
Schloß Holte-Stukenbrock. Es ist Tradition und Teil der deutschen Kultur. Das Schützenwesen. Aber der Werte-Dreiklang des Schützenwesens „Glaube, Sitte, Heimat" müsste neu sortiert werden – in „Heimat, Sitte, Glaube". Das ist ein Ergebnis einer Online-Befragung der Universität Paderborn, an der sich Schützen und Nicht-Schützen beteiligt haben.
Die Studie befasst sich unter dem Titel „Tradition im Wandel" mit dem Schützenwesen in Westfalen. Die sinkende Bedeutung des Glaubens im Leben vieler Menschen ist eines der Ergebnisse, bei denen nicht nur die Vorstände von Schützenvereinen aufhorchen.
Noch keine Nachwuchsprobleme in Schloß Holte-Stukenbrock
Viele Vereine, auch im Kreis Gütersloh und im Kreis Paderborn, haben zusehends mit der fehlenden Bereitschaft für ehrenamtliche Arbeit zu kämpfen. Sie erleben eine Überalterung der Mitgliedschaft und sehen sich mit immer komplexeren Auflagen konfrontiert. Speziell in Schloß Holte-Stukenbrock hingegen sehen sich die Schützenbruderschaften im Nachwuchsbereich gut aufgestellt.
Die vor wenigen Tagen in Auszügen veröffentlichte Studie wird auch von ihrem Auftraggeber ausgewertet. Die Warsteiner Brauerei hat die Paderborner Forscher damit beauftragt, herauszufinden, wie es ums Schützenwesen steht und wie der Fortbestand gesichert werden kann. Denn während die Vereine schon aus ihrem Selbstverständnis heraus überleben wollen, haben auch diejenigen ein handfestes Interesse daran, die wirtschaftlich von Schützen und ihren Festen profitieren. Zum Beispiel Brauereien.
Mehrheit wünscht sich Frauen in Uniform
Im Zentrum für Risikomanagement an der Universität Paderborn hat Student Jonas Leineweber (24) aus Schwaney zuletzt an der Online-Befragung mitgearbeitet. Er ist froh, eine „valide Datenbasis" präsentieren zu können. 5.470 Teilnehmer seien „überragend für eine wissenschaftliche Studie".
Während sich die meisten Vereine laut Leineweber noch nicht für Frauen als Schützen geöffnet haben, ist genau dieser Punkt für viele Befragte wichtig. Eine Mehrheit von 55 Prozent wünscht sich Frauen in Uniform. Immerhin 29 Prozent sind gegen die Aufnahme von Frauen.
Jüngere stehen mehr auf Orden und Uniform
Die „Zivilgesellschaft in Zahlen", eine Gemeinschaftsinitiative von Stifterverband, Bertelsmann-Stiftung und Fritz-Thyssen-Stiftung, hat das Vereinssterben in Deutschland untersucht. 15.547 Vereine haben sich im vergangenen Jahrzehnt im ländlichen Gebiet aufgelöst. Dazu kommt, dass fast jeder vierte Verein in Dörfern und kleinen Gemeinden Rückgänge bei der Zahl der engagierten Mitglieder feststelle.
Die aktiven Schützenvereine in SHS haben noch keine Probleme. Die Schützenbruderschaft Stukenbrock kann alleine im laufenden Jahr 40 Neuaufnahmen zählen. „Davon ist der überwiegende Teil, so ungefähr 25 bis 30 Leute, aus den Jahrgängen 1990 bis 2000", sagt 1. Brudermeister Ulrich Teipel. Allerdings gebe es im Vereinsleben immer verschiedene Phasen. „Vor drei oder vier Jahren sahen die Zahlen schlechter aus."
Neuer DJ
Der Verein versuchte unter anderem, mit einer Neuausrichtung des Schützenfestes entgegenzuwirken. Das habe Wirkung gezeigt, sagt Teipel. Ein anderer DJ, ein anderer Organisator – das habe geholfen. Um junge Menschen in den Verein zu lotsen und so den Nachwuchs zu fördern, setze man auch auf eine ausführliche Jugendarbeit mit Freizeitfahrten und Festen. Außerdem gebe es einen Aufwind, sobald sich ein Jungschütze für ein Bezirks- oder sogar Bundesschießen qualifiziert.
Ähnlich positiv sieht es bei den Schützen aus Stukenbrock-Senne aus. Frank Hachmann, 1. Brudermeister, sagt: „Bei uns sieht es relativ gut aus, was die Jugend angeht." Aktuell seien 134 Jungschützen im Verein aktiv. Frauen hätten noch kein Bedürfnis bekundet, bei den Altschützen mitzumarschieren. Bei den Jungschützen und der Schießgruppe machen sie aber ganz normal mit, sagt Hachmann. Frauen können noch in der Abteilung der Fahnenschwenker mitmachen oder im Musikzug. Zu den Altschützen der Bruderschaften gehören aber nur Männer und nur Männer dürfen an dem Königsschießen teilnehmen.
Junge Könige in Liemke
Auch die Schützenbruderschaft Liemke hat mit dem Nachwuchs keine großen Probleme. Im Juli waren 110 Jungschützen registriert. Auf dem Königsthron regiert ebenfalls der eigene Nachwuchs, löste der 33-jährige Matthias Joachim doch den 29-jährigen Martin Lüke ab.
Auffällig ist bei den Umfrageergebnissen die Wahrnehmung des sozialen Engagements von Schützenvereinen. Während 90 Prozent der Mitglieder meinen, dass der Einsatz für die Gemeinschaft zu Schützen „passt" oder sogar „stark passt", sehen dies nur 68 Prozent der Nicht-Mitglieder so. Mit einer veränderten Kommunikation könne das Schützenwesen hier seinen Ruf aufwerten, sagt Jonas Leineweber.
Laut der Studie tendierten Befragte unter 35 Jahren eher zu konservativeren Positionen. So seien der jüngeren Altersgruppe Orden und Uniformen wichtiger als der älteren. Leineweber, in seiner Heimat Schwaney selbst Jungschützenmeister, vermutet, dass Schützen-Anfänger besonders die Anerkennung, Orientierung und Strukturierung attraktiv finden, die solche Insignien und das hierarchische Schützenwesen bieten können.
Weniger ausgeprägt ist dagegen wohl auch bei ihnen das Interesse am Thema „Glaube". Nur knapp 40 Prozent aller Befragten finden ihn relevant für ihr tägliches Leben, während die Werte „Sitte" – von den Forschern übersetzt mit Gewohnheit/Tradition – von 70 Prozent und „Heimat" von 90 Prozent positiv bewertet werden.
Weitere Details der Befragung werden Schützenvereinen Anfang 2019 durch Uni und Warsteiner Brauerei vorgestellt.
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Was Vereine tun können