Beleidigt und bedroht: So leidet eine Frau unter einem Stalker

Bünde. Diesen Tag im Herbst des vergangenen Jahres kann Anja F. (Name geändert) mehr als zwölf Monate später noch nicht vergessen. Nach einem Einkauf in einem Supermarkt an der Engerstraße lauert ihr Ex-Freund der 53-Jährigen auf. Er verfolgt sie bis zur Haustür und dringt in die Wohnung der Bünderin ein. Anja F. hat große Angst. Sie flüchtet ins Bad, schließt sich ein und ruft die Polizei. Als wenig später der Streifenwagen eintrifft, ist der Ex-Partner verschwunden - und auch die Schlüssel der Frau sind weg. "Ich musste die Schlösser auswechseln", sagt Anja F. Es ist nur eine Szene eines langen Martyriums, das die Frau als Opfer eines Stalkers durchleiden muss. Vor dem Mann hat sie nicht immer Angst. Zuvor hat Anja F. mit dem heute 51-Jährigen eine mehrjährige Beziehung, die sie im April 2020 endgültig beendet. "Es war nicht einfach, sich zu trennen", sagt sie. Doch wer ist der Mann, den die Bünderin später einen "Narzissten" nennen wird? Manche würden den Tischler als Frauenschwarm bezeichnen. Er hat gebräunte Haut, lange dunkle Haare und wirkt durchtrainiert. Auf seinen Facebook-Fotos, die öffentlich zu sehen sind, lächelt er gut gelaunt in die Kamera. Es ist ein Mann, in den sich Anja F. vor einigen Jahren verliebt hat. Doch mittlerweile ist es auch die Person, die sie nur mithilfe von 30 Strafanzeigen auf Abstand halten kann. "Ich wusste nicht, wie ich das massive Stalking sonst beenden soll." "Plötzlich stand er in meiner Wohnung" Immer wieder lauert der Mann ihr auf. Bei geöffneter Terrassentür telefoniert Anja F. im September 2020 mit dem Amtsgericht Bünde. Sie möchte erwirken, dass ihr Ex-Freund sich ihr nicht mehr nähern und keinen Kontakt zu ihr aufbauen darf. "Plötzlich kam er über den Zaun gestiegen und stand in meiner Wohnung", erzählt Anja F. mit zitternder Stimme. Es sind Situationen wie diese, die dafür sorgen, dass die Bünderin auch heute noch in psychologischer Behandlung ist und einige Zeit nicht arbeiten kann. Selbst vor einer Aussage vor Gericht hat die Erzieherin Angst, wie ihr Rechtsanwalt, Tobias Diedrich aus Bad Oeynhausen, erklärt. Der Ex-Freund lauert der Bünderin aber nicht nur in der Wohnung auf, er wartet auch am Tennisplatz auf Anja F., die dort regelmäßig trainiert. Auch als sie mit ihrem Hund in Hunnebrock spazieren geht, fährt der 51-Jährige mit dem Auto vor. Über mehrere Minuten verfolgt er seine ehemalige Partnerin, verwickelt sie in ein Gespräch und droht ihr. Zwei Spaziergängerinnen beobachten die Szene. "Als Frau hat man so eine Ahnung, dass da etwas nicht stimmt", sagt eine der Zeuginnen. Nachdem Anja F. den Frauen berichtet, dass ihr Ex-Freund sie bedroht habe, verfolgt der Mann mit dem Auto auch die beiden Spaziergängerinnen. "Wir hatten Panik", sagt die 36-jährige Bünderin. Später wird der 51-Jährige auch einen Mann bedrohen, mit dem sich seine Ex-Freundin zwischenzeitlich getroffen hat. "Er hat gesagt, dass er mich und meinen neuen Partner umbringen wird", sagt Anja F. "Die beiden leben doch noch" In der Verhandlung vor dem Amtsgericht Bünde streitet der Mann die Vorwürfe gegen ihn ab. Nur eine Beleidigung, die er in einer Facebook-Gruppe geschrieben hat, gibt er zu. Ansonsten sei "alles Schwachsinn. Und außerdem leben die beiden doch noch", sagt er mit Blick auf seine Ex-Freundin und den Begleiter. Nach Rücksprache mit seinem Anwalt Peter Wüller gesteht der Bünder nach etwa zwei Stunden Verhandlung dann doch einige der Taten. Nur die Schlüssel von Anja F. habe er nicht gestohlen.Die Staatsanwältin fordert eine Haftstraße von sechs Monaten. Tobias Diedrich als Rechtsbeistand von Anja F. fordert für den Mann, der wegen Delikten wie Sachbeschädigung, Hehlerei und auch Nötigung der Justiz bekannt ist, sogar eine Haftstrafe von einem Jahr. "Es ist deutlich geworden, welche Gesinnung der Mann hat", sagt er. Weiteres Frau gestalkt? Weil der Angeklagte unter Bewährung steht, verurteilt das Amtsgericht den Bünder unter anderem wegen Nachstellung, Bedrohung und dem Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Haftstrafe von sechs Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Dem 51-Jährigen droht aber schon neuer juristischer Ärger. Vor einem Gericht in Münster wartet auf den Bünder bereits ein weiteres Verfahren. Einer anderen Frau soll er sich trotz Verbots genähert haben. "Es hört sich so an, als gebe es dort die nächste Beziehungskrise", sagt der Richter. Anja F. hofft hingegen, dass ihre Leidenszeit jetzt endlich beendet ist.

Meistgelesen