Politik streitet über autofreien Bahnhofstunnel und trifft überraschende Entscheidung

Bünde. Sechs Monate soll der Bahnhofstunnel für den Autoverkehr gesperrt werden. So sieht es ein erster Schritt des Bünder Verkehrsentwicklungsplanes vor. Doch der Weg zum autofreien Bahnhofstunnel endete auf einmal in einer Sackgasse. Nach einer kontroversen Diskussion fand sich am Dienstagabend im Stadtrat keine Mehrheit mehr für die Idee, die der Verkehrsausschuss zuvor in einer knappen Abstimmung mit 9:8-Stimmen befürwortet hatte. Wie kam es zur Wende? Im Vorfeld der Idee zur Tunnelsperrung für Autofahrer hatte es eine Verkehrszählung am Ort des Geschehens gegeben. Ein zuständiges Ingenieurbüro zählte an einem Tag 1.750 Autofahrer sowie 2.500 Radfahrer und Fußgänger. Daher kam man zu dem Schluss, dass der "Fuß- und Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart" im Bahnhofstunnel ist. Mit einer Sperrung wollte man erfahren, wie sich der Autoverkehr bei einem geschlossenen Tunnel entwickelt. Und natürlich wollte man damit auch die Fußgänger und Radfahrer schützen sowie die Bünder zum Radfahren animieren. "Der Bahnhofstunnel hat eine geringe Verbindungsfunktion für den Autoverkehr. Die Wege können auch über die anderen Straßen durchgeführt werden", erklärte Melissa Latzel vom zuständigen Ingenieurbüro, die per Video zugeschaltet wurde. 1.600 Fahrzeuge, die über die anliegenden Straßen fahren, das sei verträglich. Kritik an schwacher Datenlage Jörn Döring von der UWG war da anderer Meinung. Er kritisierte nicht nur die schwache Datenlage, weil man nur an einem Sommertag im August gemessen habe. Er verwies auch noch mal darauf, dass Autofahrer bei einem gesperrten Tunnel Umwege fahren müssen und machte eine eigene Rechnung auf. "Wenn 1.500 Autos nur einen Kilometer Umweg fahren, sind wir bei 150 Liter Sprit am Tag, die mehr verbraucht werden. Unter dem Aspekt der Ökologie finden wir das nicht vollends durchdacht. Man will Verkehr verbannen, aber es entsteht eine größere Verkehrsbelastung", warnte er. Martin Schuster von der CDU glaubt nicht daran, dass man eine Verkehrswende beschleunigt, wenn man einen Tunnel sperrt. "Wenn wir wollen, dass mehr Leute mit dem Rad fahren oder den ÖPNV nutzen, kann es nicht das erste Ziel sein, Dinge unattraktiv zu machen", kritisierte er. Der Plan sei dazu geeignet, Menschen zu erklären, was sie zu tun oder zu lassen haben. "Das ist der falsche Weg, das wollen wir ausdrücklich nicht", sagte er. Sein Parteikollege Peter Kassebaum erklärte, dass man damals bei Eröffnung des Tunnels sogar groß gefeiert habe. "Selbst der NRW-Verkehrsminister war bei der Einweihung vor Ort", sagte er. Den Tunnel jetzt zu schließen halte er für "einen Schildbürgerstreich". Die Linke nahm "viel Frust" wahr Auch Thorsten Beuß von der Linkspartei erklärte, dass seine Fraktion gegen die Pläne zur Tunnelsperrung stimmen werde. Er verwies darauf, dass die Pläne zu "viel Frust" bei den Bürgern geführt haben. "Das haben wir in diversen Leserbriefen in der Zeitung und im täglichen Gespräch mitbekommen", sagte er. Zudem warnte er auch vor den Auswirkungen auf die örtlichen Geschäfte. "Von uns wird Hilfe erwartet und nicht, dass wir jetzt Steine in den Weg werfen." Die Grünen sind Befürworter der Tunnelsperrung, wie Stephanie Janßen-Rickmann erklärte. Anders als ihre Vorredner habe sie viel Zuspruch für die Pläne wahrgenommen. "Viele Radfahrer freuen sich, wenn der Tunnel für Autos geschlossen wird. Selbst Menschen, die an der Hauptstraße angesiedelt sind, haben mich angesprochen. Wir brauchen eine Verkehrswende. Wenn wir nicht anfangen etwas zu probieren und auszutesten, kommen wir nicht weiter", sagte sie. Müssen Fördergelder zurückgezahlt werden? Ins Stocken kam die Diskussion, als Martin Schuster erklärte, dass die Stadt beim damaligen Bau der Unterführung Fördergelder erhalten habe. "Müssen diese zurückgezahlt werden?", fragte der CDU-Fraktionsvorsitzende. Das sei nicht konkret geprüft worden, hieß es anschließend aus der Verwaltung. Sollte nach der sechsmonatigen Schließung aber eine dauerhafte Tunnelsperrung im Raum stehen, würde man das jedoch recherchieren. Andrea Kieper von der SPD erklärte daraufhin, dass nicht alle Fakten auf dem Tisch lägen und schlug vor, die Abstimmung zu verschieben. Das wurde vom Rat aber abgelehnt: mit einem knappen Ergebnis von 24:25. Stattdessen wurde namentlich über die sechsmonatige Sperrung des Tunnels abgestimmt. Während CDU, FDP, Linke und AfD geschlossen gegen die Sperrung stimmten, waren die neun Ratsmitglieder der Grünen komplett für die temporäre Schließung. Ein Großteil der SPD stimmte ebenfalls für die Sperrung, drei Ratsmitglieder enthielten sich. Auch bei der UWG gab es keine einheitliche Abstimmung. So wurde der Beschluss mit 24 Nein-Stimmen abgelehnt. 21 Ratsmitglieder waren dafür, vier enthielten sich.

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