Junge Gründerinnen aus dem Kreis Gütersloh: Neuartige App könnte vielen Menschen helfen

Frau Emde, Frau Bittner, eine der spannendesten Fragen muss ich zuerst loswerden. Was steckt hinter dem außergewöhnlichen Namen &bdquo;Nalei“? Alina Emde: Nalei leitet sich aus den Worten &bdquo;nicht allein“ ab - und das ist unser Grundgedanke hinter dem Projekt. Wir wollen Menschen mit unserer App vermitteln, dass sie nicht allein mit ihren Problemen und Herausforderungen sind. Sondern, dass es Menschen gibt, die das Gleiche erlebt haben und ihnen zuhören. Ihre App richtet sich an Menschen, die sich in psychischen Ausnahmesituationen oder Krisen befinden – etwa bei Depressionen oder Angstzuständen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Alina Emde: Tatsächlich haben wir beide negative Erfahrungen in der Kindheit und Jugend gemacht. Bei mir war es eine Essstörung. Mit 14 Jahren bin ich in die Bulimie reingerutscht. Ich habe nicht getraut, meiner Familie oder meinen Freundinnen davon zu erzählen, weil ich mich so sehr geschämt habe. Ich habe so mit meinem Problem jahrelang alleine gekämpft. Wie haben Sie es schließlich aus der Essstörung hinaus geschafft? Alina Emde: Ich habe nach meinem Studium noch eine Ausbildung zum Systemischen Coach gemacht. Dadurch habe ich mich viel mit Selbstentwicklung beschäftigt und konnte das Thema lösen. Ich bin stolz, dass ich den Kampf gegen die Bulimie alleine gewonnen habe – aber ich hätte in dieser Zeit oft Unterstützung gebraucht. Mein Scham war jedoch damals zu groß und ich wusste auch nicht, wohin ich sollte. Celine Bittner: Ich hatte während meiner Kindheit und Jugend viel mit familiären Herausforderungen zu kämpfen, wodurch ich gewisse Zwänge und Ängste entwickelt habe. Erst als ich älter geworden bin, habe ich reflektiert und verstanden, dass diese Probleme die Auslöser für meine Ängste waren. Unser dritter Co-Founder Rafael hat ADHS und Angstzustände. Er hatte Probleme, einen passenden Therapieplatz in Deutschland zu finden, da er ursprünglich aus Brasilien kommt. Schlussendlich musste er auf eine digitale Therapiesitzung aus Brasilien zurückgreifen. Wie wollen Sie mit &bdquo;Nalei“ Menschen helfen, die Ähnliches durchmachen? Alina Emde: Wir sind drei von etwa 18 Millionen Menschen in Deutschland, die von einer psychischen Erkrankung betroffen sind. Die Dunkelziffer ist leider noch weitaus höher. Auf einen Therapieplatz wartet man aber mindestens fünf Monate - Zeit, in der schon viel verloren gehen kann. Und genau das wollen wir verhindern. Celine Bittner: Viele Menschen trauen sich ja auch gar nicht, sich überhaupt um einen Therapieplatz zu kümmern oder sie haben keine Kraft dafür. Wir organisieren mit unserer App schnelle, unkomplizierte Hilfe. Und ganz wichtig: günstige Hilfe. Hilfe bei Winterdepression: Gütersloher Experte erklärt, wie Sie sich am besten schützen Wie funktioniert Ihre App? Celine Bittner: Wie verbinden Betroffene, die aktuell Symptome einer psychischen Erkrankung aufweisen, mit Helferinnen und Helfern. Dahinter stecken Menschen, die selbst schonmal mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten, jetzt aber mental stabil sind. Gegebenenfalls haben sie sogar schon eine Therapie hinter sich. Alina Emde: Betroffene melden sich bei uns mit einem anonymen Profil an. Sie geben an, unter welchen Symptomen sie leiden. Durch einen Algorithmus startet dann die Suche nach einem passenden Helfer. Vom Prinzip ein bisschen wie bei der Dating-App &bdquo;Tinder“. Sehen bei Ihnen auch alle Nutzer die Profile samt Foto und Daten? Celine Bittner: Ganz klar: nein! Unsere Profile sind komplett anonym. Wir arbeiten nur mit Initialien, Profilfarben, Geschlecht und Altersgruppen. Es gibt kein Profilfoto oder Avatar. Die persönliche Geschichte sowie die angegebenen ’No Gos’ stehen im Fokus. Wir möchten, dass die Grenzen eines jeden eingehalten werden und von Anfang an klar kommuniziert sind. Alina Emde: Betroffene und Helfer können dann Textnachrichten austauschen - ähnlich wie bei Whatsapp. Aber auch Sprachnachrichten oder Video-Anrufe sind möglich. Alle Funktionen laufen übers Internet. Wir arbeiten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mit Handynummern. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Nalei- Du bist nicht allein 🧡 (@nalei_nichtallein) Kann jeder Helfer werden oder gibt es da ein spezielles Auswahlverfahren? Alina Emde: Für Betroffene soll die Anmeldung so einfach wie möglich sein; bei den Helfern ist es aber etwas anspruchsvoller. Potenzielle Helfer durchlaufen einen dreistufigen Anmeldeprozess. Diesen haben wir gemeinsam mit einem psychologischen Beirat entwickelt. Dabei füllen Helfer online einen Motivations- und einen Selbsteinschätzungsbogen aus, bei dem es um ihre Kompetenzen wie Empathie oder Vorurteilsfreiheit geht. Celine Bittner: Wenn in diesem Schritt gewisse Fragen schon nicht den Erwartungen entsprechend beantwortet wurden, dann werden diese Personen nicht zugelassen. Wenn aber alles passt, dann gibt es noch ein digitales Interview mit uns. Zusätzlich dazu gibt es ein E-Learning mit Handlungsleitfäden für Krisensituationen, Bewältigungsstrategien und eine Kontaktliste mit Hilfsinstitutionen. Darauf können die Helder jederzeit zugreifen. Themenseite: Spannende Gründer und Start-Ups aus dem Kreis Gütersloh Kann man die &bdquo;Nalei“-App aktuell schon nutzen? Alina Emde: Wir befinden uns gerade in einer Testphase. Die ersten 35 Helfer haben wir schon gefunden. Sie probieren gerade fleißig alle Funktionen aus. Wir sind aber auf der Suche nach weiteren Helfern. Wir müssen erstmal eine große Gruppe an Helfern aufbauen, bevor wir die App freigeben können. Nur so können wir sicherstellen, dass dann auch wirklich jedem Betroffenen bei uns geholfen werden kann. Betroffene können sich bereits auf unserer Warteliste eintragen. Wie finanzieren Sie das ganze Projekt? Alina Emde: Wir haben als Start-Up schon zwei Förderungen erhalten, auf die wir ziemlich stolz sind. Vor allem weil wir zwei Frauen sind und das in der Gründerszene immer noch etwas Besonderes ist. Durch die finanzielle Unterstützung können Celine und ich beide in Vollzeil für &bdquo;Nalei“ arbeiten. Wie wollen Sie Ende verdienen? Celine Bittner: Die Betroffenen werden pro Interaktion eine geringe Summe bezahlen; beispielsweise pro Nachricht oder Audio. Sie zahlen also nur das, was sie wirklich nutzen. Dieser Betrag geht an die Helfer, die dann selbst entscheiden können, ob sie sich das Geld auszahlen lassen, es spenden oder selbst nutzen. &bdquo;Nalei“ würde vorab davon eine Provision nehmen. Die genauen Summen stehen aber noch nicht fest. Alina Emde: Wir möchten Betroffene nicht unnötig an ein Abonnement binden. Sie sind manchmal in einer Phase, in der es ihnen so extrem schlecht geht, dass eine solche Hürde zu groß wäre. Wir wollen eine faire Preisgestaltung haben.

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