
Schloß Holte-Stukenbrock. Hubert Erichlandwehr holt ein altes Micky-Maus-Heft hervor. Erschienen am 3. April 1965, seinem Geburtstag. Was dort zu sehen und zu lesen ist, nimmt Stationen seines Lebenswegs vorweg: Auf dem Cover ist Donald Duck als Mitglied eines Orchesters abgedruckt und in der Titelgeschichte gewinnt Micky Maus die Bürgermeisterwahl.
Am Donnerstag, 3. April, hat Hubert Erichlandwehr, der die Stadt 26 Jahre lang als Bürgermeister geprägt hat, seinen 60. Geburtstag gefeiert. Bei der nächsten Wahl im Herbst tritt er nicht mehr an. Die „NW“ geht mit ihm seine Lebensdekaden durch.
1965 bis 1975
Dass Hubert Erichlandwehr an seine Geburt und Taufe keine Erinnerung mehr hat, ist verständlich. Fotos seiner Einschulung existieren leider nicht, weil der Vater die Kamera zuvor in Köln in der U-Bahn hat liegen lassen. Und so schnell wurde damals so ein Gerät nicht ersetzt. Aber dass er die Schule besucht hat, ist bezeugt. Und er erinnert sich, dass rund um sein Elternhaus damals noch mehr Bäume als Häuser gestanden haben. „Ich hab eigentlich immer draußen im Wald gespielt“, sagt er. Und aufgeschlagene Knie gehabt.
Nach der Grundschule geht es mit dem Bus nach Verl zur Realschule. Und die Kommunion? Da schenkt die Oma die fast schon obligatorische Uhr und die Tante ein Rätselbuch. Das Geld spart er sich für eine Mofa auf.
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1976 bis 1985
Eine Puch X50, die mit dem dicken Tank. Alle anderen Kumpel haben die schlankeren N- oder S-Modelle und belächeln Teenager-Hubert für seine Mofa, „aber ich fand die cool“. Mit Tempo 25 geht es über die Liemker Straßen, zum Frisieren der Maschine – damals nicht selten praktiziert – reicht seine technische Fertigkeit nicht. Allzu lange hat er keine Freude an der Puch. Anderthalb Jahre später wird sie ihm auf Pollhans geklaut.

In diese Dekade fallen auch die ersten Töne auf der Trompete (mit 14 Jahren), der Wechsel zum Gymnasium Rietberg und die ersten Discobesuche bei „Dreier“ an der Kattenheide. Und die Angewohnheit, Disco-Karten zu sammeln. Mit 19 geht er zur Marine an die Nord- und Ostsee. Als Funker. Aber Morsen kann er heute nicht mehr.
1986 bis 1995
In Bielefeld nimmt Hubert Erichlandwehr sein Jurastudium auf und wird 1994 zum Rechtsanwalt zugelassen. Er besteigt zum ersten Mal ein Flugzeug. Für eine Urlaubsreise mit dem Ziel Tunesien.
Kurz nach dem Mauerfall wollen er und weitere Kommilitonen die Wendestimmung in Berlin erleben. Mitten in der Nacht fahren sie los. Ein Foto zeigt die jungen Menschen auf der Mauer.

Ein weiteres prägendes Erlebnis entsteht ebenfalls spontan. Seine Cousine hat noch Platz im Wohnmobil, sie will nach Rom zum WM-Endspiel. Karten haben sie nicht, die ergattern sie auf dem Schwarzmarkt. Dafür sind sie hautnah dabei, als Andi Brehme die deutsche Mannschaft per Elfmeter zum Weltmeister schießt.
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Und an den Mercedes 190 E seines Onkels erinnert er sich noch sehr gut. Mit dem darf er zum Dirigentenlehrgang ins Schwarzriesling-Dorf Kürnbach bei Karlsruhe fahren. Zehn Jahre lang leitet er dann das Städtische Blasorchester.
Unvergessen bleibt das folgenreiche Treffen mit Natascha, Silvesterabend 1993 in Köln. Sie nimmt mit ihren Eltern am Nachbartisch Platz – und das Schicksal seinen Lauf.
1996 bis 2005
Hochzeit, die Geburten der beiden Kinder, Hausbau, Bürgermeisterwahl – und Wiederwahl. Hubert Erichlandwehr wird als Politneuling nicht mit dem Streit in der SHS-CDU in Zusammenhang gebracht, zudem profitierte die CDU bei der Kommunalwahl 1999 auch auf lokaler Ebene vom holprigen Start des Kabinetts Schröder im Bund.
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Die Gründung des Gymnasiums und die Stadtwerdung fallen in seine erste Amtszeit. Und das erste Mal Pollhans als Stadtoberhaupt. „Ich habe anfangs viel zu lange Reden gehalten“, das sagt Hubert Erichlandwehr heute. Der damalige NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement hat sein Kommen zur Zeremonie schon zugesagt, wird Ende 2002 aber „Superminister“ in Berlin und schickt Staatssekretär Wolfgang Riotte zur Urkundenverleihung.
2006 bis 2015
Ein weitaus prominenterer Gast kommt 2015 und hinterlässt bleibende Spuren. Bundespräsident Joachim Gauck besucht anlässlich des 70. Jahrestages der Stalag-Befreiung den Ehrenfriedhof und stößt damit den Ausbau der Gedenkstätte an. „Das war schon ein beeindruckendes Ereignis“, sagt Hubert Erichlandwehr. Im selben Jahr beginnt die sogenannte Flüchtlingskrise. Angela Merkel und ihr berühmtes „Wir schaffen das“. SHS gibt Geflüchteten in der Polizeischule eine Unterkunft und anschließend in einer eigens errichteten Zeltstadt.

Wenige Jahre zuvor erlebten Natascha und Hubert Erichlandwehr als Regenten der St.-Michael-Schützen Liemke „ein tolles Jahr“ ohne Ausrutscher auf dem Parkett. Seinen Tanzkurs hatte Erichlandwehr bis zur Stufe Gold durchgezogen.
2016 bis 2025
Das prägende Ereignis dieser Zeit ist – nicht nur für den Bürgermeister – die Corona-Pandemie. Hubert Erichlandwehr gehört neben weiteren Verwaltungsmitgliedern zu den ersten Infizierten. Zwei Drittel der Verwaltung werden nach Hause geschickt. Ohne die heutigen Kommunikationswege eine organisatorische Herausforderung. Seinen Geburtstag feiert er damals in Quarantäne – den heutigen beinahe: nur im kleinen Kreis.
In der Familie wird ein neues Kapitel geschrieben. Die beiden Kinder Helena und Tristan ziehen aus dem Elternhaus und machen einen weiteren Schritt in die Selbstständigkeit. In den ehemaligen Kinderzimmern wird nun Sport getrieben und Kleidung aufgehängt.
2026 plus
Erst einmal ist Durchatmen angesagt. Die vielen Termine in den Abendstunden und an den Wochenenden hinter sich lassen. Und vielleicht mal in alten Comics blättern. Aber ohne Beschäftigung wird Hubert Erichlandwehr nicht bleiben. Dafür hat er noch viel zu viel Energie.