So fing der Streit um den Ortsnamen in Schloß Holte-Stukenbrock an

Schloß Holte-Stukenbrock. Schloß Holte-Stukenbrock feiert in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen. Vor allem jetzt im Karneval müssen die Bewohner der jeweils anderen Ortsteile ein paar deftige Seitenhiebe einstecken. Darüber können sie meistens lachen, in der Anfangszeit wurden derartige Spitzen ernster genommen. Von einer Liebeshochzeit kann nämlich keine Rede sein. Ende der 60er Jahre haben die Orte versucht, den Zusammenschluss zu einer Großgemeinde zu verhindern. Doch der richtige Ehezoff folgte etwa ein Jahr nach der unvermeidlichen Fusion: Ein Streit um den Namen entbrannte. Am 1. Januar 1970 trat das Wiedenbrück-Gesetz in Kraft. Die neue Großgemeinde wurde dem Landkreis Bielefeld zugeordnet und hieß Schloß Holte-Stukenbrock. Doch der Name sollte nicht von Dauer sein. Als die Bürger sich so langsam mit der Neugliederung abgefunden zu haben schienen, empfahl der Städte- und Gemeindebund NRW, den Namen zu ändern. Dringend. Er bezog sich auf einen Erlass des Bundespostministers. Der Bindestrichzusatz sollte entfallen und der Ort nicht mehr als 16 Buchstaben haben. &bdquo;Wegen der allgemeinen Entwicklung zur Automation und auch im Interesse der vielen Firmen, die mit EDV-Anlagen arbeiten“, schrieb NW-Redakteur Dieter Burkamp am 7. November 1970. Und weil abzusehen war, dass die Schloß Holter nicht Stukenbrocker und die Stukenbrocker nicht Schloß Holter heißen wollten, kamen Alternativnamen ins Spiel. Weniger ernst gemeinte Vorschläge lauteten Schloßbrock, Stukenholte, Brockholte, Holtebrock, Schloß Emsbrock, Emswalde und Teutoburg. Die SPD brachte – ernst gemeint – Mergelheide ins Spiel, der Verkehrsverein Stukenbrock den Namen Emsborn; den lehnte aber der Verkehrsverein Schloß Holte erbost in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 14. November 1970 ab und votierte selbst für Schloß Holte. Damit standen die beiden Favoriten fest. In seiner Sitzung am 30. Dezember 1970 musste der Gemeinderat über Schloß Holte und Emsborn abstimmen. Und diese Sitzung hatte es in sich. 300 Zuhörer verfolgen die Debatte im Scheipshofer Krug Kurz zuvor war ein anonymes Flugblatt verteilt worden. Der Verfasser wurde im Raum Stukenbrock vermutet. &bdquo;Um des lieben Friedens Willen“, hieß es dort. &bdquo;Wählt einen neutralen Namen.“ Der Name Emsborn fand in Stukenbrock Anklang und prominente Fürsprecher, unter anderem den damaligen VHS-Vorsitzenden Manfred Büngener. 300 Zuhörer kamen zur Sitzung in den &bdquo;Scheipshofer Krug“, viele mussten in den hinteren Reihen stehen. Einige hatten Spruchbänder mitgebracht. &bdquo;Endlich Neubeginn mit neuem Namen. Darum Nein zu Schloß Holte und Nein zu Stukenbrock“, war unter anderem zu lesen. Bürger aus Stukenbrock schienen bei der Schicksalsversammlung in der Mehrheit zu sein. Das wurde auch in der Debatte der Politiker deutlich. Die Mehrheit der Redner sprach sich für Emsborn aus, Befürworter des Namens Schloß Holte wurden ausgepfiffen und mit Pfui-Rufen bedacht. Umso überraschender war das Ergebnis. Das sagen die Politiker Georg Dresselhaus (CDU, Schloß Holte) brach eine Lanze für Schloß Holte, &bdquo;weil Holte kultureller Mittelpunkt ist“. Auch für die Geschäftswelt (Änderung bei Post und Bahn) würden dann keine Kosten entstehen. Das sah Heinrich Otto (CDU, Schloß Holte) ähnlich: &bdquo;Der neue Ortskern wird auf Stukenbrocker Gelände entstehen. Da können die Stukenbrocker uns doch so weit entgegenkommen und unseren Vorschlag akzeptieren.“ Das wurde mit Missfallensäußerungen im Saal quittiert, hielt Redakteur Dieter Burkamp fest. Werner Kranz (SPD, Stukenbrock) forderte: &bdquo;Neuer Anfang, neuer Name.“ Sein Vorschlag, eine Volksbefragung durchzuführen, erhielt Beifall. Josef Zellermann (CDU, Stukenbrock): &bdquo;Wir wollen endlich einen Neubeginn und sind auch bereit, auf alle Zeiten auf den Namen Stukenbrock zu verzichten.“ Über das Schloss sagte er: &bdquo;Das Schloss hat doch stets einen Dornröschenschlaf geführt. Es hat doch schon seit Jahrzehnten nasse Füße. Wir sollten endlich von alten Dingen Abstand nehmen.“ Theo Peters (CDU, Stukenbrock) reimte: &bdquo;Wenn Schloß Holte und Stukenbrock sich küssen, sie ihre Namen büßen müssen; welcher Name bringt keinen Zorn, meiner Meinung nach: nur Emsborn.“ Gelächter im Publikum, ein Zwischenrufer forderte: &bdquo;Theo in die Bütt!“ Abgestimmt wurde auf Antrag von Georg Tarras (FWG, Schloß Holte) geheim. Die CDU hatte damals 23 Sitze, die SPD 8 und die FWG 2. Ein SPD-Mann fehlte an dem Abend. Das Zünglein an der Waage waren offenbar die Vertreter aus Sende. Die Schloß Holter und Stukenbrocker stellten damals je 13 Abgeordnete, die Sender sechs. Als nach dreistündiger Debatte verkündet wurde, dass die Ratsmitglieder mit 18 zu 14 Stimmen den Namen Schloß Holte gewählt hatten, fanden tumultartige Szenen statt. »Das könnt ihr nie wieder gutmachen« Eine Zuschauerin soll gerufen haben: &bdquo;Das könnt Ihr nie wieder gutmachen!“ Eine andere soll den Raum verlassen haben mit den Worten: &bdquo;Ihr sollt euch schämen. Schämen sollt Ihr euch.“ NW-Redakteur Dieter Burkamp hat berichtet: &bdquo;Einige Zuschauer bewarfen die Ratsherren mit Bierdeckeln und Flaschenverschlüssen. Schließlich ergriff die aufgebrachte Zuhörermenge die Flucht, als am Saaleingang eine Stinkbombe gezündet wurde.“ Am 4. Januar 1971 legte CDU-Fraktionschef Karl Strughold aus Stukenbrock, der für Emsborn gestimmt hatte, sein Amt nieder. Von einem offenen Bruch der Fraktion war die Rede. Wolfgang Raba aus Stukenbrock schrieb einen offenen Brief an den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rainer Barzel: &bdquo;Sie wollten wissen, (...) dass in Ihrem Wahlkreis zum zweiten Mal die CDU-Fraktion in einer wichtigen Beschlussfassung auseinanderbricht.“ Das erste Mal war bei der Wahl des Bürgermeisters Karl Oesterwalbesloh. Die Stukenbrocker veranstalteten eine Bürgerversammlung im Forellkrug, zu der 500 Leute kamen. Tenor: Das Vertrauen in den Bürgermeister sei gebrochen. Er hätte die geschäftlichen und privaten Interessen der Ratsherren unterbinden müssen. Von einer List war die Rede. Eine überregionale Boulevardzeitung stieg daraufhin in die Berichterstattung ein und titelte: &bdquo;Krieg und Frieden in Westfalen ...“ Der Druck der Bürger wuchs. Eine Resolution mit 3.400 Unterschriften, Protestschreiben und Leserbriefe wurden verfasst. Auch wurde ein Verfahrensfehler angemerkt – die Abstimmung hätte nicht geheim stattfinden dürfen. Der Gemeinderat beschloss daher am 25. Januar 1971, nach den Sommerferien erneut über den Ortsnamen zu beraten. So lange sollte die Gemeinde provisorisch Schloß Holte-Stukenbrock heißen. Bekanntlich blieb es dabei.

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