Illegale Zigarettenfabrik im Kreis Gütersloh: Fahnder gewähren Einblick in ihre Arbeit

Werther-Häger/Bielefeld. Mehr als 29 Millionen Zigaretten und gut sieben Tonnen Rohtabak haben die Zollfahnder vor gut drei Wochen in Häger sichergestellt. Alles offenkundig bestimmt für den englischen Markt - und alles offenkundig für Raucher, die wenig wählerisch sind. Die Bielefelder Beamten wissen dies, weil sie eine Zigarette aus der illegalen Fabrik einem kundigen Raucher zum Probieren gegeben haben. Dessen Fazit: &bdquo;Rauchbar, aber schmeckt schrecklich!“ Die Redaktion ist an diesem Tag zu Besuch bei den Zollfahndern in Bielefeld. Sie haben ihren Dienstsitz in einem historischen Gebäude unweit des Klinikums Mitte, in dem früher einmal das Kriegsgericht untergebracht war. Sogar alte Zellen mit Guckloch gibt es noch, das Pressegespräch findet im früheren Kriegsgerichtssaal statt, der heute Aufenthaltsraum und Küche ist. Lesen Sie auch: Viele Fotos: Exklusive Einblicke in illegale Zigaretten-Fabrik im Kreis Gütersloh Eigentlicher Anlass für den Termin ist die Verabschiedung von Oberstaatsanwalt Gerald Rübsam, der seinen Ausstand bei den Kolleginnen und Kollegen von der Zollfahndung gibt. Fahnder sprechen von einem &bdquo;außergewöhnlichem Einsatz“ Als langjähriger Leiter der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftskriminalität hat er große Teile seines Berufslebens der Verfolgung des internationalen Zigarettenschmuggels gewidmet - und entsprechend regelmäßig mit den Zollfahndern zu tun gehabt. Sein Bedauern dürfte groß gewesen sein, dass das Aufdecken der Zigarettenfabrik in Häger nicht mehr in seine Zuständigkeit, sondern in die seines Nachfolgers fiel. Mit rund 20 Fahndern sei man in Häger im Einsatz gewesen, aus Bielefeld, aber auch von anderen Dienstsitzen aus, erzählen die Beamten, die mit Namen nicht genannt werden wollen. &bdquo;Wir wollen ja auch künftig noch unerkannt ermitteln können.“ Und sie sagen: &bdquo;Das war für uns ein außergewöhnlicher Einsatz. Nicht nur von der Menge der Zigaretten her. Auch Größe und Professionalität der Anlage waren beeindruckend.“ Und ungewöhnlich: &bdquo;Meist trennt man Produktion und Lager.“ Streifenwagen sicherten den Einsatz im Kreis Gütersloh ab Obwohl manche Ermittler schon Jahre im Dienst sind, waren sie angespannt. &bdquo;Wir wussten ja zunächst gar nicht, was uns erwartet.“ Entsprechend sei der Einsatz mit einer Reihe von Streifenwagenbesatzungen abgesichert worden. Kommt es häufiger vor, dass Machenschaften wie in Häger zufällig entdeckt werden? &bdquo;Ja, das passiert. Es kommt aber auch vor, dass uns Bürger, Informanten oder ausländische Behörden einen Hinweis geben.“ In der Regel werde dann zunächst verdeckt ermittelt. Lesen Sie auch: Illegales Tabak-Lager im Kreis Gütersloh: Schlafplätze der Mitarbeiter entdeckt In der Nähe der Objekte würden Kameras installiert, man schaue, ob regelmäßig Fahrzeuge das Gebäude ansteuern, und von wo sie kommen. Unter bestimmten Voraussetzungen dürften auch Telefone überwacht werden. Immer im Boot die Staatsanwaltschaft, bei der am Ende auch Durchsuchungsbeschlüsse beantragt würden. Spuren im Fall führen nach England Im Fall von Häger beginnt für die Ermittler nun die Sisyphosarbeit, indem sie das sichergestellte Material nach Hinweisen auf die Täter untersuchen müssen. Etwa die Fertigungsanlage, die auf legalem oder illegalem Weg nach Deutschland und dann nach Häger gekommen ist. Auf einer Metallplakette ist noch der Name der Herstellerfirma aus Indien zu lesen. &bdquo;Was nicht heißen muss, dass sie aus Indien kam“, so die Fahnder. Wahrscheinlich sei indes, dass es Monate gedauert und mehrerer Zwischenhändler bedurft habe, bis sie aufgestellt wurde. Hinweise auf die Täter erhoffen sich die Zollfahnder auch aus England, wohin die Zigaretten aus Häger offenkundig geschmuggelt wurden. Die Ermittler gehen davon aus, dass dort bereits welche verkauft worden sein müssen. &bdquo;Meist funktioniert so etwas unter der Ladentheke in kleinen Supermärkten.“ Fabrik in kleinem Ort überrascht die Fahnder nicht Auf die Frage, warum gerade England, hat Gerald Rübsam eine einleuchtende Antwort: &bdquo;In England sind Zigaretten knapp doppelt so teuer wie bei uns.“ Selbst wenn man dort jedoch einen Lkw mit Schmuggelzigaretten auftun würde, müsse das noch nichts heißen. &bdquo;Der Fahrer weiß in den seltensten Fällen, wo sich die Produktion befindet. Und schon gar nicht, wer der Drahtzieher ist.“ Wenn die Zigaretten überhaupt gefunden werden. Denn die Verstecke, erzählen die Ermittler, seien mannigfaltig. Getarnt auf Ladeflächen hinter anderen Produkten, mitten in legaler Ware, &bdquo;einmal haben wir das Schmuggelgut unter Sitzen eines voll besetzten Busses gefunden“. Dass sich die Bande ausgerechnet eine Halle in einem kleinen Ort wie Häger ausgesucht hat, überrascht die Fahnder nicht. &bdquo;Industriebrachen sind beliebte Objekte, zumal dann, wenn es noch andere Mieter gibt“, sagt Rübsam. Dann fiele es kaum auf, wenn es regelmäßigen Lieferverkehr gibt. Viel Nudeln und Konserven gegessen Die Arbeiter selbst blieben meist unsichtbar. Rübsam schildert einen ähnlichen Fall einer illegalen Zigarettenfabrik in Eupen, die 2014 aufflog und in der hauptsächlich Männer aus Moldawien gearbeitet hätten. &bdquo;Diese Leute arbeiten oft über mehrere Monate am Stück und werden dann durch eine neue Kolonne ausgetauscht. Im Verhältnis zum Verdienst in ihren Heimatländern werden sie meist gut bezahlt. Jedenfalls so gut, dass sie nichts verraten.“ Oft würden sie nicht einmal wissen, in welchem Ort genau sie arbeiten und nur in Ausnahmefällen ihren Auftraggeber kennen, stattdessen lediglich ihren Vorarbeiter. In Häger müsse es jemanden gegeben haben, der für die Technik zuständig war, und auch jemanden, der zum Beispiel das Essen organisierte. &bdquo;Die Männer haben viel Nudeln und Konserven gegessen.“ Auch einen reichlichen Vorrat an Wasserflaschen habe es gegeben. Die Zollfahnder aus Bielefeld sind optimistisch, dass sie die Täter finden werden. Als nächstes würden die Maschinen aus der Halle an einen sicheren Ort geschafft. &bdquo;Das wird allerdings nur gehen, wenn wir die Fassade öffnen. Anders bekommen wir den Stromgenerator nicht nach draußen. Durch die Tür passt er jedenfalls nicht.“

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