Zwei Feuerwehrleute verhindern Katastrophe im Kreis Gütersloh

Rheda-Wiedenbrück. Der Samstagabend vor drei Wochen soll ein gemütlicher werden. Ulf Nabers möchte mit seiner Familie spielen, Bastian Bröckelmann ist bei seiner Freundin und will sich ein Bierchen gönnen. "Das habe ich abgebrochen." Denn der Melder der ehrenamtlichen Feuerwehrleute piept um 20.42 Uhr. Er zeigt einen Industriebrand an. Beide machen sich auf den Weg - ohne zu ahnen, dass sie stundenlang im Einsatz sein werden. "Ich habe gehofft, schnell wieder nach Hause zu kommen", sagt Nabers, seit 22 Jahren beim Löschzug Rheda. Doch schon auf der Anfahrt zum Bosfelder Weg mit seinen Kameraden im Löschgruppenfahrzeug 10 ist dem Hauptbrandmeister klar, dass er den Spieleabend vergessen kann. "An der Wilhelmstraße kam schon Rauch runter." Als Bröckelmann dort 30 Minuten später mit seinem Pkw ankommt, ist die Straße schon gesperrt. "Die Polizei hat mich durchgewunken, ich war ja in Montur", sagt der 29-jährige Oberfeuerwehrmann. Zunächst ist Nabers im Bereich der Bahngleise eingesetzt, wechselt dann nach Ansage von seinem Zugführer zum Bosfelder Weg. "Dahin hat sich der Brand entwickelt." Der Mann, der als Servicetechniker bei dem Maschinenbauunternehmen Venjakob arbeitet, erkundet das Industriegebäude - und findet eine Palette mit sieben Gasflaschen à elf Kilogramm. Einen Meter daneben steht ein Gabelstapler. Mit dem bringt der dreifache Familienvater das Gefahrgut aus der Halle. Eine Gasflasche ist bereit mit einem lauten Knall explodiert Doch die Flammen breiten sich schnell aus, schmelzen den Kunststoff an den Außenspiegeln der Löschautos, färben den Himmel rot, lassen Rauch mehrere Hundert Meter in den Himmel aufsteigen. "Man konnte das Feuer laufen sehen", sagt Bröckelmann. Er und Nabers wissen: "Die Gasflaschen müssen weg, jetzt." Da ist mindestens eine Gasflasche in dem Industriekomplex auf dem 10.500 Quadratmeter großen Eckgrundstück bereits mit seinem sehr lauten Knall explodiert. Der 29-Jährige setzt sich ans Steuer des mit Gas betriebenen Gabelstaplers. "Der Schlüssel steckte zum Glück", sagt Nabers. Wäre das nicht so gewesen, "hätten wir die Flaschen mit den Händen rausgebracht und den Gastank vom Stapler abgebaut und auch mitgenommen". Bröckelmann fährt das Gefahrgut an den Lilienweg, in Sicherheit. Als er zurückkommt, brennt es bereits dort, wo eben noch die Gasflaschen standen. "Das Gefahrenpotenzial war überschaubar, ich hätte nicht mein Leben riskiert", sagt der Oberfeuerwehrmann, der seit zehn Jahren beim Löschzug Rheda ist. Was ihm und Nabers alles hätte passieren können, darüber denken beide nicht nach. Angst haben sie nicht. Sie wissen um den sehr hohen Ausbildungsstand und dass bei der Feuerwehr jeder auf den anderen aufpasst. "Wir sind eine große Familie", sagt Bröckelmann, der hauptberuflich bei dem Rietberger Abbruchunternehmen Kathöfer arbeitet. Lesen Sie auch:Nach Großbrand im Kreis Gütersloh - Ermittlungen gegen Tatverdächtige laufen Zwölf Stunden im Einsatz Mulmige Gefühle entstehen bei den Feuerwehrleuten auch darum nicht, weil "zu viel Action um einen herum war", sagt Nabers, am Bosfelder Weg Gruppenführer von fünf Kameraden. Die Action dauert für ihn, Bröckelmann und mehr als 360 Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr zwölf Stunden. Zum Verschnaufen gehen sie zwischendurch mal zehn Meter zurück, verschaffen sich auch einen Überblick. "Erschreckend, wie viele Fahrzeuge im Einsatz waren, wie viel kaputt war", sagt Nabers. Er erzählt von Anwohnern, die den Frauen und Männern, die mit Löschzügen aus den Kreisen Gütersloh und Warendorf angerückt sind, Kuchen, Schokoriegel und Kaffee hingestellt haben. Und von Feuerwehrleuten aus Oelde, die kistenweise Mineralwasser mitgebracht haben. Als die Kameraden Sonntagmorgen abgelöst werden, erst zum Gerätehaus und dann nach Hause fahren, ist "game over", sagt Bröckelmann. Auch der 43-jährige fällt nach der Dusche ins Bett - ohne schlechte Träume. "Es ist ja zum Glück kein Mensch zu Schaden gekommen", sagt Nabers und betont, dass eine Arbeit am Patienten psychisch eher belastet. Der Einsatz bei dem Großfeuer wirkt trotzdem nach. Als der 29-Jährige seiner Freundin das Foto mit dem Gabelstapler vor der Feuerwand in der NW zeigt und sagt, dass er der Fahrer war, "fand sie das nicht gerade toll". Nabers' Frau reagiert ähnlich, fragt: "Waaas habt ihr gemacht?" Doch für die beiden Männer war das eine Selbstverständlichkeit, quasi Routine. "Das war ein großes Feuer, das haben wir ausgemacht - das war's", sagt der Hauptbrandmeister. Für das Foto wird ein Kasten Bier fällig Dennoch war der Brand bei der Firma "Nolte Produktenwerk" bislang der größte, zu dem Bröckelmann ausrückte. Und der Einsatz ist gelungen, weil etwas dran ist, dass Feuerwehrleute trotz aller Gefahr ihrem Ehrenamt mit Leidenschaft nachgehen. Warum das so ist, erklärt Christian Dresmann. Er ist Oberbrandmeister und seit 13 Jahren beim Löschzug Rheda. "Wir setzen gerne das ein, was wir oft üben und trainieren, auch wenn das immer mit einem gewissen Leid anderer Menschen zusammenhängt - aber das ist auch bei Ärzten der Fall", sagt der Pressesprecher, der Nabers und Bröckelmann für die "NW" ausfindig gemacht hat. Bei den vielen Feuerwehrleuten der zahlreichen Löschzüge, die vor Ort waren, war das nicht einfach. Die Retter haben, was ungewöhnlich ist, "wahnsinnig viele Danksagungen" für ihren ehrenamtliche Einsatz bekommen - in den sozialen Medien, aber auch auf Karten, direkt im Gerätehaus des Löschzuges Rheda abgegeben, sagt Dresmann. Ein namenloser Absender schreibt: "Dadurch, dass Ihr ein Übergreifen der Flammen verhindern konntet, haben meine Enkelin und ihre Familie nicht ihr Zuhause verloren! Danke!" Ein Dankeschön wird auch Bröckelmann noch von mindestens einem Kameraden hören. Der nämlich hat ihn darauf hingewiesen, dass "mich das Foto in der NW einen Kasten Bier kostet", lacht der 29-Jährige. So ist es Brauch bei den Feuerwehrleuten, wenn sie mit Bild in der Zeitung stehen. Das Bier kann er dann hoffentlich in gemütlicher Runde mit seinen Kameraden genießen, ohne Alarm.

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