Tönnies verklagt SPD-Politiker Ralf Stegner wegen übler Nachrede

Rheda-Wiedenbrück. Das wollte der Schlachthofbetreiber Clemens Tönnies nicht auf sich sitzen lassen: Weil der ehemalige SPD-Vize Ralf Stegner ihn öffentlich bissig kritisiert hatte, zog Tönnies vor Gericht - und scheiterte. Prompt folgte nach Stegners Äußerungen in den Medien eine Abmahnung der prominenten Berliner Anwaltskanzlei Schertz Bergmann Mitte Juli als Vertreter von Tönnies, die nw.de vorliegt. Darin heißt es: "Sie fordern eine Haftstrafe gegen unseren Mandanten und behaupten in den Medien an vielfacher Stelle, so unter anderem gegenüber bild.de in Bezug auf unseren Mandanten: 'Die Gesetze werden missachtet dort. Das ist ja gar keine Frage." Die Rechtsanwälte von Tönnies warfen Stegner deshalb Verleumdung und üble Nachrede vor. Das Landgericht Frankfurt am Main wies dies Ende Juli mit der Begründung zurück, dass es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung handele, sondern um eine Meinungsäußerung. Am 18. August erteilte das Landgericht Hamburg dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ebenfalls eine Absage, da dieser unbegründet sei und Tönnies durch die Äußerung nicht in seinen Rechten verletzt werde. Gericht: Einwände von Tönnies reichen nicht aus Das Hamburger Landgericht kommt ebenso zu dem Schluss, dass es sich um eine Meinungsäußerung handele. Zur Begründung heißt es unter anderem: Dass Ralf Stegner Vorgänge im Betrieb von Tönnies zwar bewerte, diese Wertung aber gerade nicht näher erläutert habe. Hierbei komme zum Tragen, dass der Arbeitsschutz unstreitig im Mai 2020 Verstöße gegen die damals geltende Corona-Schutzverordnung des Landes NRW festgestellt hat, welche dann Ende Mai behoben wurden und unter anderem die Zahl der Sitzplätze reduziert wurde. Tönnies Einwand, es hätten nur um einzelne Verstöße vorgelegen, greife nicht durch, zumal ein näherer Vortrag hierzu fehle, führt die Richterin in ihrem Beschluss an, der nw.de vorliegt. Medienberichte über erfolglosen Klage des Fleischmagnaten Tönnies gegen mich wegen meiner scharfen Kritik an den desaströsen Zuständen in seinem Fleischkonzern. Erst beim Landgericht Frankfurt jetzt beim Landgericht Hamburg scheitern seine Versuche, Kritiker mundtot zu machen! Ralf Stegner (@Ralf_Stegner) August 21, 2020Fazit der juristischen Bewertung: Der SPD-Politiker Ralf Stegner darf sich weiter frei über die Zustände in den Betrieben von Clemens Tönnies äußern. Stegner sieht sich in seiner Haltung bestärkt und legt nach: "Wenn Herr Tönnies sich mit dem gleichen Eifer um eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten in seinen Schlachthöfen kümmern würde, wie er seine Kritiker juristisch verfolgen lässt, müsste sich die Politik wahrscheinlich nicht mehr mit gesetzlichen Regelungen gegen Ausbeutung, menschenunwürdige Unterbringung und andere Auswüchse des Subunternehmerunwesens vorgehen, wie es der Bundesarbeitsminister jetzt tun muss. Herr Tönnies selbst hat es in der Hand, durch entsprechende Verbesserungen in seinen Betrieben wirkungsvoller für gute Publicity in eigener Sache zu sorgen, als durch erfolglose Klagen gegen Kritiker." Tönnies fordert Schadensersatz von Aktivisten Die Klage gegen Ralf Stegner ist nicht der erste Fall, bei dem Tönnies gegen seine Kritiker vor Gericht zieht. Erst im August war bekannt geworden, dass Tönnies rund 40.000 Euro Schadensersatz von Demonstranten fordert, die in einer mehrstündigen Blockade im Schleswig-holsteinischen Kellinghusen den zur Tönnies-Gruppe gehörenden Schlachtbetrieb Thomsen an der Produktion gehindert hatten. Deutschlands größter Schlachtkonzern mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück steht seit dem massiven Ausbruch des Coronavirus Mitte Juni in dem Unternehmen in der Dauerkritik. Für den Kreis Gütersloh hatte das Desaster, bei dem mehr als 2.000 Tönnies-Mitarbeiter sich infiziert hatten, enorme Folgen bis hin zu einem erneuten Lockdown für die Region. Sowohl die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werkvertragsarbeiter, die bei Subunternehmen angestellt sind, beklagen die Gegner. Ebenso prangern Aktivisten Tierleid, Massenindustrie und Klima- und Umweltverschmutzung an. Die Bundesregierung hat aufgrund der Geschehnisse in Rheda-Wiedenbrück ein Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie beschlossen.

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