
Schloß Holte-Stukenbrock. Mittlerweile ist es bekannt, wer am Samstag um 24 Uhr zum Abschluss der Serengeti-Festival-Geschichte die Mainstage betritt: Der sogenannte Secret Headliner ist die Band H-Blockx.
NW-Mitarbeiter Yannick Ramsel sprach mit dem umtriebigen Frontmann Henning Wehland, der zusammen mit seinen Jungs in diesem Jahr das 25-jährige Bandbestehen feiert.
Schön, dass Du Dir heute Morgen die Zeit nimmst. Nach einem Vierteljahrhundert im Musikgeschäft ist man aber ohnehin permanent müde, oder nicht?
Henning Wehland: Das kann man schon sagen. Ich weiß aber nicht, ob es am Musikgeschäft liegt oder der Tatsache, dass ich einfach älter werde. Grundsätzlich habe ich nach wie vor sehr viel Spaß im Leben und bin froh, diesen Job ausüben zu können.
Das letzte Mal
Geburtsstunde des Serengeti-Festivals war 2006, damals noch auf dem Gelände am Gartenhallenbad.Das zehnte Festival ist zugleich das letzte, Organisator Walent Cerkez zieht aus wirtschaftlichen Gründen einen Schlussstrich.
Das Festival findet von Freitag, 14. August, bis Sonntag, 16. August, am Safaripark am Mittweg in Stukenbrock-Senne, statt.
Headliner auf der Main- stage sind Trailerpark (Freitag), Fünf Sterne deluxe (Samstag) und The Offspring (Sonntag).
Klär mich auf: Wie steht es derzeit um die H-Blockx? Auf Festivaltour seid Ihr diesen Sommer, als Studioband gibt es Euch jedoch nur noch so halb.
Wehland: Weil viele und nette Anfragen von Festivals kamen, auf denen wir teilweise schon mal gespielt haben, wollten wir diesen Zeitpunkt nutzen, die 25 Jahre Bandgeschichte für uns persönlich zu feiern. Wir haben aber nicht mehr den Drang, noch mal ins Studio zu gehen und ein Album aufzunehmen. Für mich ist mit unserem 2012er Album eigentlich ein guter Schlusspunkt gesetzt worden. Jeder von uns einzelnen Musikern hat zurzeit andere und neue Aufgaben, die Priorität haben.
Ist „Abschiedstournee“ ein gutes Wort oder klingt das zu wenig nach Rockstars?
Wehland: (lacht) Im Gegenteil! Natürlich wäre das eine Ausrede, um noch einmal mehr Fans vor die Bühne zu bekommen. Wir haben gesagt: Solange wir die Band noch zusammenraufen können, gibt es bei uns keine Auflösung, sondern nur eine Pause. Die kann kürzer oder länger ausfallen.
Ihr geltet als Crossover-Band – Euch wird ein Mix aus Rock und Hip-Hop zugeschrieben. Mir fällt es aber gar nicht so leicht, den Hip-Hop-Einfluss bei Euch auszumachen.
Wehland: (lacht) Dass es Hip-Hop als Einfluss gibt, ist, glaube ich, relativ klar, wenn man sich Songs wie „Rising High“ oder „Move“ von der ersten Platte anhört. Die Bezeichnung Crossover haben wir uns aber nicht ausgedacht. Das war irgendwann ein feststehender Begriff, der dieses Phänomen durch die Gegend tragen konnte. Wir haben immer versucht, Musik zu machen, die uns selbst begeistert und mit der wir andere begeistern konnten.
Wieso habt Ihr damals mit englischen Texten begonnen? Du hast selbst mal gesagt, dass es schwierig war, sich so durchzusetzen.
Wehland: Unsere vier ursprünglichen Bandmitglieder sind alle mit englischer Musik sozialisiert worden. Wir haben Ende der 80er Jahre hauptsächlich Faith No More, Suicidal Tendencies und die Red Hot Chili Peppers gehört. Da wir mit ihnen aufgewachsen sind, haben wir auch inhaltlich versucht, diesen Einflüssen gerecht zu werden – damals gab es nicht wahnsinnig viele Rockbands, die auf Deutsch gesungen haben. Und als Anfang der 90er Jahre der Deutsch-Hype aufkam, wollten wir uns nicht verbiegen lassen. Das war wichtig für uns.
Zur Musikbranche: Die kennst Du ja ganz gut und äußerst Dich oft zu ihr, unter anderem warst Du Manager für Boss Hoss und Pohlmann. Ist es heutzutage als Musiker schwieriger, sein Geld zu verdienen – oder einfach anders?
Wehland: Es war ein Wunsch und meine Leidenschaft, meine Fähigkeiten und Kontakte in diesem Bereich zu nutzen. Ich habe irgendwann gemerkt, dass es schwierig ist, das Kreative und das Administrative – Kunst und Kommerz, um es platt zu sagen – unter einen Hut zu bringen. Vor zwei oder drei Jahren habe ich mich dazu entschieden, mich wieder mehr kreativ zu betätigen. Mit Musik kann man immer noch gut und viel Geld verdienen – es ist aber ähnlich wie vor 20 Jahren: So etwas fällt nicht vom Himmel und ist ein großer Glücksfall. Die Branche stellt sich heute in anderen Facetten dar als noch vor 20 Jahren. Heutzutage wird das Geld eher live verdient.
Wo Du die Strukturen in der Musikbranche ansprichst: Du hast erst letztens bei Facebook einen Brief der US-Sängerin Taylor Swift geteilt, in dem sie Probleme von Streaming-Angeboten wie Apple Music anspricht.
Wehland: Ich finde es gut, dass ein 25-jähriger Superstar den Mut zusammenbringt, sich Leute zum Gegner machen, die ihre vermeintlichen Partner sein könnten. Sie macht auf ein Problem aufmerksam, dass es seit längerer Zeit mit Apple gibt, aber auch anderen großen Konzernen wie Amazon oder Google. Diese stellen eine wahnsinnig große Masse an Usern zusammen und üben so den Druck aus, ihre Geschäftsmodelle durchzudrücken. Es ging in dem Brief darum, dass Künstler, Komponisten und Textdichter ihre Werke dem Apple-Dienst für drei Monate gratis zur Verfügung stellen. Ich weiß nicht, wieso man das für eine Firma wie Apple, zudem die teuerste Marke weltweit, machen sollte.
Findest Du, dass sich auch die Festivalkultur in Deutschland in den vergangenen Jahren verändert hat?
Wehland: Ich glaube, ja. Als wir angefangen haben, war es schon das Größte für eine Rockband, auf einem Festival zu spielen. Wir haben zuerst von Jugendzentrum zu Jugendzentrum gespielt und parallel versucht, so viele Festivals wie möglich klar zu machen. In den vergangenen Jahren sind viele neue Festivals gewachsen, es sind unglaublich viele dazugekommen. Wir waren dieses Jahr auf Festivals, wo wir vor 15 Jahren noch vor 2.000 Zuschauern gespielt haben und jetzt knapp 20.000 Besucher kommen.
Apropos Festivals: Sollten Euch die anderen Bands beim Serengeti-Festival eigentlich dankbar sein?
Wehland: (lacht) Schön wärs. Das ist aber, glaube ich, zu viel des Lobes. Als wir letztens mit den Veranstaltern zusammensaßen, habe ich erst so richtig kapiert, dass wir den Jungs beim ersten Festival nach der Regenkatastrophe wohl einen großen Gefallen getan haben. Das Serengeti-Festival ist aber einfach gut. Es ist eine tolle Marke, die perfekt in die Umgebung passt – für mich ist es sehr traurig, dass es das Festival in Zukunft nicht mehr geben soll.
Gibt es Musiker, die dich faszinieren – und die vielleicht sogar auch auf dem Serengeti spielen?
Wehland: Für mich ist Bad Religion die Band schlechthin. Mit denen waren wir auch schon viel unterwegs. Die haben sich – bei allem Respekt – nie neu erfunden, sondern immer das gemacht, was kaum eine andere Band weltweit so gut kann: straighten Punkrock. Bad Religion habe ich schon lange nicht mehr gesehen und freue mich sehr auf sie. Das krasse Gegenbeispiel dazu ist meines Erachtens The Offspring, die in einem kommerziellen Bereich Punkrock in ihrer Generation neu erfinden. Diese beiden Bands gegeneinander zu stellen finde ich sehr spannend.
Du hast vor ein paar Tagen über das Serengeti-Festival gesagt: „Es gäbe keine größere Herzensangelegenheit für die H-Blockx, als noch mal richtig einen draufzumachen“. Habt Ihr einen genaueren Plan?
Wehland: Für mich hat sich in den vergangenen Jahren bestätigt, dass ich mir darüber nicht so viel Gedanken machen sollte. Das Wichtigste ist, dass die Leute im Publikum spüren, dass wir an dem Abend Bock haben, auf der Bühne zu stehen. Was mich wehmütig macht, ist das gemeinsame Feiern zum zehnjährigen Jubiläum des Festivals und 25-jährigen Jubiläum der H-Blockx, obwohl die Zukunft beider nicht wirklich gewiss ist. Das hat etwas von „auf den Gräbern tanzen“.
Ist die lockere Einstellung Altersmilde oder spricht da der Rockstar?
Wehland: Ich hoffe sowohl als auch. Altersmilde vermute ich nicht, weil ich gerade an meinem Soloalbum arbeite, was für mich eine große Verjüngungskur ist – ich fühle mich wie zu Beginn der H-Blockx. Als jemand, der 25 Jahre lang aber nicht wirklich arbeiten musste und das Privileg hatte, Musiker sein zu dürfen, habe ich gemerkt, dass diese Geschichten einfach irgendwann vorbei sind. Ich will das zu Ende geschriebene Kapitel H-Blockx in gebührendem Rahmen feiern!