Prozess um versuchten Mord im Kreis Gütersloh überraschend geplatzt: Schöffin befangen

Bielefeld/Rheda-Wiedenbrück. Dieser Schuss ging gewaltig nach hinten los. Die als Schöffin an dem Strafverfahren beteiligte Sonja von Zons hatte in einem erbosten Brief an die regionale Tageszeitung &bdquo;Die Glocke“ die Berichterstattung über den vierten Verhandlungstag des Prozesses gerügt, auf Fehler hingewiesen und gleichzeitig ihrer Meinung nach fehlerhaft wiedergegebene Aussagen und Erörterungen aus dieser Gerichtssitzung nach ihrer Sicht verbessert. Das wurde ihr jetzt zum Verhängnis. Wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung muss sich eine Zirkusfamilie seit dem 10. August vor dem Landgericht Bielefeld verantworten. Der Chef des Zirkus Lollipop, seine Freundin sowie zwei Familienangehörige sollen am 19. Februar während eines Gastspiels auf dem Gelände der Johannisschule in Rheda Auf- und Abbauhelfer, ein ukrainische Ehepaar, mit Schlagwerkzeugen attackiert haben. Eine Notoperation konnte das Leben des angegriffenen Ukrainers retten, seine Frau wurde schwer verletzt. Der Zirkuschef Henry B. sitzt seit dem Vorfall in Untersuchungshaft. Lesen Sie auch: Zirkus-Mitarbeiter im Kreis Gütersloh schwer verletzt - jetzt sagt das Opfer aus Das sagt der Stiefvater des Angeklagten Wer hat mit welchen Werkzeugen geschlagen, wer hat wie das Ehepaar attackiert? Wie kam es zu der Auseinandersetzung, die beinahe tödlich geendet hätte? Diese Fragen versucht das Landgericht Bielefeld zu klären. Das ist der Vorsitzende Richter mit zwei Berufsrichtern an seiner Seite sowie zwei ehrenamtlichen Richtern, sogenannten Schöffen. Am vierten Verhandlungstag hatte sich Patrick B., der Stiefvater von Henry B., zum Tatgeschehen eingelassen. &bdquo;Ehe ich mich versah, schlug Henry auf die beiden mit einem Baseballschläger ein. Der Mann taumelte zurück, lag draußen auf dem Boden, alles war durcheinander, ich sah immer wieder Schlagbewegungen in Richtung Ehepaar. Ich bin raus, und wollte Henry beruhigen. Ich hörte, sie haben ein Messer. Ich boxte auf sie ein. Ich schäme mich für mein Verhalten“, sagte er. Dieser Einlassung schloss sich ein weiterer Angeklagter an. Diese Aussagen wurden so auch in der &bdquo;Glocke“ veröffentlicht. Für die beim Prozess beisitzende Schöffin Sonja von Zons war dies offenbar untragbar und sie griff zur Feder. Mit dem Hinweis auf einen gravierenden Fehler und weitere kleine, aber unbedeutende, lieferte sie der Zeitung auch gleich eine ihrer Meinung nach richtige Wiedergabe der Verhandlung. Unter anderem schrieb sie den inhaltsschweren Satz: &bdquo;Es hätten drei Männer mit Baseballschlägern zugeschlagen“. Der Brief endet sinngemäß mit dem Hinweis, Sonja von Zons könne demnächst gleich selber die Zeitungsartikel schreiben. Nachdem sich der angegriffene Redakteur an das Landgericht gewandt hatte und dabei seinen Unmut über das Eingreifen der Schöffin äußerte, bekamen auch schnell die Strafverteidiger der vier Angeklagten Wind von dem Eingreifen der Schöffin. Der nächste Prozesstag war jetzt geprägt von Befangenheitsanträge aller Strafverteidiger gegen die ehrenamtliche Richterin. Das Verfahren muss nun von vorne beginnen. &bdquo;Es herrscht Besorgnis der Befangenheit bei der Schöffin Sonja von Zons. Mit ihrem Brief an die Zeitung hat sie Parteilichkeit mit den Opfern gezeigt. Mit ihren willkürlichen Informationen, dass drei Angeklagte mit Baseballschlägern hantiert hätten, gefährdet sie die Wahrheitsfindung. Die Beweisaufnahme ist noch nicht geschlossen. Die aktive Einflussnahme auf Presseveröffentlichungen gilt als unvereinbar mit einer Schöffentätigkeit“, war der einhellige Tenor der Strafverteidiger. Richter entlässt Schöffin aus Amt Eine Schöffin sei zur Neutralität verpflichtet und dies sei kein fairer Umgang mit den Angeklagten hieß es weiter. Fakt seit, dass Sonja von Zons die eigene Würdigung der Sitzung in ihrem Beschwerdebrief an die Tageszeitung wiedergegeben habe. Nach der Beratung der Kammer verlas der Vorsitzende Richter eine Einlassung der Schöffin. Sie sei erstaunt über die Berichterstattung in der Zeitung gewesen, hieß es. Sie hätte darauf hinweisen wollen, dass demnächst besser berichtet werde. Den Vorwurf der Befangenheit wies Sonja von Zons entschieden zurück. Nach einer Pause griffen erneut die Strafverteidiger ein. Mit ihren Informationen an &bdquo;Die Glocke“ habe die Schöffin deutlich gemacht, dass sie sich bereits ein abschließendes Bild gemacht habe, obwohl die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen sei. Nach einer längeren Beratung entließ der Vorsitzende Richter schließlich die Schöffin aus ihrem Amt. Es sei der Eindruck entstanden, sie habe sich in der Schuldfrage bereits festgelegt. Es bestehe der Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Schöffin zu zweifeln. Da die Kammer jetzt nicht mehr ordnungsgemäß besetzt ist, muss das gesamte, kostspielige Verfahren von vorne beginnen.

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