Nachbar macht todkranker 48-Jähriger aus dem Kreis Gütersloh das Leben zur Hölle

Harsewinkel. Knapp acht Jahre lang hat Nicole Kalweit ruhig im Wohnblock August-Claas-Straße 6 gewohnt. Bis im Dezember Daniel M. (Name geändert) in die Nachbarwohnung einzieht. Seither ist nichts mehr wie es mal war. Der neue Nachbar, vorbestraft und polizeilich bestens bekannt, macht ihr und ihrem Lebenspartner seither das Leben zur Hölle. Dabei braucht Kalweit dringend Ruhe. Die 48-Jährige leidet von Geburt an an einem Gendefekt der Leber. Das Organ bringt nur zehn Prozent Leistung. Es ist eine schleichende Vergiftung des Körpers. &bdquo;Ich habe keine Chance auf eine Transplantation“, sagt die Frau, die maximal noch ein Jahr zu leben hat. &bdquo;Es gibt zu wenig Spenderorgane, ich stehe zwar auf der Liste, habe aber gegenüber Jüngeren keine Chance“, zitiert sie ihre Ärzte im Krankenhaus. Ihr geht es darum, palliativ möglichst ohne Schmerzen ein würdiges Restleben zu gestalten. Ihr Lebensgefährte pflegt sie, hilft, wenn sie körperlich oder seelisch wieder mal einen schlechten Tag hat, die Schmerzen zu groß werden und sie sich nicht mehr koordiniert bewegen kann. M. schlitzt die Markise auf dem Außenkorridor auf Seit M. eingezogen ist, ist es im vierten Stock vorbei mit der Ruhe. M., der selbst drogenabhängig sein soll, vertickt regelmäßig Marihuana an Kunden. Was der Polizei bekannt ist. Erst vor zwei Wochen hatte er wieder Besuch von der Kripo. Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von Drogen – das ganze Programm. &bdquo;Bei denen gehen manchmal im 15-Minuten-Takt die Kunden ein und aus“, sagt Kalweit, die dem Treiben nicht mehr tatenlos zusieht. Alle müssen bei ihr am Fenster vorbei, ob sie will oder nicht, kriegt sie den &bdquo;Traffic“ jedes Mal mit. Weil sie und ihr Freund den Kunden an der Haustür mehrfach den Zutritt verwehrten, bekamen sie M.s Wut hautnah zu spüren. &bdquo;Er beleidigt uns, hat mich zweimal bespuckt, ein Fahrrad beschädigt, so dass es unbrauchbar ist und meinen Elektrowagen angezündet“, zählt sie die Straftaten auf. Vor ein paar Tagen schlitzte M. ihr noch die Markise auf dem Außenkorridor auf. Dessen Drohung &bdquo;Nehmt meine Kunden mit hoch, sonst gibt es auf die Fresse“ ist aktenkundig. Es fallen auch Sätze wie &bdquo;Du bist eine Frau, dich kann man schnell kaputt machen. Schau Dich gut um“. Alles eidesstattlich vermerkt. Sie hat Anzeige erstattet. Der Elektrowagen, fast 4.000 Euro teuer und für sie einzig mögliches Fortbewegungsmittel, steht seither nutzlos im Flur. An der Front sind Brandspuren erkennbar. &bdquo;Der funktioniert nicht mehr“, sagt sie. 2.500 Euro hat die Krankenkasse dazu getan, den Rest hat sie mit einem Darlehen über das Sozialamt der Stadt finanziert. Sie zahle immer noch Raten ab. Ein Ersatzgefährt bekommt sie nicht. Sowas zahlt die Krankenkasse nur einmal. Jetzt hofft sie, dass sich möglicherweise jemand das Gerät anschauen kann und die mutmaßlich ramponierte Elektrik als Hilfeleistung reparieren könnte. Ihr Nachbar fängt die Cannabis-Lieferung der 48-Jährigen ab Tiefpunkt der Belästigung war, als M. kürzlich ihren Kurierdienst abfing. Kalweit, die keine Medikamente nehmen darf, da diese die Leber weiter schädigen, ist auf medizinisch verschriebenes Cannabis zur Schmerzlinderung angewiesen. Das bekommt sie auf Rezept zugeschickt. &bdquo;Dafür habe ich einen Inkubator, den ich auf 210 Grad Celsius erhitze, da entfaltet der Stoff seine beste Wirkung“, erklärt sie. Der Konsum ist rauch- und geruchsfrei, lindere aber wirkungsvoll die Schmerzen. M. weiß, dass sie Cannabis erhält. Er fängt den Kurier ab, gibt sich als Lebensgefährte aus, unterschreibt und kassiert die Lieferung. &bdquo;Er hat mir dann angeboten, mir etwas davon zu verkaufen und den Rest zu behalten“, erzählt die Mieterin dessen Dummdreistigkeit. In ihrer Not wendet sich Kalweit an den Fachbereich Soziales im Rathaus. Die Stadt ist als neue Eigentümerin für die Mietwohnungen in dem Objekt zuständig, seitdem sie die Immobilie für 5,6 Millionen Euro von einer Wohnungsgesellschaft übernahm. Eine Wohnungsverwaltungsgesellschaft kümmert sich um das Haus, derzeit werden Stockwerk für Stockwerk die Flure gestrichen. Innerhalb eines Tages erhält die 48-Jährige Einstweilige Verfügungen &bdquo;Trotzdem kommt es hier zu Vandalismus“, berichtet Kalweit, was Touran Esmaily-Amsbeck bestätigt. &bdquo;Wir schicken die Reinigungsfirma jetzt zweimal pro Woche los, um den Müll zu entsorgen“, sagt er. Der Bereichsleiter für Soziales überprüft derzeit alle bestehenden Mietverhältnisse. Der Fall von Nicole Kalweit, den sie ihm am Donnerstag schildert, lässt bei ihm alle Alarmglocken schellen. Der juristisch beschlagene Experte rät ihr, sich sofort wegen einer Einstweiligen Verfügung ans Amtsgericht Gütersloh zu wenden. Das Wunder geschieht: Innerhalb eines Tages hat die verzweifelte Frau gleich zwei Verfügungen in der Hand. Eine besagt, dass sich M. ihr nicht mehr als 20 Meter nähern darf. Bei Missachtung drohen bis zu 250.000 Euro Bußgeld oder ein halbes Jahr Ordnungshaft. Die Verfügung wurde auch M. auf schnellstem Wege zugestellt. Der Umschlag klemmt allerdings noch in seiner Wohnungstür. &bdquo;Der ist letzte Woche irgendwohin abgehauen“, sagt Kalweit. M. weiß also noch nicht, dass er schleunigst mit seinem Terror gegen die Nachbarin aufhören muss. Die ist dennoch erleichtert. &bdquo;Ich bin froh, dass mir Menschen zugehört und geholfen haben“, sagt sie dankbar. Touran Esmaily-Amsbeck will dennoch schärfere Geschütze auffahren. &bdquo;Ziel ist, den notfalls aus der Wohnung raus zu klagen“, sagt er. Was in Deutschland grundsätzlich nicht einfach sei, weil Mieter zurecht hohen Schutz genössen. Diese Wünsche hat die todkranke Frau noch In diesem Fall spreche die Gefahrenabwehr allerdings dafür, dem Opfer der Angriffe beizustehen. Auch auf die Gefahr hin, dass die Stadt den Prozess um die außerordentliche Kündigung verlieren könnte. &bdquo;Wir wollen ein Zeichen setzen, es gibt irgendwo Grenzen gibt“, erklärt der Fachbereichsleiter, der seit Januar das komplexe Aufgabengebiet übernommen und bereits einige Missstände aufgedeckt hat. Kalweit pflegt inzwischen auch einen kurzen Draht zur Polizeistation, nur 150 Meter weiter am Rathausplatz. &bdquo;Die Bezirksbeamten kennen mich schon“, sagt sie. &bdquo;Das ist auch gut so. Wenn Sie in den nächsten Tagen weiter von M. belästigt werden, wenden Sie sich sofort an die Polizei“, rät ihr Esmaily-Amsbeck dringend. Auf M. warten ohnehin schon einige gesammelte Strafverfahren, demnächst wird es wohl eine Anklage geben. Angst hat Nicole Kalweit keine mehr vor dem aggressiven Mitbewohner. Sie wohnt schon seit acht Jahren hier in dem Komplex, über den sie nur als &bdquo;City-Ghetto“ spricht. Schwierige Mitmieter habe es immer gegeben, M. sei allerdings mit Abstand der Schlimmste, den sie erlebt hat. Sie hat für die kurze Zeit, die ihr noch bleibt, eine &bdquo;Bucket-List“ geschrieben. &bdquo;Ich hoffe, dass ich meinen Partner noch heiraten kann“, sagt sie. Eine rauschende Hochzeit wird es angesichts der finanziellen Möglichkeiten wohl nicht werden. Nicht mal eine Fahrt zu ihrem im Sterben liegenden Vater nach Pforzheim in ihre Heimat sei drin. Zumal sie sich selbst kaum bewegen kann. &bdquo;Und dann möchte ich nur noch in Ruhe und ohne Schmerzen sterben“, wünscht sie sich für das Ende. Über eine Sterbebegleitung in Luxemburg hat sie sich schon informiert, ihr Testament gemacht. Die Patientenverfügung für ihren Lebenspartner ist unterschrieben.

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