Urteil nach Zirkus-Streit im Kreis Gütersloh: Chef muss ins Gefängnis

Rheda-Wiedenbrück. Drei Mitglieder einer Zirkusfamilie sind am Montagnachmittag wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Bielefeld verurteilt worden. Eine vierte Angeklagte bekam wegen Bedrohung eine Geldstrafe. Während eines Gastspiels auf dem Gelände einer Grundschule war ein ukrainisches Ehepaar, das für den Zirkus arbeitete, mit Schlagwerkzeugen wie Baseballschläger und Zeltstangen attackiert worden. Im August 2023 begann der Prozess gegen die vier Angeklagten aus dem Artistenmilieu. Die angeklagte Tat passierte am 19. Februar während eines Gastspiels in Rheda-Wiedenbrück. An der Johannesschule hatte der Zirkus sein rot-weißes Zelt für ein einwöchiges Schulprojekt aufgebaut, in dem Kinder eine Zirkusvorstellung einüben und schließlich aufführen. Die Eheleute, die attackiert wurden, stammen aus der Ukraine, waren als Artisten weltweit unterwegs und konnten nach Kriegsausbruch nicht in ihre Heimat zurück. Es entstand der Kontakt zum &bdquo;Circus Lollipop“ und im Mai 2022 nahm das Paar seine Arbeit auf. Die Zusammenarbeit verlief zunächst harmonisch, unklar blieb aber die Bezahlung. Zunächst wurde den Helfern nur ein Wohnwagen gestellt und es wurde Benzingeld bezahlt. Die Unzufriedenheit auf beiden Seiten, nicht zu einer vertraglichen Vereinbarung über den Lohn zu kommen, wuchs. Angeklagter stößt dem Ukrainer laut Richter Baseballschläger ins Auge Am 19. Februar 2023 gab es beim Aufbau des Zirkus’ in Rheda wieder einmal heftigen Streit. Henry B. bat seinen Stiefvater, mit Unterlagen wegen eines Arbeitsvertrags anzureisen. Er wollte den Zwist endgültig lösen. Am Abend bat Maria K. das Ehepaar, in den Wohnwagen des Chefs zu kommen. &bdquo;Das ukrainische Ehepaar klopft erst leise und dann etwas lauter an die Tür des Wohnwagens. In dieser Situation brennen bei Henry B. die Sicherungen durch. Er greift einen Baseballschläger, öffnet die Tür und stößt den Schläger in das Auge des Mannes. Dann geht es gegen seinen Kopf, auch die Frau wird mit dem Schläger am Kopf traktiert. Patrick und Diego B. treten hinzu und schlagen mit Zeltstangen auf das Ehepaar ein. Dann setzt irgendwann wieder der Verstand ein. Sie erkennen vermutlich, was sie tun, hören mit den Schlägen auf, für die es keinen Anlass gab“, schildert der Vorsitzende Richter Carsten Nabel die Erkenntnisse des Tatabends. Ehepaar lebt seither in ständiger Angst um die beiden Kinder Maria K. rief zu dem ganzen Geschehen, dass man das Ehepaar töten werde und auch seine Kinder. Patrick B. griff ein Handy und rief Polizei und Rettungsdienst an. Er beruhigte seinen Stiefsohn Henry, der langsam realisierte, was angerichtet worden war. Die Eheleute wurden stark verletzt. Der Mann trug unter anderem ein offenes Schädel-Hirntrauma und mehrere Brüche am Kopf davon, die Frau erlitt den Bruch eines Lendenwirbels sowie diverse Blutergüsse. &bdquo;Bis heute dauert die psychische Belastung der Eheleute an. Für sie kam der Angriff aus heiterem Himmel. Heute haben sie jegliches Sicherheitsgefühl verloren und leben in ständiger Angst um ihre beiden Kinder“, führte der Richter in seiner Urteilsbegründung weiter aus. Grundlagen dieser Feststellung seien Geständnisse aller vier Angeklagten. Sie würden sich mit den Erkenntnissen des Gerichts decken. Sie hätten das Leben anderer gefährdet. Für ein Opfer habe Lebensgefahr bestanden, sie sei aber nicht konkret eingetreten. Geständnisse der Angeklagten waren ein wichtiges Kriterium beim Urteil Wurde in der Anklageschrift zu Beginn des Prozesses noch von einem versuchten Mord gesprochen, wurden drei Täter jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Henry B. muss als Haupttäter eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verbüßen. Sein Stiefvater erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diego B. wurde zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt. Maria K. kam wegen Bedrohung mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15 Euro davon. Wichtiges Kriterium für das Strafmaß, so der Richter, seien die Geständnisse aller vier Angeklagten gewesen. &bdquo;Wir glauben, dass die Geständnisse von Reue getragen wurden.“ Zudem seien von der Zirkusfamilie bereits 35.000 Euro Schmerzensgeld aus dem Familienvermögen gezahlt worden. Der Zirkus sei verkauft worden und es gebe große Bemühungen, wenigstens die Folgen der Tat zu mildern. Zudem seien alle Angeklagten nicht vorbestraft, so der Vorsitzende Richter. Zirkusfamilie wird ihre Existenzgrundlage entzogen Die Tat hat für die Verurteilten schwere Folgen. Der gesamten Zirkusfamilie ist die Existenzgrundlage entzogen worden. In der langen Familientradition waren die Zirkusgeschäfte immer vom Vater auf den Sohn weitergegeben worden. Dies wird jetzt für Diego B, den jüngsten im Bunde, nicht mehr geschehen. Negativ wirkte bei der Strafbemessung, dass zwei geschädigte Menschen noch heute ihre körperlichen Verletzungen spüren und sie immer noch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Die Sorge um ihre Kinder und das fehlende Sicherheitsgefühl begleitet sie jeden Tag.

Meistgelesen