Händler verabschiedet sich von Wochenmarkt im Kreis Gütersloh: Familientradition endet

Rheda-Wiedenbrück. Vor 70 Jahren war es Franz Roer, der den Wochenmarkt in Rheda mitbegründet hat. Sein Schwiegersohn Ewald Roer blickt auf eine 45-jährige Geschichte als Marktbeschicker zurück. So lange verkauft er Kartoffeln, Zwiebeln, Eier und mehr. Am 22. Juni ist damit Schluss. &bdquo;Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an - jetzt kommt der Genuss“, sagt Ewald Roer augenzwinkernd. Er freut sich auf den Ruhestand. Immerhin hat er sehr lange bei Wind und Wetter, bei schönstem Sonnenschein und beißendem Frost, mittwochs und samstags, das ganze Jahr über seinen Stand auf dem Rhedaer Wochenmarkt aufgebaut. Und das immer gerne - auch dann, wenn seine Kegelbrüder freitagabends launig betonten, dass sie ja am nächsten Tag länger liegen bleiben könnten. Ewald Roer, geborener Hartmann, wird der Abschied auch schwer fallen. Denn damit endet die Familientradition des landwirtschaftlichen Betriebs Roer vom Grenzweg in Clarholz. Nicht nur der Markt, auch die Direktvermarktung in Clarholz wird aufgegeben 1954 fuhr sein heute 97-jähriger Schwiegervater Franz mit einem 98er-Miele-Moped und einem selbst gebauten Anhänger die Eier seiner 60 frei laufenden Hühner und Kartoffeln zum Doktorplatz. Später kam Gemüse hinzu, auch &bdquo;Berge von Blumenkohl aus eigenem Anbau“. Für den Transport wurden erst Pferd, dann Trecker mit Anhänger und später ein Ford-Kombi benutzt. Wegen der Familientradition war es die Idee, dass Manuel Roer, der samstags auf dem Markt hilft, den Stand ganz übernimmt. "Doch nach Corona, wo es hier noch mal richtig toll lief, wird es gerade mittwochs immer weniger“, sagt Ewald Roer. Zumal sein 36-jähriger Sohn eine gute Arbeit als Feinwerkmechaniker hat. &bdquo;Also war es eine gemeinschaftliche Entscheidung den Markt aufzugeben“, erzählt Ewald Roer. Auch die Direktvermarktung in Clarholz gibt es künftig nicht mehr. &bdquo;Wir machen auf zehn Hektar nur noch ein bisschen Ackerbau.“ Student übernimmt Bulli und Anhänger sowie den Kundenstamm Eine gemeinschaftliche Entscheidung war es auch für Familie Wöstmann, in Roers Fußstapfen zu treten - nach etwa drei Wochen Überlegungszeit. Nico Wöstmann übernimmt Bulli und Anhänger, Kundenstamm und Know-How. Ab 6. Juli ist er samstags Markthändler, schon jetzt hilft er am Stand. Mittwochs aber sitzt er im Hörsaal. Denn der 22-Jährige studiert Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Soest im zweiten Semester. Nach dem Abitur in Harsewinkel hat er Landwirt gelernt, auf dem Hof seiner Eltern Karin und Norbert an der Groppeler Straße in Herzebrock, auf dem Kartoffelhof Buhne in Vohren und auf dem Biolandhof Strotdrees in Harsewinkel. Als Schüler hat er ein Praktikum als Markthändler gemacht. Familie Wöstmann bewirtschaftet eine Fläche von 68 Hektar &bdquo;Der Kontakt mit Kunden und der Verkauf machen mir Spaß“, sagt Nico Wöstmann. Das kennt er auch aus dem Hofladen seiner Familie. Dem 22-Jährigen gefällt auch, an der Lieferkette des Gemüses beteiligt zu sein, vom Pflanzen über Pflege bis zu Ernte und Verkauf. Seine Familie bewirtschaftet 68 Hektar, auch grünen Spargel baut sie an. Ein &bdquo;kleines Standbein“ sei die Schweinezucht mit 90 Tieren, sagt Norbert Wöstmann. Er zeigt auf den Stand Lückenotto auf dem Rhedaer Markt, wo das Fleisch seiner Schweine verkauft wird. Auf 14 Hektar wachsen bei den Wöstmanns an der Groppeler Straße acht bis zehn Sorten Kartoffeln. Die verkauft auch Ewald Roer. Man kennt sich also, schon lange. Ewald Roer sichert seinem Nachfolger bereits Unterstützung zu &bdquo;Angeboten habe ich meinen Stand nicht“, sagt der 66-Jährige. Vielmehr sei Familie Wöstmann auf ihn zugekommen, als sie hörte, dass er in den Ruhestand geht. &bdquo;Dass das so einfach geht, hätte ich nicht gedacht - das ist für beide Seiten eine glückliche Geschichte.“ An deren Fortsetzung wirken Nico Wöstmanns Eltern mit. Sie werden ihrem Sohn samstags in Rheda helfen, &bdquo;hauptsächlich ich“, sagt seine Mutter. Auch Ewald Roer sichert seinem jungen Nachfolger seine volle Unterstützung zu. Aus alter Verbundenheit würde er hinter dem Stand stehen und verkaufen, &bdquo;wenn mal einer fehlt“. Langjähriger Händler will künftig Besucher auf dem Rhedaer Markt sein Sonst wird der 66-Jährige eher Zaungast auf dem samstäglichen Markt werden. Er stellt sich vor, mal mit dem Fahrrad zu kommen, sich auf einer Bank an der Stadtkirche niederzulassen und zuzugucken. Dann wird er sicher auch mit dem ein oder anderen seiner Kundinnen und Kunden ein Pläuschchen halten - so wie in den letzten 45 Jahren. Als die Leute, die sich bei Roer mit Eiern, saisonalem Gemüse und Obst versorgen, erfuhren, dass er aufhört, habe es oft geheißen: &bdquo;Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ Das hat sich geändert, seit der 66-Jährige der Kundschaft samstags seinen 22-jährigen Nachfolger präsentieren kann. &bdquo;Das ist ein ziemlich gutes Gefühl.“

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