Dieser Mann beruhigt im Lockdown aufgeheizte Gemüter

Verl. Schnee, der nicht geschippt wird. Äste, die in Nachbars Garten ragen, dort ihr Laub abwerfen und womöglich für zu viel Schatten sorgen. Hecken, die nicht regelmäßig in Form gebracht werden. Laute Musik, unangenehme Gerüche, Beleidigungen und üble Nachrede. Nur ein kleiner Ausschnitt der möglichen Streitigkeiten, mit denen sich Schiedsmänner und -frauen beschäftigen. Normalerweise bringen sie die Kontrahenten an einen Tisch, um einvernehmlich zu einer außergerichtlichen Schlichtung zu kommen. In Pandemiezeiten ist das aber nicht ohne Weiteres möglich. Heribert Reineke ist seit sechs Jahren Schiedsmann in Verl und hat zuvor bereits fünf Jahre Erfahrungen als Stellvertreter von Wolfgang Tischler gesammelt. Mit seinen 74 Jahren gehört Reineke zur Risikogruppe. &bdquo;Coronabedingt sind im Moment keine Sprechstunden möglich", sagt er. Normalerweise hat er Termine an jedem ersten Donnerstag im Besprechungsraum des Standesamts/ der Polizei an der Paderborner Straße 2. &bdquo;Kontakte gibt es derzeit nur telefonisch oder per Mail", beschreibt Reineke das Arbeiten unter erschwerten Bedingungen. &bdquo;Es ist unwahrscheinlich aufwendig geworden." Nachbarn nehmen mehr wahr als vorher Einige Dinge, die auf dem Tisch im kleinen Büro liegen, müssen nicht sofort erledigt werden, aber sie häufen sich. Bei anderen wäre eine zügige Klärung von Vorteil, &bdquo;damit es sich gar nicht erst hochschaukelt". Gerade im Lockdown seien die Bürger vermehrt zu Hause, würden die Nachbarn gerade in Mehrfamilienhäusern manches wesentlich mehr wahrnehmen als vorher. Da platze manch einem schon mal der Kragen, auch aus einer eigenen Unzufriedenheit heraus. &bdquo;Viele zwischenmenschliche Beziehungen gestalten sich derzeit schwierig", bestätigt Heribert Reineke und berichtet unter anderem von &bdquo;Fällen, die schon geruht haben und jetzt wieder aufbrechen". Der erfahrene Schiedsmann versucht, mit den Parteien am Telefon zu sprechen und eine Lösung zu finden. Der Elektroinstallateur hat schon während seiner Berufstätigkeit ehrenamtliche Arbeit geleistet. So war der gebürtige Verler 30 Jahre lang ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht Detmold und zehn Jahre am Arbeitsgericht Bielefeld. Zudem gehörte er dem Prüfungsausschuss der Elektroinnung an. &bdquo;Als Ruheständler hatte ich plötzlich zehn Stunden übrig", erzählt Heribert Reineke. Bei der Zeitungslektüre wurde er auf das Ehrenamt des Schiedsmannes aufmerksam und bewarb sich zunächst als Stellvertreter. Vor dem Amtsgericht Gütersloh wurde er vereidigt. &bdquo;Als Schiedsmann hat man viel mit Anwälten zu tun und man muss einen engen Kontakt zum Ordnungsamt pflegen", erläutert Heribert Reineke, wie sein Ehrenamts-Einsatz im Normalfall aussieht. Immer wieder wird deutlich, &bdquo;dass viele Menschen das Schiedsamt gar nicht kennen". Gibt es ein Problem, rufen sie zunächst beim Ordnungsamt an. Das verweist in bestimmten Fällen an die Schiedspersonen, zu denen in Verl auch Sabine Thomalla als Stellvertreterin gehört. Beim Schiedsmann reißen sich die Kontrahenten am Riemen Tätig werden die Schiedsleute bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht, bei der Verletzung der persönlichen Ehre. Sie helfen außerdem bei Geldforderungen aus Verträgen und Schadenersatzansprüchen und versuchen zudem bei Strafsachen wie etwa Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verleumdung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung und Rauschtaten zu schlichten statt zu richten. &bdquo;Strafsachen machen etwa ein Viertel aus", informiert Heribert Reineke. Schiedsmänner und -frauen ersparen in vielen Fällen den Gang vor die Gerichte. Sie fungieren als neutrale Vermittler und Streitschlichter. Wird ein Vergleich zwischen den Streitenden erzielt, dann ist er 30 Jahre lang vollstreckbar. &bdquo;Geklagt werden kann nur dann, wenn eine Erfolglosigkeitsbescheinigung vom Schiedsmann ausgestellt worden ist", ergänzt Heribert Reineke. Das passiere aber nur ganz selten. Er persönlich kann sich nur an eine einzige Klage erinnern. &bdquo;Viele Leute meinen zunächst einmal, dass ich ihnen zu ihrem Recht verhelfe." Das ist aber nicht Aufgabe einer Schiedsperson. &bdquo;Wir bemühen uns, einen Kompromiss zu finden, mit dem beide Seiten leben können." Im Grunde seien es meist gar nicht der Baum oder die Hecke, die störten, &bdquo;oft schwelt der Ärger schon viel länger und hat ganz andere Ursachen". Das aber sei nur im Gespräch miteinander herauszubekommen. &bdquo;Wenn ein Dritter dabei sitzt, reißen sich die Kontrahenten in der Regel am Riemen." Manchmal werde es aber auch laut. Zeigen sich die Streitenden trotz aller Bemühungen unversöhnlich, kommt es zur Verhandlung mit der Schiedsperson. &bdquo;Davon habe ich rund 20 pro Jahr", informiert Heribert Reineke. &bdquo;Damit liege ich im Amtsgerichtsbezirk Gütersloh ganz vorne." Woran das liege, sei schwer zu sagen. Womöglich sei das Schiedsamt in Verl bekannter als andernorts oder es werde schneller dorthin weitergeleitet. Ein anderer Grund könnte aus Sicht des 74-Jährigen die vielen Neubaugebiete sein. &bdquo;Früher gab es dort Wiesen und Sträucher, jetzt kommen sie weg und das stört manch einen." Zwar sind derzeit keine Sprechstunden möglich. Dennoch ist Heribert Reineke jederzeit zu erreichen unter Tel. (0 52 46) 42 43.

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