
Bünde. Als der Autor dieser Zeilen vor exakt zehn Jahren zum gleichen Thema an dieser Stelle einen Bericht veröffentlichte, hatten Walter Bäumer und er etwas gemeinsam: Beider Männer Name war in der Zigarrenstadt so gut wie unbekannt. Mittlerweile hat sich Jörg Militzer als Stadthistoriker einen Namen gemacht. Und auch der Name des Rennfahrers hat nicht nur in der lokalen Geschichte seinen Platz gefunden.
Zu den Anfängen der Geschichte. Militzer, der sich beruflich lange mit klassischen Automobilen beschäftigte, verband - seit er in den 1990er-Jahren einen kleinen Hinweis in einer Fachzeitschrift gesehen hatte - mit Bünde den Namen Walter Bäumer. Als er im Jahr 2004 diese ihm bis dahin fast gänzlich unbekannte Stadt zu seinem Lebensmittelpunkt machte, war die Erinnerung und damit die Neugierde auf die Spuren dieses Rennfahrers Bäumer ein erster Ansatz, sich der Stadtgeschichte zu widmen. Doch erstaunlicherweise waren diese Spuren äußerst dünn gesät.

Ein erster Aufruf über die Neue Westfälische brachte dann Kontakte zu Zeitzeugen - und die spannende, aber doch recht kurze Biografie des "schnellen Walter" bekam erste Konturen. So erinnerte sich der heute 90-jährige ehemalige "Nachbarsjunge" Ulrich Meyer noch ganz lebhaft an "Onkel Walter" und seinen meistens hinter dem Haus geparkten Rennwagen.
Neffe aus Düsseldorf
Jedoch war das Material zu dürftig, um damit weiter an die Öffentlichkeit gehen zu können. So war der Kontakt zu dem in Düsseldorf lebenden Neffen des Rennfahrers ein weiterer Schritt, der schließlich zu einem Vortrag des Wahlrheinländers anlässlich des 100. Geburtstages seines Onkels am 17. Oktober 2008 führte.

Doch obwohl sich die biografischen Eckdaten des Vortrages mit den Erkenntnissen des Stadthistorikers deckten und diese zum Teil ergänzten, tat sich eine ganze Reihe weiterer Fragen auf. Insbesondere die Beschreibung des tödlichen Unfalls und die fehlende Kenntnis über den Unfallort weckten die Neugierde und nach intensiven Recherchen entstand für das "Historische Jahrbuch für den Kreis Herford 2010" eine verhältnismäßig umfassende Biografie, die sich neben den zeitgenössischen Presseberichten und amtlichen Unterlagen auf eine erstaunlich große Anzahl von Zeitzeugen stützen konnte.
So konnte das Leben Walter Bäumers von der Geburt im Oktober 1908 - als die Familie noch an der Ennigloher Hochstraße lebte - bis zu seinem Unfalltod in den frühen Morgenstunden des 30. Juni 1941, heute vor 75 Jahren, detailliert nachgezeichnet werden. Es fanden sich Hinweise auf seine ersten Rennen noch im Sattel seines 750ccm-NSU-Motorrades, über die großen Erfolge in den frühen 1930er-Jahren auf BMW-Dixi und Austin in der hubraumgleichen Automobilklasse und seine misslungene Probefahrt im Auto-Union-Rennwagen, bis hin zur Mitgliedschaft im Mercedes Grand-Prix-Team unter dem legendären Rennleiter Alfred Neubauer.
Nachwuchs-Grand-Prix in Paris
Auch die politischen Ereignisse der NS-Zeit gingen an einem Walter Bäumer nicht spurlos vorbei, obwohl die Parteimitgliedschaft in diesen Tagen für Rennfahrer als obligat angesehen werden kann. Allerdings scheint die Teilnahme am berühmten "Mille Miglia"-Rennen 1940 in einem vom italienischen Carrossier gestalteten BMW 328-Sportcoupé und der Einsatz als Fahrer im Umfeld der deutschen Botschaft in Paris für einen Nachwuchs-Grand-Prix-Fahrer eher erstaunlich, während erfahrenere Helden aus "Hitlers Rennschlachten" ihr Leben auf den realen Schlachtfeldern verloren.
So rankten und ranken sich um die genauen Geschehnisse im kurzen Leben des Bünders zahlreiche Legenden, die zum Teil wohl nie ganz aufgeklärt werden können. Was jedoch die Ereignisse der Unfallnacht angeht, sind durch die einst befragten Zeitzeugen und die im Nachhinein entdeckten schriftlichen und bildlichen Belege die Umstände schon recht deutlich nachgewiesen.
So erinnerte sich schon vor Jahren der in Vlotho lebende Wilfried Gentemann an den genauen Unfallort an der Salzufler Straße 134 in Herford, vor dem ehemaligen Haus der Familie Kordes. Auch wenn er damals gerade einmal zehn Jahre alt war, zählte ein nächtlicher Autounfall in Kriegszeiten zu den außergewöhnlichen und prägenden Erlebnissen im Leben des Jungen aus der Nachbarschaft.
Die Legende vom Kuss
Darüber hinaus konnte auch die lange kolportierte Geschichte des Wangenkusses einer nie namentlich bekannten Beifahrerin und der daraus resultierenden Unachtsamkeit Bäumers, die zum tödlichen Unfall geführt haben soll, ebenso entkräftet werden wie die genaue Todesursache des Rennfahrers.
Eine ganze Reihe von Antworten fand auch die Familie Rose, die im Jahre 2014 das ehemalige Haus - die einstige Glas-, Farben- und Tapetenhandlung - der Familie Bäumer an der Bahnhofstraße 61 erworben hatte.
Obwohl der greifbare Nachlass des Rennfahrers, unter anderem die lange im Haus aufbewahrte Sammlung von Pokalen und Auszeichnungen, längst über ein süddeutsches Auktionshaus in ganz Europa verstreut wurde, fanden sich in dem zu entsorgenden Hausrat durchaus noch manche Spuren des berühmtesten Bewohners.
Hinweise auf das Begräbnis
Auch wenn eine Rennfahrerbrille mit brüchiger Ledereinfassung nicht eindeutig Walter zugeschrieben werden kann, schließlich fuhr der ein Jahr jüngere Bruder Werner Bäumer zeitweise ebenfalls Rennen, so fanden sich unter anderem auch ganz interessante Hinweise auf sein Begräbnis.
Die letzte Ruhe fand Walter Bäumer am 4. Juli 1941 auf dem Friedhof in der Feldmark an der Herforder Straße. Betrauert von seiner Familie, den Angehörigen und Freunden, aber auch von dem bereits erwähnten Rennleiter Neubauer und den Fahrerkollegen Hermann Lang und Hans Hugo Hartmann.
Heute erinnert in Bünde einzig der Grabstein in Form eines schlichten Findlings mit der Aufschrift "Bäumer" an den einst schnellsten Sohn der Zigarrenstadt.