Kreis Gütersloh Ohne Vorwarnung in Gewahrsam: Abschiebung schockt Menschen in dieser Stadt

Versmold. Das Glockengeläut der Petri-Kirche am Donnerstagabend war in vielen Teilen der Stadt gut zu hören. Es galt einem Versmolder, der am Vormittag bei einem Routinetermin im Rathaus überraschend in Gewahrsam genommen und umgehend zur Abschiebung zum Frankfurter Flughafen gebracht wurde. In der evangelischen Kirchengemeinde und beim Unterstützerkreis Asyl hatte diese Nachricht große Bestürzung ausgelöst. Denn der Mann war seit Jahren aktives Gemeindeglied und auch auf vielen anderen Ebenen in Versmold ehrenamtlich engagiert und bekannt. Abschied erst per Telefon aus dem Flugzeug möglich Erst aus dem Flugzeug, das ihn in sein Heimatland bringen sollte, war es ihm möglich, sich bei Freunden in Versmold zu melden und sie über seine Situation zu unterrichten. Zu spät, um aktuell noch irgendetwas zu verhindern. Deshalb lud Pfarrerin Anja Keppler ganz spontan zum Friedensgebet in die Kirche ein, und nur eine halbe Stunde später hatten sich 26 Menschen dort versammelt, um für ihren Freund zu beten und gemeinsam den Schock zu verdauen, unter dem einige sichtlich standen. Denn alle, die vor Ort mit dem Fall des Mannes vertraut sind, befürchten, dass ihm in seinem Heimatland schlimme Konsequenzen drohen, da er in Deutschland zum christlichen Glauben konvertiert und mehrfach öffentlich als Christ in Erscheinung getreten ist, was in verschiedenen Medien online dokumentiert wurde. Asylverfahren im Sommer abgelehnt In einem Länderreport, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) selbst herausgegeben hat, heißt es zur Rückkehr von Konvertiten im Herkunftsland des Abgeschobenen: &bdquo;Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die ... Sicherheitskräfte eine ... Ermittlungsakte angelegt haben." Außerdem gebe es eine Rechtsgrundlage, um Apostaten (Apostasie = Abfall vom islamischen Glauben) zum Tode zu verurteilen. Um seinen Freund zu schützen, möchte der Unterstützerkreis um Pfarrerin Keppler daher auch weder den Namen noch das Herkunftsland des Mannes öffentlich nennen. Sein Asylverfahren war im Sommer endgültig abgelehnt worden. &bdquo;Obwohl Menschen, die Christ geworden sind und sich in Medien als solche bekannt haben, im betreffenden Land die Todesstrafe droht. Dies ist bei unserem Gemeindeglied eindeutig der Fall, aber vom Gericht unbegreiflicherweise nicht als maßgeblich bewertet worden", sagt Pfarrer Sven Keppler. &bdquo;Kreis ist moralisch verantwortlich" Während einige der Unterstützer auch der Stadt Versmold ankreiden, Amtshilfe geleistet zu haben, richtet sich die Empörung der Pfarrer vor allem gegen die Ausländerbehörde des Kreises. &bdquo;Ein schwarzer Tag für den Kreis Gütersloh, dessen Ausländerbehörde für die Durchsetzung der Abschiebung verantwortlich ist. Und damit moralisch auch für die Folgen, die sich daraus möglicherweise ergeben", sagt Keppler. Der Kreis hingegen verweist auf Anfrage auf die Pflicht zur Abschiebung, wenn der Ausreiseverpflichtung bei abgelehntem Asylantrag nicht nachgekommen wird. Es gebe &bdquo;keinerlei Auswahlermessen in Bezug auf die Frage, ob sie [die Behörde] die Abschiebung durchführt", sie sei weisungsgebunden. Wissentlich Abgeschobenen in Gefahr gebracht? Beide Gerichte, vor denen der Einspruch gegen die Ablehnung des Asylantrags verhandelt worden seien, hätten geprüft, ob &bdquo;im Zielstaat erhebliche Gefahr für &bdquo;Leib, Leben oder Freiheit drohen" und &bdquo;haben dieses – auch im Bezug auf ein religiöses Engagement – verneint", heißt es in einem schriftlichen Statement. Das sieht der Unterstützerkreis des Gemeindemitglieds anders und hätte vom Kreis erwartet, die Abschiebung auszusetzen, um den Mann nicht in Gefahr zu bringen. Auch Versmolds Ex-Bürgermeister und Kreistagsmitglied Thorsten Klute zählt sich zu den Unterstützern. &bdquo;Es steht der Verdacht im Raum, dass der Kreis wissentlich einen Menschen in eine ihn in Gefahr bringende Situation abgeschoben hat. Der Kreis Gütersloh ist gut beraten, diesen Vorgang vollständig aufzuklären", sagt er. Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion für die nächste Kreistagssitzung eine entsprechende Anfrage gestellt.

Mehr zum Thema