Von
Andrea Frühauf
08.11.2015 | 09.11.2015, 13:11
Rheda-Wiedenbrück
Leiharbeiterin: Eine Rumänin hatte ihr Baby ausgesetzt
Rheda-Wiedenbrück. Der Vorwurf ist heftig. Ein Bericht der Wochenzeitung Die Zeit stellt die Arbeitsbedingungen bei dem Fleischfabrikanten Clemens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück in Zusammenhang mit einer rumänischen Arbeiterin, die ihr neugeborenes Baby Mitte Juni auf einem Parkplatz von Media Markt im Gebüsch ausgesetzt hat. Spaziergänger haben das unterkühlte Baby, das jetzt bei Pflegeeltern lebt, noch rechtzeitig entdeckt.
Michaela C. (39), wie die Rumänin in dem Bericht genannt wird, die anderthalb Jahre lang bei Tönnies Fleisch verpackt hat, wurde laut ihrem Bielefelder Anwalt Knut Recksiek nach rund vier Wochen aus der U-Haft entlassen. "Der Haftbefehl wurde ausgesetzt." Er will sich zu dem Fall nicht weiter äußern und ein Sachverständigengutachten abwarten, das Carl-Ernst von Schönfeld, Leiter der psychiatrischen Tagesklinik in Bethel, bald vorlegen werde. Danach werde sich entscheiden, ob seine Mandantin wegen versuchten Totschlags angeklagt wird. Und Recksiek betont, er habe nichts mit Clemens Tönnies, dem Chef des Fleischverarbeiters, zu tun. Das Unternehmen werde in dem Strafverfahren keine Rolle spielen. Auch die Zeit-Autoren kommen zu diesem Schluss. Clemens Tönnies "wird von sich sagen können, das ihn keine Schuld treffe, zumindest keine juristische Schuld".
Die Autoren haben in der Kanzlei mit der Rumänin, die ihren 16-jährigen Sohn und die 19-jährige Tochter damals bei ihrer Mutter (60) in der Walachei zurückließ, gesprochen. Sie bekam bei der MGM Handels- und Vermittlungs GmbH in Rheda einen Werkvertrag. Und verdiente demnach bei dem Subunternehmen von Tönnies 820 bis 1.050 Euro im Monat. Davon wurden ihr rund 200 Euro für ein Zimmer abgezogen, das sie sich mit weiteren Arbeiterinnen teilen musste. Als die Rumänin plötzlich schwanger wurde, habe sie dies aus Angst bei der Arbeit vertuscht. "Eine Arbeiterin, die schwanger wird, verliert ihren Job, das haben Kollegen ihr von Beginn an eingeschärft", so die Zeit-Autoren. Damit nahm das Drama demnach seinen Lauf.
Diese Verbindung ist für den Tönnies-Sprecher Markus Eicher "ungeheuerlich". Dagegen werde sich Tönnies wehren und rechtliche Schritte prüfen. Eicher betont: "Es gibt bei Tönnies permanent Frauen, die in Mutterschutz gehen." Das Angebot, einen Tag die Produktion zu besuchen, hätten die Autoren abgelehnt.
Noch in diesem Jahr will die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Michaela C. erheben. Neben Aussetzung eines Säuglings zieht die Staatsanwaltschaft auch eine Anklage wegen versuchter Tötung in Betracht.
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