Fleischarbeiter in Harsewinkel: "Als Garantie nehmen sie uns die Pässe weg"

Harsewinkel. Die beiden Männer, die im Bericht von &bdquo;Frontal 21“ durch die Harsewinkeler Innenstadt laufen, machen einen erbärmlichen Eindruck. Die Bilder, die am Dienstag beim ZDF-Investigativmagazin zu sehen sind, rücken erneut die Umstände in den Blickpunkt, unter denen Menschen aus Osteuropa auch hier in Harsewinkel leben. Gedreht wurde der Beitrag, in dem es vornehmlich um die Arbeitsbedingungen im Schlachtunternehmen Tönnies in Rheda-Wiedenbrück geht, bereits am 17. November. Mit der Kamera begleitet das ZDF-Team mit Redakteurin Tonja Pölitz die Rumänen Catalin und Nicolai. Die beiden Männer, die ihre Namen in dem Beitrag offen nennen, sind auf dem Weg mit ihren wenigen, in jeweils zwei Taschen verstauten Habseligkeiten zum Rathaus.&bdquo;Weil ich angerufen und gefragt habe, ob ich noch positiv bin“ Beide werden als &bdquo;Arbeiter der Fleischindustrie“ vorgestellt. Ob beim Fleischkonzern Tönnies, der Auslöser der neuerlichen Recherchen des Politmagazins war, oder bei einem Betrieb in Harsewinkel, bleibt offen. Im Beitrag erzählen sie, dass sie von ihren Mitbewohnern an dem Tag mit Gewalt vor die Tür gesetzt worden seien. Nicolai sagt, dass sie ihm die Rippe gebrochen hätten. Alles wegen eines Anrufs beim Gesundheitsamt, wie er sagt. &bdquo;Weil ich angerufen und gefragt habe, ob ich noch positiv bin“, sagt der Mann, der wegen einer Coronainfektion in Quarantäne gesetzt worden war. Weil das Amt nach Catalins Anruf sieben weitere Mitbewohner des Hauses in dem Viertel im Harsewinkeler Nordosten unter Quarantäne setzt, seien sie aus der Unterkunft geprügelt worden, erzählen sie dem Filmteam.Die alten Strukturen seien trotz der gesetzlichen Änderungen immer noch vorhanden. So würden in den Betrieben rumänische Vorarbeiter mit rumänischen Vermietern Hand in Hand arbeiten. &bdquo;Als Garantie nehmen sie uns die Pässe weg“, sagt Nicolai. Er spricht von &bdquo;Mafia“.&bdquo;Ich habe die nur nicht abgemeldet“ Frontal-Reporterin Tonja Pölitz sucht die Vermieterin auf, eine 33-Jährige, die ganz offen spricht und das Drehteam sogar ins Haus bittet. Ein unauffälliges Einfamilienhaus in bester Harsewinkeler Wohnlage, mit Carport und hohen Hecken. Ihr Geschäftsmodell ist es, rumänische Arbeiter in der Heimat anzuwerben, diese vornehmlich an Reinigungsfirmen oder die lokale Fleischwirtschaft, wie es im Bericht heißt, zu vermitteln. Im Obergeschoss bietet sie diesen eine Unterkunft an. &bdquo;Wir sind wie eine kleine Familie“, sagt sie und lächelt fröhlich in die Kamera.Pölitz konfrontiert die Vermieterin mit der Aussage, dass Ende 2021 an dieser Adresse zeitgleich 22 Personen gemeldet gewesen seien. Sie und die drei Männer, die im Bild zu sehen sind, verneinen das vehement. &bdquo;Ich habe die nur nicht abgemeldet“, erklärt die Rumänin, woher die hohe Zahl stamme. Die Vermieterin hatte nach NW-Recherchen bei einem Harsewinkeler Wohnungsanbieter gearbeitet, der selbst schön öfter in der Kritik stand. Dann zog sie selbstständig eine Personalvermietung auf, die osteuropäische Arbeitnehmer an Firmen vermittelt. Mit der Gesetzesänderung und dem Verbot der Werksverträge in der Fleischbranche im vergangenen Jahr sei diese pleite gegangen. Jetzt blieben ihr nur die Einnahmen aus den Mieten, um die Hypothekenraten für das Haus, für das sie nach eigener Aussage 300.000 Euro bezahlt habe, zu finanzieren. Die Vorwürfe, dass die beiden Männer wegen der Quarantänemeldung verprügelt worden seien, weist sie ebenfalls weit von sich. &bdquo;In diesem Fall kündigte die Stadt Harsewinkel eine Überprüfung wegen Überbelegung an“, heißt es weiter in dem Fernsehbericht. Auf Anfrage bestätigt Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide, dass in dem Einfamilienhaus im vergangenen Jahr 22 Personen gemeldet waren. Derzeit seien dort zwölf Personen registriert. Eine komplette Begehung sei am 10. Dezember erfolgt, bei der sich die Zahl von zwölf Gemeldeten bestätigt habe. Sie bestätigt auch , dass die Zahl 22 daher rührte, dass diese Personen von der Vermieterin nicht abgemeldet worden waren.Aktuell hat die Stadt 51 Wohnungen und Häuser auf ihrer ListeSabine Amsbeck-Dopheide kündigt zudem weitere Kontrollen nicht nur in diesem Objekt an. Aktuell habe die Stadt 51 Wohnungen und Häuser auf ihrer Liste, bei denen die Unterbringung von Mietern überwacht würde. Die in diesem Fall genannte Adresse ist bereits seit 2020 dabei.Kontrollen geschähen allerdings derzeit nur anlassbezogen. Eine turnusmäßige Überwachung sei in der Coronazeit seit zwei Jahren nicht zu schaffen, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordnungsbehörde durch die Aufgaben im Zusammenhang mit Covid-19 gebunden sind. Pro Erwachsener sind nach dem Wohnungsstärkungsgesetz seit 1. Juli zehn Quadratmeter Wohnraum der Mindeststandard. Einzelne Wohnräume dürfen nur vermietet werden, wenn acht Quadratmeter pro Person und Nebenräume zur Mitbenutzung zur Verfügung stehen.Derzeit stellt die Stadtverwaltung kaum An- und Abmeldungen unter den beobachteten Adressen fest. Vermutlich liegt das daran, dass Rumänien und Bulgarien seit einiger Zeit Hochrisikogebiet sind und nach Einreise eine Quarantäne droht.Die beiden Rumänen Catalin und Nicolai, die im November ihre Unterkunft verloren, fanden seinerzeit im Rathaus Hilfe. Aufgrund des augenscheinlich schlechten Allgemeinzustandes eines der Männer entschied die Bürgermeisterin, diese ordnungsbehördlich in einer städtischen Einrichtung unterzubringen.

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