Eine Frage des Glaubens: Warum wir nur an Weihnachten in die Kirche gehen

Verl. Volle Kirchen erleben die meisten Gemeinden in Deutschland nur noch an Weihnachten. Das bestätigen auch Pfarrer Karl Josef Auris und Pastor Jens Hoffmann. Auris, Leiter des Pastoralverbundes Verl und Schloß Holte-Stukenbrock, erklärt: &bdquo;Die Menschen glauben weniger. Das Interesse an Religion ist nicht mehr so zentral, wie es einmal war." Mitglieder der Kirche schwinden Auch die Statistik des Erzbistums Paderborn, zu dem auch der Kreis Gütersloh gehört, verdeutlicht schwindende Mitgliederzahlen der katholischen Kirche. Während der Pastoralverbund Verl im Jahr 2010 noch 14.046 Mitglieder führte, sank die Anzahl bis 2017 auf 12.900 Personen. Das entspricht einem Mitgliederschwund von mehr als acht Prozent. &bdquo;Ich wäre froh, wenn sich in zehn Jahren noch im Pastoralverbund Verl und Schloß-Holte-Stukenbrock gemeinsam 20.000 Menschen befinden", sagt Auris. Auch bundesweit sinkt die Zahl der Katholiken und Evangelen. Während 2017 noch offiziell 23,3 Millionen Katholiken (24,7 Millionen im Jahr 2010) gezählt wurden, waren es lediglich noch 21,54 Millionen Evangelen (2010: 23,9 Millionen). Die katholische Sicht Die Gründe für die leeren Kirchen seien vielschichtig und zum Teil in der Demografie zu finden. &bdquo;Es werden weniger Kinder geboren. Und selbst wenn ein Elternteil katholisch sein sollte, werden die Kinder nicht immer getauft", erklärt Auris. Bei einer aktuellen Austrittsquote in Verl von 0,5 Prozent sei der Mitgliederschwund im Vergleich zu Großstädten zwar gering aber trotzdem stetig. &bdquo;Es geht um die Glaubensfrage an sich. Wir befinden uns tatsächlich in einer Gotteskrise", so der katholische Pfarrer. Dieser könne man auch nur bedingt entgegentreten. Denn durch das Freizeitverhalten der Menschen sowie durch die, durch das Evangelium und Glaubensbekenntnis bedingten, immer gleichen Inhalte in Messen, bleibe &bdquo;das große Spektakel" in der Kirche aus. &bdquo;Die Menschen ticken anders. Sie wollen ein Einzelerlebnis haben, wie es beispielsweise an Weihnachten der Fall ist. Aber religiöse Reden, die 2.000 Jahre alt sind, kann ich nicht neu erfinden", erklärt der Leiter des Pastoralverbundes. Nichtsdestotrotz müsse die Kirche versuchen, das Evangelium durch neue Ideen und Impulse interessant zu machen. &bdquo; Im Moment gibt es Versuche bei den Messdienern in Verl, über alternative Formen nachzudenken und diese zu proben. Der Prozess befindet sich aber sehr am Anfang", erzählt Auris. Er hält beispielsweise alternative Erzählformen mit Hilfe von Videos für denkbar. Kürzere Messen als bisher hält er dagegen für ausgeschlossen. &bdquo;Egal, ob die Messe eine Stunde oder auch nur 15 Minuten dauert – die Menschen hören auch bei einer Viertelstunde nicht über die gesamte Zeit zu." Die evangelische Sicht Während Karl Josef Auris von einer &bdquo;Gotteskrise" spricht, geht Jens Hoffmann, Pastor der Evangelischen Kirchengemeinde Verl, davon aus, dass Menschen nach wie vor glauben. &bdquo;Für die Kirche ist es selbstverständlich, dass die Kirche auch der Ort ist, an dem Menschen ihrem Glauben Ausdruck verleihen. Das ist aber nicht so. Viele sind zwar spirituell, gehen aber nicht in ein Gotteshaus." Die Kirche habe versäumt, klar zu machen, dass sie relevant ist. Auf den Trend schwindender Besucher habe sie schlichtweg nicht reagiert. &bdquo;Dabei passt sie im Prinzip gut in die aktuelle Zeit. Menschen vereinsamen. Sie suchen Zuspruch und sehnen sich nach Zugehörigkeit", so Hoffmann. Der heutige Pastor habe im Alter von 18 Jahren einst selbst kurz davor gestanden aus der Kirche auszutreten. &bdquo;Ich habe aber schnell den Anspruch entwickelt, es besser machen zu wollen, als wie es bisher lief." Das Image der Kirche sei zwar verstaubt, Hoffmann bezeichnet die &bdquo;Marke Kirche" aber nach wie vor als stark. Der Pastor versuche mit Hilfe des Projektes &bdquo;Klartext" allmählich die Gottesdienste zu den Menschen zu bringen – außerhalb der Kirche. &bdquo;Wir machen unsere Gottesdienste teilweise im Freibad, machen Themenmessen geben auch Workshops", erklärt Hoffmann und ergänzt : &bdquo;Wir versuchen dahin zu gehen, wo Menschen sind. Dort können sie dann erleben, dass Kirche etwas zu sagen hat." Da an Heilig Abend die Kirchen besonders voll sind, sieht der Pastor das Fest als Chance, um Besucher zu gewinnen. &bdquo;Aktuell hat die Kirche den Charme einer preußischen Behörde. An Heilig Abend kann sie sich aber einem breiten Publikum präsentieren und so an Image gewinnen", sagt Hoffmann. Weil zum Fest die Kirchen erfahrungsgemäß sogar so voll werden, dass aus Gründen des Brandschutzes Besucher abgewiesen werden müssen, hält der Pastor zukünftig auch eine Messe unter freiem Himmel für denkbar. &bdquo;In diesem Jahr machen wir das aber noch nicht."

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