Tausende Plastikchips am Fluss im Kreis Gütersloh gefunden: Was hat es damit auf sich?

Rheda-Wiedenbrück. Als der passionierte Angler Gerhard Meier (Name von der Redaktion geändert) am vergangenen Sonntag am Ufer der Ems nördlich von Rheda an der von ihm seit ewigen Zeiten angesteuerten Stelle eintrifft, scheint alles zu sein wie immer. &bdquo;Ich wollte einfach mal gucken, wie es an der Ems nach dem Hochwasser vom Donnerstag aussieht – und ich wollte natürlich angeln“, sagt der 70-Jährige. Im Vorbeigehen fallen ihm an einer Stelle etliche kreisrunde durchlöcherte Plastikplättchen ins Auge. &bdquo;Ich wollte schon einen Eimer holen, um alles einzusammeln, weil ich mich mit meinem Anglerstuhl nicht zwischen das Plastik setzen wollte“, erzählt der agile Rentner. Doch dann traut er seinen Augen nicht. Denn bei genauerem Hinsehen liegen die mysteriös anmutenden Plastikscheibchen mit einem Durchmesser von gut drei Zentimetern überall am Ufer zwischen Gras, Brennnesseln, Ästen und Laub. Wirklich überall, tausendfach. &bdquo;Mein Bruder und ich angeln hier seit 50 Jahren. Wir kennen jedes Teichhuhn mit Namen und die Enten schwimmen grüßend vorbei“, sagt Meier augenzwinkernd. &bdquo;Aber so etwas haben wir noch nicht erlebt.“ "Das müssen mehr als 100.000 Stück Plastik sein. Vielleicht mehr" Schnell gehen die beiden der Sache auf den Grund. An mehreren Stellen fahren sie die Ems in Richtung Norden an, um zu schauen, wie weit die &bdquo;Plastikseuche“ reicht. An der Wehr kurz hinter der Mündung der Dalke in die Ems nahe des einst beliebten Gütersloher Ausflugslokals &bdquo;Neue Mühle“ – überall Plastik. An der &bdquo;Brocker Mühle“ auf Herzebrocker Gebiet kurz hinter dem Flughafen – überall Plastik. &bdquo;Das sind mehr als zehn Kilometer“, so Gerhard Meier, der seinen echten Namen nicht auf "nw.de" lesen möchte. Und: &bdquo;Ich halte nichts von Übertreibungen, aber das müssen an beiden Seiten der Ems mehr als 100.000 Stück Plastik sein. Vielleicht mehr.“ Und was alles noch auf dem Grund des Flusses liegt, wolle er gar nicht wissen: &bdquo;Das muss ein Vielfaches sein.“ Bleibt die Frage: Was sind das für Plastikteilchen und wo kommen sie her? Die zweite Frage können die Meier-Brüder schnell beantworten. Denn als sie die Ems in Richtung Süden abfahren, wird schnell klar, dass am Stadtrand von Rheda das Plastik nicht mehr auftaucht. Meier: &bdquo;Am Werl und am Freibad war nix.“ &bdquo;Da war uns klar, wo das ganze herkommen muss“ Los mit den unzähligen Plastiknestern geht es genau dort, wo die an der Marienfelder Straße einen Steinwurf von der Ems entfernt ansässige Kläranlage der Stadt Rheda-Wiedenbrück – offiziell lautet der Name Eigenbetrieb Abwasser – das geklärte Wasser in die Ems leitet. &bdquo;Da war uns klar, wo das ganze herkommen muss“, so Meier. Die Stadt bestätigt diese Beobachtung gegenüber "nw.de". &bdquo;Seit dem Starkregen vom vergangenen Donnerstag befinden sich in der Ems Plastikchips, die durch die großen Wassermengen aus der Kläranlage ausgetreten sind“, sagt Stadtsprecher Martin Pollklas. Auch die Funktion der Scheiben kann Pollklas nach Rücksprache mit dem Eigenbetrieb Abwasser erklären. &bdquo;Es handelt es sich um Trägerplättchen für Mikroorganismen. Sie werden in großen Mengen in die letzte biologische Klärstufe mit weitgehend vorgereinigtem Wasser gegeben. Dadurch fördern sie besonders effizient die natürliche Zersetzung letzter Verschmutzungen“, sagt er. Die Mikroorganismen kämen in der Natur vor, so dass von ihnen keine Gefahr für die Ems ausgehe. &bdquo;Wie sollen diese unvorstellbaren Mengen beseitigt werden? Das geht nicht" Aus der Kläranlage ausgetreten seien die Lochscheiben nur aufgrund des plötzlich aufgekommenen Starkregens. Gerhard Meier kann das nachvollziehen. &bdquo;Es ist normal, dass ein Klärwerk bei Starkregen an seine Grenzen kommt und überläuft“, sagt er. Dennoch: &bdquo;Es muss hier ein großer Fehler passiert sein. Es gibt bei uns alle zwei bis drei Jahre ein Ems-Hochwasser, das aktuelle war ein eher kleines.“ Die genaue Ursache für den Vorfall ist laut Pollklas noch unbekannt: &bdquo;Das wird noch untersucht. Und es werden Maßnahmen getroffen, um ein erneutes Austreten bei Extremwetterereignissen zu verhindern.“ Laut Stadt stellen die Plättchen keine Gefahr für Natur und Umwelt dar Bleibt die Frage, wie die Plastikplättchen wieder aus der Natur verschwinden. &bdquo;Der Eigenbetrieb Abwasser prüft, wie die Plastikchips am effizientesten eingesammelt werden können, da Kunststoffe natürlich nicht in die Gewässer gehören“, sagt Sprecher Pollklas und betont: &bdquo;Sie stellen keine Gefahr für Natur und Umwelt dar.“ Gerhard Meier mag daran nicht so recht glauben: &bdquo;Wie sollen diese unvorstellbaren Mengen beseitigt werden? Das geht nicht. In den nächsten Jahren werde ich jedes Mal diese Teile sehen, wenn ich mich mit meiner Angel ans Ufer setze. Das ist kein schönes Gefühl.“

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