Entwarnung trotz hoher Inzidenz: Das sagt ein Chefarzt dazu

Bünde. Anti-Corona-Demos und Gegendemos einmal außen vor gelassen: Corona und eine mögliche Erkrankung durch das Virus scheinen in manchen Köpfen in den den Hintergrund getreten zu sein. "Aber wir müssen doch gerade jetzt sorgsam sein", schreibt ein Leser der Redaktion. Die Annahme lässt sich nicht ganz von der Hand weisen - auf den ersten Blick jedenfalls. Noch vor etwas mehr als einem Jahr haben sich die meisten Menschen eingeschlossen, als die Inzidenz die 50er-Marke überschritt - heute vor einem Jahr lag sie um die 90 und sank im Frühjahr wieder auf niedrige zweistellige Werte. Heute ist die Inzidenz in Deutschland vierstellig und trotzdem stehen viele Köpfe auf "Entwarnung". Wie passt das zusammen? Die Zahl der Neuinfektionen hat laut dem Robert-Koch-Institut im Vergleich zu Januar 2021 um mehr als 600 Prozent zugenommen. Dafür halbierte sich die Zahl der Krankenhauseinweisungen wegen einer Covid-Erkrankung. Die verschiedenen Virus-Varianten haben eben auch ihre besonderen Eigenschaften: Mal weniger ansteckend mit schwererem Verlauf, mal hochansteckend mit milderem Verlauf. Vorhersehen lassen sich die Eigenschaften in aller Regel wohl nicht und Omikron wird nach Meinung von Experten nicht die letzte Variante gewesen sein. Delta- und Omikron-Patienten wurden bis vor Kurzem noch getrennt Bis vor ein paar Wochen wurden im Bünder Lukas-Krankenhaus und auch im Klinikum Herford Patienten, die positiv getestet wurden, auch auf die Virusvariante untersucht, die sie in sich tragen. "Wir wollten dadurch vermeiden, Patienten mit der Delta-Variante mit denen zusammenzulegen, die durch Omikron erkrankt waren", erklärt der Mediziner Christian Flottmann, der Chefarzt und Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensiv- und Notfallmedizin. Aktuell befinden sich neun Patienten mit einer diagnostizierten Covid-Erkrankung im Lukas-Krankenhaus. Zwei davon werden auf der Intensivstation behandelt. Die Zahl der Patienten ist angesichts der hohen Infektionszahlen also durchaus niedrig - noch. Christian Flottmann sagt aber auch: "Ich denke, dass es noch zu früh ist, um Entwarnung zu geben. Wir sehen durchaus, dass die Zahl der Patienten - auch auf den Intensivstationen - mit einem zeitlichen Versatz zu gestiegenen Inzidenzen auch steigt. Und wir haben auch noch schwere Einzelfälle dabei. Wir sind damit also noch nicht durch." Etwa 10 bis 14 Tage nach einer Infektion gehe es den meisten infizierten Menschen erst so schlecht, dass sie in ein Krankenhaus gehen würden. "Wir erwarten den Höhepunkt Mitte Februar" Und die Zahlen nehmen aktuell erst an Fahrt auf. Flottmann: "Wir sehen ja im Moment, dass die Inzidenz in den vierstelligen Bereich geht und erwarten den Höhepunkt etwa Mitte Februar. Dann muss man noch die Verzögerung von bis zu zwei Wochen mit einrechnen, bis diese Infizierten in ein Krankenhaus eingewiesen werden." Es kommt auf die Krankenhäuser bis in den März hinein also noch etwas zu. Eine gewisse Sorglosigkeit was das Impfen angeht, kann Flottmann indes nicht nachvollziehen. In der Debatte um eine generelle Impfpflicht sagte neulich der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler gegenüber der Neuen Westfälischen: "Warum sollen wir etwas verpflichtend einführen, wenn es den Krankenhäusern nicht mehr hilft. Denn auch Geimpfte können Überträger sein." Schäffler meinte in dem Zusammenhang auch die augenscheinlich vorwiegend milden Verläufe durch Omikron."Wir werden uns von Corona nicht mehr gänzlich befreien" Dazu sagt Christian Flottmann: "Eine Impfung hilft ja in erster Linie dem Patienten. Und wie bei der Grippe auch gibt es immer wieder neue Varianten. Künftig könnte es beide Impfungen - also Grippe und Corona - möglicherweise auch als Kombinationsspritze geben. Aber es geht ja immer um zwei Dinge: einmal um den Schutz des Einzelnen und um den Schutz der Gesellschaft. Wenn wir jedes Jahr eine Welle haben, müssen wir die Einzelnen vor schweren Verläufen und Langzeitschäden schützen. Aber wir müssen in den Krankenhäusern auch Kapazitäten für andere Erkrankte frei halten." Und später könne es wie bei der Grippe auch nicht zwingend mehr für alle, sondern nur noch für gefährdete Gruppen sein. "Wir werden es nicht schaffen, uns gänzlich von Corona zu befreien", macht der Chefarzt weiter deutlich. Die Erkrankung werde immer endemisch bleiben, also auch über einen längeren Zeitraum immer wieder aufkommen. Wenn ein Großteil der Bevölkerung geimpft sei, könne man auch Einschränkungen zurücknehmen. Eine Sorglosigkeit bei der vermeintlich milden Omikron-Variante sieht Christian Flottmann als eher unbegründet: "Auch dabei kann es Patienten mit schweren Verläufen geben." Und jemand, der vor Kurzem mit der Delta-Variante infiziert war, könne jetzt auch an Omikron erkranken und so weiter über die verschiedenen Varianten hinweg. Deshalb sei es wichtig, über die Zeit hinweg mit Auffrischungsimpfungen am Ball zu bleiben, um sich vor einem schweren Krankheitsverlauf möglichst gut zu schützen.

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