Nach Badeunfall gelähmt - wie sich 31-Jähriger ins Leben zurückkämpft

Steinhagen. Andrea Spitzer will eigentlich nicht mehr Geburtstag feiern. Denn der 21. Mai ist seit dem vergangenen Jahr für sie nicht mehr ein Tag ungetrübter Freude. Im Gegenteil: &bdquo;Ich stand plötzlich vor einem Haufen von Nichts", sagt die heute 53-Jährige, als sie an die Ereignisse des Himmelfahrtstages 2020 zurückdenkt. Ein Tag wie aus dem Bilderbuch. 24 Grad registriert die Wetterstation noch am frühen Abend. &bdquo;Wir hatten den ganzen Tag gefeiert. Und dann wollten sie noch in unserem Tümpel schwimmen gehen", erzählt Andrea Spitzer und schaut dabei ihren Mann nachdenklich an. Der nickt nur kurz, streichelt den grau getigerten Kater Jupp, der sich auf seinen Knien eingerollt hat, und fährt fort: &bdquo;Es war beim Hineinlaufen. Ich bin auf dem Schlamm ausgerutscht und anschließend mit dem Kopf aufgeschlagen." Pause. &bdquo;Ich habe das Knacken gehört. Dann wurden die Beine schwer." "Schatz, es ist alles durch" Dass Christian Spitzer heute davon berichten kann, ist dem schnellen Eingreifen einiger Feuerwehrkameraden zu verdanken, die die Lage sofort erkennen. Sie ziehen den 31-Jährigen aus dem Wasser und bewahren ihn vor dem Ertrinken. &bdquo;Keine stabile Seitenlage. Lasst mich so liegen", weist er sie an. Er ahnt bereits, was geschehen ist. Zu seiner heutigen Frau sagt er: &bdquo;Schatz, es ist alles durch." Danach schwindet die Erinnerung. Notarzt, Rettungshubschrauber, Not-OP im Bochumer Bergmannsheil. &bdquo;Boah, war das eine schreckliche Zeit", sagt Andrea Spitzer und atmet tief durch.Von einer Sekunde auf die andere steht sie alleine da. Das Gebäude des Hofes auf dem Ströhen ist komplett entkernt. Christian Spitzer hat hier mit dem Bau der gemeinsamen Wohnung begonnen. &bdquo;Wie soll ich das nur schaffen?", fragt sie sich und muss nun Entscheidungen treffen. Mit einem Notar fährt sie nach Bochum, bekommt am Krankenbett ihres Lebensgefährten, der künstlich beatmet werden muss, die Vollmacht, finanzielle und rechtliche Dinge zu regeln. Eines aber kann sie nicht regeln: den Umbau. &bdquo;Doch Christian hat die besten Freunde der Welt. Alle haben sie geholfen", sagt Andrea Spitzer. Kurz senkt sie den Kopf. Die Erinnerung an diese Zeit berührt noch heute. "Ein Wunder, dass er noch atmen kann" Denn es ist eine Zeit der Ungewissheit. Ein Haufen von Nichts eben. Kein Arzt kann genau sagen, wie es weitergehen wird. Nur eines scheint klar: Christian Spitzer wird nicht mehr auf eigenen Beinen stehen können. Die Halswirbel fünf und sechs sind vollständig zertrümmert. Eine verheerende Diagnose. &bdquo;Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch atmen kann", sagt seine Frau. Erst zwei Monate nach dem Unfall realisiert der Elektromeister, wie es um ihn steht, als sich der Nebel von Schmerz- und Beruhigungsmitteln gelichtet hat. Er erinnert sich genau an diesen Tag: &bdquo;Es war am 23. Juni. Der Chefarzt sagte mir: Rechnen Sie damit, dass sie nichts mehr können." Wieder dieses Nichts. Nicht laufen. Nicht sitzen. Ans Bett gefesselt. Nichts eben. Doch Christian Spitzer ist nicht der Typ, der aufgibt. &bdquo;Dann begann der Kampf. Ich wollte das nicht akzeptieren", sagt er. Der Ausdruck, der in seinen Worten mitschwingt lässt erahnen, welche Energie in diesem Mann steckt. &bdquo;Er war schon früher immer ein Macher", sagt Andrea Spitzer. Und der Unterbrandmeister im Löschzug Steinhagen macht und kämpft. Er beißt sich durch den Schmerz und erobert sich wider aller Prognosen Stück um Stück seines Lebens zurück. Freitag der 13. wird zum Glückstag &bdquo;Manchmal haben mich die Therapeuten angeschrien", sagt er und lächelt dabei. Auch sie werden gespürt haben, welche ungeahnten Möglichkeiten in diesem Mann stecken. Sie wollen sie herauskitzeln. Nur vier Wochen später kann er bereits wieder im Rollstuhl sitzen und ihn sogar selbst bewegen. Jeden Tag kommt Besuch aus der Heimat. Andrea Spitzer und die besten Freunde der Welt lassen den Kämpfer nicht allein. Gegen Corona aber können auch sie nichts ausrichten. Die Reha-Klinik in Bonn wird wegen einiger Infektionen von der Außenwelt abgeriegelt. Der Lockdown ist für Christian Spitzer eine weitere Härteprüfung. Er bringt einen Stillstand in seinem Heilungsprozess. Andrea Spitzer kämpft darum, dass ihr Lebenspartner die Maßnahme ambulant fortsetzen kann und hat schließlich Erfolg. Ein Freitag der 13. wird zum Glückstag. Kameraden vom Rettungsdienst holen ihn ab. Gut ein halbes Jahr nach seinem verhängnisvollen Unfall ist Christian Spitzer wieder zu Hause. In einer großen Spendenaktion hat die Feuerwehr für ihn gesammelt und unter anderem ermöglicht, dass notwendige Hilfsmittel angeschafft werden können. Am Montag ist ein Treppenlift eingebaut worden. "Unsere Liebe ist intensiver geworden" &bdquo;Ich habe nicht einmal gedacht, dass wir es nicht schaffen", sagt Andrea Spitzer und fügt hinzu: &bdquo;Und wenn ich merke, es ist jetzt zu viel, dann schnappe ich mir einfach den Hund und laufe eine Runde." Einfach. Ihre Liebe sei in dieser Zeit gewachsen. &bdquo;Sie ist intensiver geworden", sagt die Verwaltungsfachangestellte. Eine Liebe, die beide von Anfang an verteidigen mussten. Gegen die Vorurteile, die bei einem so deutlichen Altersunterschied schnell laut werden. &bdquo;Je mehr andere gewettert haben, desto enger sind wir miteinander verbunden worden", sagt sie. Inzwischen sind diese Stimmen verklungen. Die große Hochzeitsfeier soll im August 2022 nachgeholt werden. "Ich will wieder Autofahren" Bis dahin aber hat sich Christian Spitzer, der sich auch ein Jahr nach dem Unfall noch in ambulanter Reha befindet, weitere Ziele gesetzt. &bdquo;Ich will wieder arbeiten und auch wieder Auto fahren", sagt er. Die Überprüfung durch einen Fahrlehrer, ob das mit einem speziell umgebauten Fahrzeug wieder möglich sein wird, war positiv. &bdquo;So werde ich lenken", erklärt der 32-Jährige und lässt die rechte Hand horizontal kreisen. &bdquo;Kopf nach links, Blinker links. Kopf nach rechts, Blinker rechts", sagt er. &bdquo;Und das ist die Lichthupe", fügt er lachend hinzu und schlägt mit dem Kopf zwei Mal nach hinten. Nichts mehr können? Nicht mit Christian Spitzer. Bliebe noch die Frage nach dem 21. Mai. Dem Geburtstag seiner Frau, den sie eigentlich nicht feiern will. Christian Spitzer sieht das anders: &bdquo;Ab jetzt feiern wir beide an diesem Tag Geburtstag." Einem Macher widerspricht man besser nicht.

Meistgelesen