Corona-Krise: Notfallseelsorger müssen im Kreis Gütersloh öfter ausrücken

Rheda-Wiedenbrück. Vor 22 Jahren wurde im Kreis Gütersloh die Notfallseelsorge (NFS) zur Betreuung von Angehörigen nach plötzlichen Todesfällen ins Leben gerufen – doch so ein Jahr wie 2021 haben die ehrenamtlichen Kräfte in all den Jahren noch nicht erlebt. Marco Beuermann und Uschi Rutschkowski sprechen auch für ihre 35 Kollegen der Notfallgruppe, wenn sie die aktuellen Zahlen aus dem vergangenen Jahr vorstellen. Die liegen deutlich höher als in früheren Zeiten. Viele ihrer Einsätze führen die Notfallseelsorger eindeutig auf Corona zurück. Gut 80 Prozent der Begleitungen sind im häuslichen Bereich Marco Beuermann ist hauptberuflich Pfarrer in der evangelischen Versöhnungs-Kirchengemeinde Rheda-Wiedenbrück und dort für den Bezirk Wiedenbrück zuständig, Uschi Rutschkowski war bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Mai 2021 (nach mehr als 40 Dienstjahren) als Kriminalhauptkommissarin bei der Kreispolizeibehörde Gütersloh tätig und Leiterin des Kommissariats für Prävention und Opferschutz. Zudem ist sie diplomierte Psychologin. Die beiden erfahrenen Notfallseelsorger wissen also, wovon sie reden, wenn sie auf das Jahr 2021 zurückblicken. Bislang bekam es die Gruppe der Ehrenamtlichen immer mit weniger als 80 kreisweiten Einsätzen im Jahr zu tun. 2021 waren es indes 88 Begleitungen und darunter wiederum 25 Fälle von Suizid – deutlich mehr als in den Vorjahren. &bdquo;Viele Menschen, die schon Probleme hatten, sei es finanzieller oder psychischer Art, haben durch die Pandemie noch mal einen weiteren schweren Einschnitt erlebt. Damit kommen sie oftmals nicht klar“, sagt Marco Beuermann. &bdquo;Wir können hier allerdings lediglich die Statistik aus unserer Sicht wiedergeben“, so Beuermann weiter. Denn viele Suizide würden sie gar nicht mitbekommen. Deren Zahl sei insgesamt sicherlich auch coronabedingt gestiegen. Zu Einsätzen bei einem plötzlichen Tod wurden die Helfer 23 Mal gerufen, die restlichen Einsätze waren bei Tod nach schwerer Krankheit, Verkehrsunfällen, Unfälle anderer Art sowie sonstigen Vorfällen. &bdquo;Wir haben uns schon gefragt, ob wir unsere Arbeit weiterhin leisten können, ohne uns selber zu gefährden." Etwa 80 Prozent der Begleitungen würden im häuslichen Bereich stattfinden, wie beispielsweise die Überbringung einer Todesnachricht, Betreuung nach Suizid, häuslichem Todesfall oder plötzlichem Kindstod, berichtet Beuermann. Für ihn und sein Team sei Corona vor allem zu Pandemiebeginn eine große Herausforderung gewesen: &bdquo;Wir haben uns schon gefragt, ob wir unsere Arbeit weiterhin leisten können, ohne uns selber zu gefährden.“ Doch man sei sich schnell einig gewesen, dass man die Menschen, die Hilfe benötigen, auch weiterhin unterstützen möchte. Viele Gespräche fanden in jenem Frühjahr 2020 draußen im Freien statt, und die Seelsorger hatten stets Masken auf. Lesen Sie auch:Feuerwehr-Seelsorger nach schwerem Unfall mit Kind: "Für uns die Ausnahme" Für das Team der Notfallseelsorge ist es aber auch sehr wichtig, sich immer wieder auszutauschen, Ereignisse durchzusprechen und sich gegenseitig zu stärken. So finden neben den Gruppentreffen auch regelmäßig Fortbildungen statt. Die letzte gab es 2020 in Travemünde mit dem Schwerpunktthema &bdquo;Burnout-Prophylaxe im Themenfeld Notfallseelsorge“. Solche mehrtägigen Veranstaltungen sowie Aus- und Weiterbildungen verursachen hohe Kosten, so dass die NFS im Kreis Gütersloh auf Spenden angewiesen ist, um ihre wichtige Arbeit auf diesem Niveau zu gewährleisten. Die NFS arbeitet ausschließlich ehrenamtlich und ohne öffentliche Zuschüsse. Das Team ist daher dankbar über jegliche Unterstützung durch Sponsoren, Kollekten aus den Gemeinden, aber auch Sachspenden. Erst jüngst hat ein Gütersloher Fachhandel für Arbeitsbekleidung (Niemöller & Abel) der gesamten Mannschaft einheitliche Fleecejacken gesponsert und die Logos der Notfallseelsorge mit aufgenäht.Seit 2018 gibt es ein spezielles Team nur für die EinsatzkräfteSeit 2018 gibt es zusätzlich zur NFS das so genannte Team PSU für die psychosoziale Unterstützung der Einsatzkräfte wie Feuerwehrleute oder Rettungsassistenten. Man habe in der Praxis festgestellt, dass es schwierig ist, sich auf der einen Seite um die Angehörigen der Verunglückten zu kümmern und auf der anderen Seite die Einsatzkräfte zu betreuen. Beides sei aber extrem wichtig, und deshalb gebe es die fachkundigen Männer und Frauen, die sich um Feuerwehr, Polizei und Sanitäter kümmern, um schwere Ereignisse, die Bilder im Kopf zurücklassen, besser verarbeiten zu können. Beide Teams haben aber immer ein gemeinsames Ziel und das heißt: &bdquo;Erste Hilfe für die Seele“. Hinweis: Hilfe in Krisensituationen Sollten Sie sich von besonderen Lebensumständen betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte die kostenlose Telefonseelsorge unter Tel. (08 00) 1 11 01 11. In Bielefeld erreichen Sie außerdem werktags von 8 bis 15 Uhr unter Tel. (05 21) 51 25 81 den sozialpsychiatrischen Dienst sowie außerhalb der Bürozeiten den Krisendienst Bielefeld unter Tel. (05 21) 3 29 92 85.

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