Kreis Herford/Bünde. Beim Blick auf die Anzeigetafeln der Tankstellen müssen Autofahrer in Bünde und Umgebung besonders über eine Fähigkeit verfügen: Entscheidungsfreudigkeit.
Denn der angezeigte Verkaufspreis kann schon innerhalb von dreißig Minuten wieder steigen. Bis zu 16-mal täglich können sich die Preise verändern, ohne Einwirkung der Tankstellenbetreiber: „Wir haben keinen Einfluss auf die Preise. Die werden vom Konzern aus Hamburg gesteuert", erklärt ein Mitarbeiter der Shell-Tankstelle an der Osnabrücker Straße auf Nachfrage von nw.de. Tanken wird so zur Glückslotterie.
Die Betreiber sind bei den Preisschwankungen machtlos
Stündlich werden die Preise von den großen Mineralölkonzernen verändert und an den Tankstellen in ganz Deutschland aktualisiert. Egal ob Shell, Aral, Esso und Co, die Betreiber sind bei den Preisschwankungen machtlos. Grund für die extremen Schwankungen ist die 2013 eingeführte Markttransparenzstelle für Kraftstoffe des Bundeskartellamtes.
Eigentlich wollte die Regierung durch dieses Instrument für mehr Durchblick an den Zapfsäulen für den Verbraucher sorgen. Bei jeder Preisänderung sind die Konzerne verpflichtet, in Echtzeit die neuen Verkaufspreise zu melden.
Doch die neue Kontrolle setzt die Mineralölkonzerne unter enormen Druck. Auch sie haben jetzt die Möglichkeit, viel schneller auf die Preise der Konkurrenz zu reagieren. Die Literpreise von 14.750 Tankstellen in Deutschland werden minütlich erfasst und über die Markttransparenzstelle bekannt gemacht.
Durch den zunehmenden Druck können sich die Mineralölkonzerne keine anhaltenden Preisunterschiede zur Konkurrenz mehr erlauben. Die Preise werden ununterbrochen miteinander verglichen und angepasst. Sobald ein Konzern seine Verkaufspreise ändert, müssen die anderen Tankstellen darauf reagieren.
Preisunterschiede bis zu 30 Cent innerhalb eines Tages
Der Preisunterschied in einer Stadt kann bis zu 30 Cent innerhalb eines Tages betragen. „Durch die Markttransparenzstelle hat die Volatilität der Preise zugenommen", sagte Wolfgang Langhoff, Europachef von BP. Dem britischen Mineralölkonzern gehört die Marke Aral.
Um die Kundschaft zu halten, können die Konzerne ihre Verkaufspreise nicht mehr so lange beibehalten wie früher. Einen bestimmten Tag, an dem Diesel und Benzin günstiger sind, lässt sich nicht mehr definieren. In den frühen Morgenstunden sind die Preise jedoch hoch. Im Laufe des Tages werden die Kosten gesenkt und erreichen in der Regel ab 18 Uhr ihren Tiefstand. Ein klarer Anstieg lässt sich dann wieder ab 22 Uhr beobachten.
Freie Tankstellen sind aktuell ungefähr einen Cent günstiger
Auch freie Tankstellen orientieren sich an den Preisen der Prüfstelle und passen ihre Preise entsprechend an. Doch wie bei den großen Konzernen haben auch hier die Tankstellenbetreiber keinen Einfluss auf den Verkaufspreis: „Unsere Preise werden von der Preiszentrale festgelegt", heißt es von der Freien SB Tankstelle in Bünde.
Generell versuchen die freien Tankstellen, durch günstigere Benzinpreise Kundschaft zu gewinnen. Aktuell sind sie ungefähr einen Cent günstiger als die markengebundenen Tankstellen. Um diesen Preisvorteil zu halten, müssen jedoch auch die SB-Tankstellen regelmäßig ihre Anzeigen auf der Preistafel aktualisieren.
Auch der momentane Benzinpreis lässt die Autofahrer stöhnen. Ende April verteuerte sich der Preis im Bundesdurchschnitt für einen Liter Super E 10 um 1,7 Cent auf 1,468 Euro. Ein Liter Diesel kostet durchschnittlich 1,294 Euro. Seit dem Tiefstand im Januar ist der Benzinpreis um mehr als 16 Cent pro Liter gestiegen. Um möglichst wenig für Treibstoff auszugeben, raten Verbraucherexperten, per Smartphone und Internet nach den günstigsten Tankstellen zu suchen und bewusst in den Abendstunden um 18 Uhr zu tanken.
