Junge Familie verliert alles - und bekommt Hilfe aus dem Kreis Gütersloh

Kreis Gütersloh/Marienthal. Wenn eine Familie mit zwei kleinen Kindern alles verloren hat und ihr nichts als das eigene Leben geblieben ist, dann muss man helfen. Das fanden die Fußballerinnen der Ersten Damenmannschaft vom BV Werther und schafften es, in nur einer Woche 1.500 Euro zu sammeln. Auch Freunde, Familie und Ehemalige machten mit und konnten so der kleinen Familie einen Beitrag für die ersten Schritte auf dem Weg in den Neuanfang übergeben. Eine der Wertheraner Fußballerinnen ist Martha Diester. Sie stammt aus dem Ahrtal und bangte in der Nacht mit den Menschen dort. &bdquo;Meine Familie war Gott sei Dank nicht betroffen. Wir hatten viel Glück", sagt sie. Für die Bewohner von Marienthal sah es anders aus. In der Hochwassernacht des 14. Juli starben hier vier von 100 Bewohnern, von 44 Häusern blieben nur drei unbeschädigt. Das kleine Weindorf wurde hart getroffen von den Wassermassen, die in wenigen Stunden auf sieben Meter über Normalniveau stiegen und talabwärts eine Schneise der Zerstörung hinterließen. &bdquo;Die Krisenstäbe vor Ort haben die Lage völlig falsch eingeschätzt" Jörg Diester, Vater von Martha, kennt den Ort gut. Hauptberuflich in Koblenz beschäftigt, engagiert er sich ehrenamtlich für die Bunker-Dokumentationsstätten, ein Netzwerk von acht Atomschutzbunkern, die heute als Museum betrieben werden. Sitz des Vereins ist Marienthal. Hier hat Jörg Diester ein Zimmer gemietet, wenn er für den Verein aktiv ist. Und gleich nebenan wohnt Familie Schäfer; Vater Daniel, Mutter Ronja, der dreijährige Ben und der elf Monate alte Jonas. Als das Ahrwasser stieg, konnte die Familie nicht ahnen, welche Odyssee sie in den kommenden Stunden durchmachen sollte. Jörg Diester schildert die dramatischen Ereignisse: &bdquo;Am Abend hatte die Feuerwehr die Bewohner über Lautsprecher informiert, sie möchten alle Autos in höhere Lagen umparken und die Keller nicht mehr betreten. Allerdings wurde die Lage durch die Krisenstäbe vor Ort völlig falsch eingeschätzt." Wasser überflutet ersten Stock Weshalb sich Ronja Schäfer und ihr Mann in Sicherheit wähnten, als sie im Laufe des Abends vorsichtshalber auf den Dachboden ihres Wohnhauses umzogen. Doch das Wasser stieg weiter, hatte das erste Stockwerk komplett eingenommen und stand im Obergeschoss einen Meter hoch. Die Vorderfront des Hauses wurde durch die Strömung herausgerissen. Es herrschte Einsturzgefahr, und der Dachboden wurde zur tödlichen Sackgasse. Kurz entschlossen stemmte Daniel Schäfer ein Loch in die Wand zwischen Dachboden und angebauter Scheune. Dort hob er Dachziegel heraus und konnte so einen Fluchtweg über das Scheunendach schaffen. Lesen Sie auch: Diese Frau steht Todesängste bei Hochwasser in Bad Neuenahr-Ahrweiler durch Die Rettung für die vierköpfige Familie zu einem höher gelegenen Nachbargrundstück wurde zu einem lebensgefährlichen Kletterakt. &bdquo;Wäre jemand dabei abgerutscht, wäre er von den braunen Fluten mitgerissen worden – das Schicksal eines Nachbarn, nur 50 Meter von den Schäfers entfernt", berichtet Jörg Diester. Von der anderen Seite hätten Helfer Familie Schäfer angewiesen, was sie tun sollte. Die Rettung gelang. Mit dem Tageslicht am nächsten Morgen wurde sichtbar, was vom Haushalt der Schäfers übrig geblieben war. Die Reste passten in einen Wäschekorb, &bdquo;darunter die Bilder mit den Fußabdrücken meiner Kinder", erzählt Ronja Schäfer 14 Tage später in einem schönen, grünen Garten. Kein Schlamm, kein Heizölgestank, alles heile. Glück im Unglück Die Schäfers hatten Glück und konnten nach der Katastrophe eine neue Wohnung, 30 Kilometer vom Ahrtal entfernt, finden. &bdquo;Es ist eine völlige Umstellung, wir sind aus unserem alten Leben herausgerissen worden", sagen sie. Und doch sind sie froh, alles überstanden zu haben. Zumal die Hilfsbereitschaft enorm war. Möbel, Kinderspielzeug, Haushaltsgeräte und Kleidung kamen nicht nur aus dem Familien- und Freundeskreis. Auch ihnen vollkommen fremde Menschen haben geholfen. Eine erste Spendenaktion wurde durch den Marienthaler Helferkreis organisiert. Über den gelangte das Schicksal der Schäfers schließlich nach Werther. Insgesamt sind es 1.500 Euro geworden &bdquo;Alle aus meiner Mannschaft wissen, dass ich aus der Gegend komme", erzählt Martha Diester. &bdquo;Unsere Trainerin Jennifer Damkröger hat mich kurz nach der Katastrophe gefragt, ob ich eine Idee hätte, wie man helfen könnte. Also habe ich meinen Vater angerufen. Und dann ging alles ganz schnell." Martha Diester schrieb den Aufruf für die Hilfsaktion in die Whatsapp-Gruppe ihrer Mannschaft. &bdquo;Schon am nächsten Tag drückten mir ganz viele Menschen einen Umschlag in die Hand." Die Mannschaftskameradinnen, aber auch deren Familien, Freunde und Ehemalige hätten zu Hause gesammelt. Insgesamt 1.500 Euro. &bdquo;Einfach toll!", findet die 24-Jährige. Lesen Sie auch: Einsatzkräfte aus SHS suchen in Hochwasser-Gebieten nach Überlebenden Schwester übergibt das Geld Wie es der Zufall wollte, kam am Wochenende darauf die Schwester von Martha Diester zu Besuch. Sie wohnt bei den Eltern im Ahrtal. &bdquo;Der habe ich das Geld in die Hand gedrückt. Sie war praktisch unser Kurier und hat die Summe meinem Vater übergeben. Der hat es dann an Familie Schäfer weitergereicht." Zusammen mit dem Geld vom Helferkreis kamen so 2.650 Euro zusammen und leisten nun einen kleinen Beitrag auf dem Weg hinaus aus der Katastrophe. "Es geht weiter" Familie Schäfer empfindet viel Dankbarkeit auch jenseits der Euro-Werte. Für sie ist die Hilfsbereitschaft der Menschen ein starkes Signal, das ihr das Gefühl gibt, nicht allein in dieser Krise zu sein. &bdquo;Wenn das Ganze etwas Gutes hatte, dann, dass wir viele wunderbare Menschen kennengelernt haben und man nicht aufhören darf, an das Gute im Menschen zu glauben. Diese Katastrophe hat gezeigt, wie groß der Zusammenhalt zwischen Unbekannten sein kann. Es baut einen auf, es geht weiter", bedankt sich Ronja Schäfer im Namen ihrer Familie.

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