unter dem Bauch des Pferdes hindurchlaufen. Anne Krüger-Degener wiederholt den Vorgang. Berti steht entspannt, als störe es ihn überhaupt nicht, wenn diese langen Hörner seinen Bauch berühren. Anne Krüger-Degener ist Kommunikationstrainerin und Expertin für die Sprache der Tiere. Sie versteht, was Pferde, Hunde und Ziegen über ihren Körper, ihr Verhalten und ihre Stimme ausdrücken. Und sie weiß, wie sie sich ihnen verständlich macht. Tieren in ihrer Sprache zu begegnen, in Respekt und Vertrauen, ist der Grundstein für Anne Krüger-Degeners Erfolg: Mit ihren Border Collies ist sie fünffache deutsche Meisterin im Hütehunde-Wettbewerb und hat mehrfach an der Weltmeisterschaft teilgenommen. Mit Tochter Carla (18) bildet sie ihre zehn eigenen Pferde in Freiarbeit und Dressur, für den Sport und die Show aus. Im Januar hat Carla auf dem Oldenburger-Hengst &bdquo;Fürstenkind“ ein S-Dressur-Turnier gewonnen, die schwerste Dressurklasse des Amateursports. Seit Carla sechs war, tritt die Familie gemeinsam weltweit mit ihren Shows auf: Mutter und Tochter zeigen ihr Können im Sattel und mit den Hütehunden, Vater Jan fährt den Landrover mit den Ziegen auf dem Dach. Kunden aus ganz Europa lassen sich von Anne Krüger-Degener helfen Seit mehr als 150 Jahren und in 13. Generation betreibt die Familie Krüger-Degener den Fachwerk-Hof in Melle. Neben den Pferden und Hunden leben auch Hühner, Gänse und eine Schafherde auf dem Degener-Hof. Anne Krüger-Degener trainiert nicht nur die eigenen Tiere. Es kommen Kunden aus ganz Europa zu ihr, mit ganz unterschiedlichen Anliegen. Zurzeit bilden Anne Krüger-Degener und ihr Mann einen Goldendoodle als Therapiebegleithund für die Geriatrie aus, sie schult angehende Jagdhunde im Apportieren und ermöglicht ambitionierten Dressurreitern, noch feiner auf ihr Pferd einzuwirken und mit ihm zu einem Team zusammenzuwachsen. Andere Kunden möchten Kommunikationsprobleme mit ihrem Familienhund ausräumen oder von vornherein vermeiden.Ihr Wissen aus mehr als dreißig Jahren Tiertraining macht Anne Krüger-Degener einem größeren Publikum zugänglich: Ihre Bücher &bdquo;Wenn Hunde lachen“, &bdquo;Wenn Pferde Komplimente machen“ und &bdquo;Wenn Hunde uns vertrauen“ sind alle drei im Kosmos-Verlag erschienen. Das Pferdebuch ist bereits ein Spiegel-Bestseller. Zurzeit schreibt Krüger-Degener an zwei weiteren Büchern, die im Herbst im Kosmos-Verlag erscheinen. "Glücksschmiede für Pferde" und "Das Welpentagebuch". Der Para-Dressurreiterin Gianna Regenbrecht hat Anne Krüger-Degener darin ein ganzes Kapitel gewidmet. Gianna Regenbrecht sitzt seit einem Reitunfall vor acht Jahren im Rollstuhl. Mit Anne Krüger-Degeners Hilfe brachte sie ihrer Stute Selma im vergangenen Jahr bei, sich hinzulegen, damit sie ohne Hilfe aufsteigen kann. Über Monate übten die drei immer wieder, bis die Stute ihnen so sehr vertraute, dass sie sich neben ihrer Besitzerin hinlegte und liegen blieb. Wem der Weg nach Melle zu weit ist, kann sich mit den Online-Schulungen von Anne Krüger-Degener in Eigenregie fortbilden, die es seit Kurzem auf der Internetseite der Tierschule Krüger-Degener gibt. Streicheln statt Leckerli Anne Krüger-Degener besticht die Tiere nicht mit Leckerli, sondern belohnt sie mit echter Zuwendung und viel Lob. Und sie gibt ihnen die Zeit, die sie brauchen, um etwas gerne und freiwillig zu tun. Eine enge und auf Vertrauen basierende Beziehung ist für sie die Basis jeder Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier. Die Schäferin ist aus Liebe zu den Tieren Tiertrainerin geworden. &bdquo;Ich möchte immer mit Tieren zusammen sein“, sagt sie. Das hat sie geschafft. Mit Tochter Carla reitet sie täglich sechs bis acht Pferde, trainiert werden einige auch zweimal am Tag. Um dieses Pensum zu schaffen, steht Carla an einigen Tagen um fünf Uhr auf und reitet das erste Pferd schon vor der Schule. Anne Krüger-Degener unterrichtet ihre Tochter jeden Tag – seit zwölf Jahren. &bdquo;Das ist Quality-Time für uns“, sagt Krüger-Degener. Es sei ein Privileg, dieses Leben so leben zu können. Es gebe jedoch zwei Seiten der Medaille. Wenn Freunde von Carla auf Partys gingen, bleibe sie oftmals zu Hause, um morgens wieder früh aufzustehen. Vor einer Show probten sie bis in die Nacht. &bdquo;Mann muss sich für dieses Leben entscheiden“, sagt Anne Krüger-Degener. Sie ist glücklich mit ihrer Entscheidung, schließlich leben sie ihren Traum. &bdquo;Wir haben ja nur dieses eine Leben“, sagt sie. Berti fühlt sich bei ihr wohl Carla reitet heute Berti im Unterricht. Mit jungen Pferden wie ihm üben sie die fliegenden Galoppwechsel und vorher das Lösen: Berti bewegt sich kraftvoll und losgelassen, seine Ohren bewegen sich aufmerksam in alle Richtungen. Er nimmt den Kopf tief, der Rücken wölbt sich auf und er tritt weit unter den Körper. Ihm macht die Arbeit Spaß. Was Anne Krüger-Degener anders macht als andere Trainer? Sie entwickelten einen anderen Zugang zu den Pferden, sagt sie. Bevor Mutter und Tochter ein Pferd in der Dressur ausbilden, arbeiten sie mit ihm zunächst viel vom Boden aus und schulen es in der Freiarbeit. Mit Berti gibt Anne Krüger-Degener eine kleine Vorstellung: Er geht ohne Strick oder Halfter an ihrer Seite und bleibt auch bei Richtungswechseln neben ihr. Der Wallach läuft wie an einer unsichtbaren Longe in einem größeren Kreis um Anne Krüger-Degener herum und folgt ihr, als sie rückwärts geht. Anne Krüger-Degener gibt Berti viel Sicherheit, er möchte immer in ihrer Nähe sein. &bdquo;Ich bin sein Zuhause“, sagt sie. Bei ihr fühlt er sich sichtlich wohl.Sie fahren neben den Pferden Fahrrad Neben dem Sport der Dressur fordere die Freiarbeit das Pferd geistig und emotional, sagt Krüger-Degener. Auf dem weitläufigen Hofgelände mit den Wiesen fahren Carla und sie regelmäßig Fahrrad mit den Pferden. Berti & Co. laufen frei neben dem Fahrrad her, zusammen mit den acht Hunden. &bdquo;Wir geben den Pferden ein erfülltes, abwechslungsreiches Leben“, verrät Anne Krüger-Degener ihr Erfolgsgeheimnis. So behielten die Pferde den Spaß an der Arbeit und entwickelten sich körperlich ausgewogen. Anne Krüger-Degener und Carla erarbeiten sich das Einverständnis der Pferde. &bdquo;Ich muss das Tier für mich gewinnen und von mir überzeugen“, sagt Krüger-Degener. Die Pferde müssten Lust haben auf den Weg, den sie ihnen zeigten. Sonst erbrächten sie keine Höchstleistungen. Auch der Reiter arbeitet an sich: &bdquo;Durch das Reiten kommen wir ins innere und äußere Gleichgewicht“, sagt Anne Krüger-Degener. Das Ziel: Pferd und Reiter werden im Geiste eins.Da sie ihrer Tochter kein fertig ausgebildetes S-Dressur-Pferd kaufen würden, lernt Carla den Weg der Ausbildung von der Pike auf. Sie bilden die Pferde gemeinsam aus. &bdquo;Wenn du dann mit diesem Pferd die S-Dressur gewinnst, weißt du, dass du ganz gute Arbeit geleistet hast“, sagt Anne Krüger-Degener ostwestfälisch zurückhaltend. Zur engen Beziehung zu den Pferden gehörten auch Bindungsrituale wie gegenseitige Fellpflege, erzählt Anne Krüger-Degener. Mit Berti zeigt sie, wie das geht: Sie krault ihn am Kopf, er schließt sofort halb die Augen und legt ihr den Kopf erst auf die Schulter, dann nimmt er ihren Kopf zärtlich unter seinen Hals. Anne Krüger-Degener lacht, ihre Gesichtszüge werden weich. &bdquo;Wenn ich mit einem Tier zusammen bin, vergesse ich mein gestern und mein morgen. Dann bin ich nur im Moment.“

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