
Rheda-Wiedenbrück. Auch Traditionen, so althergebracht und liebgewonnen sie sein mögen, sind in einer Welt des immer rasanteren Wandels, der nahezu alle Lebensbereiche erfasst hat, nicht mehr sicher. Jetzt hat diese Entwicklung auch das Wiedenbrücker Schützenfest erwischt. Es gilt, sich vom Schützenfestmontag zu verabschieden. Zumindest für einen Test in diesem Jahr hat der St.-Sebastian-Bürgerschützenverein den Festverlauf umgekrempelt.
Kompromiss mit Anliegern
Wir feiern unser Schützenfest in diesem Jahr von Freitag bis Sonntag", verkündeten Oberst Hermann-Josef Pierenkemper und Major Adolf Eustermann bei einem Ortstermin auf dem Festplatz an der Reitbahn. Auf diesen Kompromiss habe sich der Schützenverein mit Anliegern geeinigt, die seit Jahren verstärkt gegen die Lärmbelästigung durch das Schützenfest zu Felde ziehen. Und da sind es insbesondere die Bässe lauter Partymusik, die die Nachtruhe der Anlieger vehement störten.
Auch das ein Zeichen des Wandels: Junge Leute ziehen heute erst zu mitternächtlicher Stunde los, um zu feiern. Und sie wollen dann kaum mehr gesetzte Tanzmusik hören, wie sie früher in Schützenzelten erklang. Dann sind Fetenhits angesagt, dann kommt schnell Hüttengaudi-Stimmung auf.
Versuchsweise wird dieser Entwicklung in diesem Jahr am Sonntag um 24 Uhr der Stecker gezogen. "Uns ist an einer einvernehmlichen Lösung gelegen, die möglichst alle Interessen weitgehend unter einen Hut bringt", hofft Pierenkemper, dass der nun angestrebte Kompromiss tragfähig bleibt. Statt am Samstag wird das Wiedenbrücker Schützenfest nun am Freitagabend beginnen. Freitags und samstags bleibt es jedoch bei 3 Uhr in der Früh, dass die Musik abgestellt werden muss.
Maximalforderung: Schluss um 24 Uhr
Zunächst hatte die Maximalforderung von Nachbarn, die durch Rechtsanwalt Peter Henz, selbst Anlieger des Festplatzes, vertreten werden, noch gelautet: Mit lauter Musik hat an allen drei Schützenfesttagen um 24 Uhr Schluss zu sein. Wenn das nun nur für den Sonntag gilt, ist zumindest gewährleistet, dass die Nachtruhe vor dem Start in eine neue Arbeitswoche nicht mehr gestört wird. Rückendeckung für ihren Vorstoß hatten Henz und sein Mandant durch ein von ihnen beauftragtes Schallschutzgutachten erhalten. In Spitzen wurde da zu nächtlicher Stunde ein Pegel von bis zu 82 Dezibel ermittelt. Selbst der ermittelte Durschnitt von 68 Dezibel habe die bei angrenzender Bebauung geltende Höchstgrenze überschritten, so die Argumentation des Juristen.
"Bislang war der Montag immer unser besucherstärkster Tag", sehen Oberst und Major der neuen Regelung mit gemischten Gefühlen entgegen. Sollten sich dadurch deutliche Umsatzeinbußen ergeben, müssten sich alle Beteiligten noch einmal an einen Tisch setzen.
Umdenken müssen nun auch die Gastvereine, die traditionell zum großen Abschlussball am Montagabend kamen. Der Wiedenbrücker Damenwelt wird die neue Regelung womöglich sogar entgegenkommen. Sie kommt traditionell zur großen Königsparade am Schützenfestmontag in großer Zahl zum Kirchplatz, um das neue Königspaar und seinen Hofstaat in ihren stolzen Roben anzuschauen. Wenn das Geschehen nun auf den Sonntag rückt, wird das der Zahl der Zuschauer womöglich sogar zuträglich sein. Und an einem arbeitsfreien Tag entfällt zudem für die Schützenbrüder ein Grund, nicht an der Parade teilzunehmen.
Blick auf den anderen Ortsteil
In Internetforen wird die neue Regelung bereits heftig diskutiert. Extreme Äußerungen gehen sogar so weit, dass man ohne den Montag "das Fest gleich ganz knicken" könne. Allen, die sich angesichts des neuen Zeitablaufs solche und andere Sorgen um das Wiedenbrücker Schützenfest machen, sei ein Blick in den anderen Ortsteil empfohlen. Als der Schützenverein zu Rheda von 1833 vor Jahren seinen Festrhythmus auf Freitag bis Sonntag umstellte, hat dieser Schritt das Rhedaer Schützenfest nicht nachhaltig beschädigt.