"Das Geschäft liegt brach": So geht es den Reisebüros in der Krise

Bünde. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie brach den Reisebüros von heute auf morgen das Geschäft weg – und es ist keine Besserung in Sicht. "Das Geschäft liegt mehr oder weniger brach", sagt Kerstin Ramhorst-Becker, Inhaberin des Tui-Reisecenters an der Bahnhofstraße. Durch den Lockdown im März war ihr Reisebüro sechs Wochen lang geschlossen. Weil so viele gebuchte Reisen abgesagt wurden, war sie trotzdem für ihre Kunden 24 Stunden am Tag erreichbar, auch am Wochenende. Es meldeten sich jedoch auch Kunden anderer Reisebüros bei ihr, nicht erreichbar waren, sowie Online-Bucher, die wissen wollten, was mit ihrer Reise sei. "Acht Wochen lang waren wir ausschließlich mit den Stornierungen der Reisen und deren Rückabwicklung beschäftigt", erzählt Ramhorst-Becker. Sechs Aktenordner füllt der Papierkram. Sie habe sich darum gekümmert, dass ihre Kunden von den Reise-Veranstaltern ihr Geld wiederbekamen. Wer online gebucht hatte, musste sich selbst kümmern. Die Veranstalter seien jedoch schwer zu erreichen gewesen. "Unsere Kunden haben ihr Geld alle wiederbekommen", sagt Ramhorst-Becker stolz. Umsatzrückgang bis zu 85 Prozent Im Vergleich zum vergangenen Jahr müsse sie einen Umsatzrückgang von 70 bis 80 Prozent verkraften, sagt Ramhorst-Becker. Lilian Streicher, Inhaberin der Urlaubsinsel, dem Reisebüro im Bünder Marktkauf, ist in einer ähnlich schlechten Lage. Sie müsse Einbußen von 80 bis 85 Prozent hinnehmen, erzählt Streicher: "Uns ist unser Produkt genommen worden." Die Soforthilfe und Überbrückungshilfe der Bundesregierung federten den großen Verlust ab, dennoch sei dieser Einschnitt "existenziell", sagt Ramhorst-Becker. Inzwischen gebe es vereinzelt Buchungen von Reiselustigen, sagt Streicher. Das passiere immer kurzfristig, oft erst eine Woche vor Urlaubsbeginn. Und: "Wir verdienen nicht nur quasi nichts, wir müssen auch im vergangenen Jahr erhaltene Provisionen zurückzahlen." Ein Minusgeschäft. Was sie wütend mache, sei, dass große Reiseveranstalter milliardenschwere Subventionen von der Bundesregierung erhielten, "aber uns unsere Provisionen zurückbuchen", macht Streicher ihrem Ärger Luft. Streichers fünf Mitarbeiter sind seit Anfang April zum Teil zu 100 Prozent in Kurzarbeit, die Öffnungszeiten sind eingeschränkt. "Es bleibt nichts übrig", klagt die Inhaberin. Es sei ein Überlebenskampf. Auch die drei Mitarbeiter von Ramhorst-Becker sind in Kurzarbeit, zu 80 Prozent. Den täglichen Betrieb hält sie mit ihrer Auszubildenden aufrecht, die Mitarbeiter holt sie nur in Ausnahmefällen zurück an den Arbeitsplatz. Das ändert sich jetzt Seit das Auswärtige Amt Ende Mai, Anfang Juni die Reisewarnung für Deutschland aufhob und Mitte Juni auch für die EU-Länder, verbesserte sich die Lage ein wenig. Es fanden wieder Reisen statt, die Kunden buchten auch wieder, sagt Ramhorst-Becker. Doch Mitte, Ende August wurden wieder Reisen abgesagt, Fluggesellschaften stornierten Flüge, weil diese nicht ausgelastet waren. Bis Ende Oktober buchten die Kunden normalerweise Reiseziele im Mittelmeerraum, erzählt Streicher, ab November verlagerten sich die meisten Reisen auf die Kanaren, in die Türkei, nach Ägypten und auf Fernziele wie die Karibik und Asien. Fernziele seien im Moment nicht buchbar. Auch Kreuzfahrten – eine wichtige Einnahmequelle – fielen momentan flach. Die Schiffe dürften in vielen Häfen nicht anlegen, einige Reedereien hätten daher ihre Kreuzfahrten abgesagt, teilweise bis März 2021. Andere Reedereien haben sich auf die Corona-Situation eingestellt und bieten Kreuzfahrten ohne Landgang oder mit geführten Landgängen an. Auch ein Coronatest, bevor die Reisenden an Bord gehen sowie tägliches Fiebermessen sind bei einigen im Preis inbegriffen. Das Auswärtige Amt hebt die generelle Reisewarnung zum 1. Oktober auf und wird ab sofort länderspezifische Reisewarnungen aussprechen. Die Kunden würden dadurch nicht beruhigt, mutmaßt Streicher. Das Reisen werde dadurch nicht planbarer. Es könnten jederzeit wieder Coronafälle in den Reiseländern auftreten. "Ich kann mir gerade nicht vorstellen, dass sich die Situation durch die länderspezifischen Reisewarnungen groß verändern wird." Trotzdem hoffe sie das natürlich. Ramhorst-Becker wünscht sich differenziertere Reisewarnungen nicht für ganze Länder, sondern für Regionen. Kein Test, sondern Quarantäne Bis 15. Oktober würden Reiserückkehrer aus Risikogebieten noch am Flughafen auf eine Coronavirus-Infektion getestet, sagt Ramhorst-Becker. Ab 15. Oktober müssten sich diese Reisenden zu Hause fünf Tage in Quarantäne begeben. "Die Kunden sind total verunsichert", sagt sie. Die Krise werde noch dauern, erwartet Streicher. "Für uns ist es wichtig, dass die Leute über das Reisebüro buchen." Das sei für die Kunden nicht teurer. Die Provisionen, die sie von den Reiseveranstaltern bekämen, würden nicht auf den Preis draufgeschlagen. "Wenn Sie eine Reise im Internet buchen, zahlen Sie genau so viel wie im Reisebüro." Es sei nicht notwendig, dass die Kunden für eine Buchung persönlich vorbeikämen. Sie könnten sich auch per Telefon oder E-Mail beraten lassen und buchen. Ramhorst-Becker führt ihr Reisebüro seit 29 Jahren. "Wir hatten 9/11, die Golfkriege, den aschespeienden Vulkan auf Island – aber so etwas habe ich noch nicht erlebt."

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