Schloß Holte-Stukenbrock

Zombie-Geisterbahn: So fühlt es sich an, Menschen zu erschrecken

NW-Volontär Noah Matzat ist für einen Tag in der Geisterbahn unterwegs - als menschlicher Erschrecker

Zum Fürchten: NW-Volontär Noah Matzat versucht sich als menschlicher Erschrecker in der Geisterbahn „Zombie". Mit Verkleidung durfte er die Fahrgäste im Innenraum der Geisterbahn zum Kreischen bringen. | © Patrick Herrmann

Noah Matzat
22.10.2018 | 22.10.2018, 10:24

Schloß Holte-Stukenbrock. Es ist ein ungewohntes Bild, wenn man so früh über den Pollhansplatz geht. Es ist vor elf Uhr, wenige Menschen schlendern schon vorbei an den abgeschlossenen Buden. Erst langsam erwacht Pollhans zum Leben: Händler sortieren ihre Ware, andere fegen vor ihrem Stand, während wieder andere die Lichter und die Musik ihrer Fahrgeschäfte anschalten. So wird auch die Geisterbahn „Zombie" geöffnet und ich kann meine Schicht antreten, denn ich teste mich als menschlichen Erschrecker in der Geisterbahn.

Ich gehe zum Betreiber. „Zombie" ist die einzige Geisterbahn, die es über die Pollhanstage auf dem Platz gibt. Hans Otto Grass ist die vierte Generation einer Schaustellerfamilie und hat den Betrieb vor 15 Jahren übernommen. Mit der Geisterbahn ist Grass in ganz Deutschland unterwegs, mit seinem Autoscooter bleibt dagegen eher in seiner Heimat um Düren.

Figuren aus Horrorfilmen und Gruselgeschichten

Die erste typische Geisterbahn entstand 1933 im Vergnügungspark „Wurstelprater" in Wien. Das „Geisterschloss" wurde nach dem Krieg neu eröffnet und ist bis heute in Betrieb. Die Geschichte der Gruselbahnen geht aber noch weiter zurück. Schon 1898 gibt es im „Wiener Prater" Grottenbahnen. Der Unterschied: Grottenbahnen thematisieren Figuren aus Märchen, Sagen und Geschichten, während Geisterbahnen eher auf Figuren aus Horrorfilmen und Gruselgeschichten setzen.

Ich bin also früh an der Gruselbahn. Mitarbeiter von Hans Otto Grass sind schon an dem Fahrgeschäft, schließen Türen und Kassenhäuschen auf, schrauben hier noch eine Figur an und befüllen dort die Nebelmaschine. Grass geht mit mir hinter die Bahn. Vorbei an Pausenwagen, die an Bauwagen erinnern, führt er mich zu einer kleinen stählernen Treppe, die zu einer weißen Wellblechtür führt. Dahinter versteckt sich schon das Areal, in dem ich mich aufhalten und bewegen darf.

Um mich einzuweisen, macht er kurz das Licht an. So kann ich mir den Raum genauer angucken. Die Schienen führen in einer S-Kurve durch den Raum. Die Wagen kommen durch große Plastik-Vorhänge hereingefahren, so dass kein Fahrgast vorher schon sehen kann, was ihn erwartet. Der Raum eignet sich gut zum Erschrecken. Die Strecke führt zweimal an ihm vorbei, so dass ich am Anfang und kurz vor Ende der Fahrt erschrecken kann.

Es riecht nach Öl und dem Nebel der Nebelmaschine

Grass zeigt mir kurz, wo Verkleidungsstücke liegen und lässt mich allein. „Nicht zu nah an die Schienen kommen. Die Wagen sind etwas breiter als die Schienen an sich", sagt er zum Abschied. Es riecht nach Öl und nach dem Nebel aus der Nebelmaschine. Ich entscheide mich für eine Maske, einen weißen Kittel und eine alte schrumpelige Gummihand.

Jetzt heißt es erstmal warten. Denn so früh am Tag ist die Bereitschaft Geisterbahn zu fahren anscheinend nicht so groß. Ich warte zusammen mit Silviu Menyhart, der in voller Verkleidung in den Raum kommt. Er arbeitet seit zehn Jahren als Schausteller und kommt ursprünglich aus Rumänien. Weil Leute ausgefallen sind, arbeitet er für Pollhans als Erschrecker, sonst ist er eher für den Autoscooter zuständig.

Dort gibt es regelmäßig Schlägereien

Er ist gerne Schausteller. „Ich komme viel rum, wir sind alle zwei Wochen quasi woanders", sagt er. Es gibt aber nicht nur schöne Seiten. „Gestern sind zwei Menschen aufgestanden aus dem Wagen und haben meinen Kollegen geschlagen." Warum weiß Menyhart nicht. Aber beim Autoscooter sei das noch extremer. Dort gibt es regelmäßig Schlägereien, sagt Silviu Menyhart.

Es geht ein Ruck durch die Geisterbahn. Silviu Menyhart gibt mir ein Zeichen. Er zieht sich seine Maske über das Gesicht, ich tue es ihm nach. Ich höre die Schreie der Fahrgäste, sie kommen näher. Der Wagen poltert über die Strecke, es öffnet sich eine Tür zu meiner Linken. Das bedeutet in wenigen Sekunden muss ich den richtigen Moment abpassen, um die beste Wirkung zu erzielen. Irgendwie steigt bei mir der Puls, als wenn ich gleich erschreckt werden würde.

Ich brülle, schreie und stürze mich auf den Wagen

Ich brülle, schreie und stürze mich auf den Wagen, die Menschen kreischen. Sie haben keinen menschlichen Erschrecker erwartet. Ich ziehe mich schnell wieder zurück und warte auf meine nächste Chance, denn der Wagen muss ja noch mal an Silviu Menyhart und mir vorbei. In seinen Erschreckungen steckt eine Routine, die ich nicht habe. Wird ein Mensch erschreckt, setzt sich sein instinktiver Überlebensmechanismus in Gang. Der Organismus versucht durch seine Reaktion – schließen der Augenlider, Anspannen der Muskeln – das Risiko für Verletzungen zu verringern.

Wieder höre ich die Schreie auf mich zu kommen und sehe wie der Plastikvorhang von den Wagen beiseitegeschoben wird. Diesmal habe ich ein anderes Gefühl. Es ist eine gewisse Vorfreude. Es ist die Vorfreude, die jeder kennt, der früher seine Schwester oder seinen Bruder erschreckt oder demjenigen einen Streich gespielt hat. Ja, es macht sogar Spaß, jetzt wo es immer mehr Fahrgäste werden. Nur ein Problem gibt es: Durch das Schreiben, Grummeln und Brüllen werde ich schon fast heiser. Ganz Pollhans hätte meine Stimme nicht mitgemacht.