Emotionaler Corona-Appell einer Physiotherapeutin aus dem Kreis Gütersloh

Harsewinkel. Irgendwann hat Andrea Meier genug gehabt. Genug von dem nächsten Corona-Lockdown, der den Menschen das Leben abschnürt. Vom Hin und Her zwischen Distanz- und Präsenzunterricht in der Schule. Genug von den Problemen. Nicht ihren eigenen, denn die Physiotherapeutin kommt selbst mental und geschäftlich gut durch die Pandemiezeit. Sondern denen vieler Kundinnen und Kunden, die diese während der Behandlungen bei ihr abladen. Also schreibt Andrea Meier einen Brief an die &bdquo;lieben Politiker unserer Stadt", angefangen bei Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide, an Fraktionsvertreter, an Mitstreiter, die wie sie nicht mehr jede Corona-Schutzmaßnahme nachvollziehen können. &bdquo;Wann sollen wir unsere Stimme erheben? Wenn es zu spät ist und unsere Stadt leer ist?", steigt sie mit einem bewussten Schuss Dramatik ein. Sie betont: Ich bin keine Corona-Leugnerin Um bei der Nachfrage durch die NW-Redaktion gleich zu betonen, dass sie keine Corona-Leugnerin und erst recht keine Verschwörungstheoretikerin sei. Wer sich mit Andrea Meier unterhält, würde sowieso nicht darauf kommen, die lebenslustige Powerfrau, Unternehmerin und Mutter auch nur annähernd in die Aluhütchenträgerfraktion zu stecken. Es ist eher ihre abwägende, sachliche, mitunter einfühlsam-emotionale Form, die die positiv denkende 46-Jährige für ihren Brief gewählt hat. Der inzwischen in Harsewinkel und darüber hinaus die Runde macht. &bdquo;Ich spreche als kritische Bürgerin einer tollen Stadt, die ich seit 1996 lieb gewonnen habe", schreibt sie. &bdquo;Ich möchte mir nicht vorwerfen, dass ich nur zugeschaut habe" Warum sie sich jetzt so vehement zu Wort meldet, um auf die Situation von Menschen hinzuweisen, denen es in der Pandemiezeit unter den Coronabedingungen deutlich schlechter geht? &bdquo;Ich möchte mir nicht später vorwerfen, nur zugeschaut und nichts unternommen zu haben", schreibt sie. &bdquo;Was können wir tun, damit wir für eine Wiedereröffnung sprechen und eine Stimme als Stadt in der Politik bekommen?", lautet ihre Ausgangsfrage, auf die sie Antworten erwartet. Dass ihre meinungsbildenden Adressaten auf lokaler Ebene diese nur bedingt geben können, ist ihr bewusst. Doch ihr Schreiben soll Kreise ziehen. &bdquo;Pamela Westmeyer hat bereits den Brief an Ralph Brinkhaus und Raphael Tigges weitergeschickt", erhält sie am Donnerstag eine Reaktion der stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden. Der Bundestagsabgeordnete kündigt an, sich in Gesprächsrunden mit Einzelhandelsverbänden und Werbegemeinschaften der Diskussion stellen zu wollen. Landtagsmitglied Tigges will sich bei Andrea Meier melden. Am Donnerstag hat sie ihren Brief auch noch an den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner gesendet. "Unsere Kinder und viele Erwachsene werden die psychischen Folgen in ihre Zukunft mitnehmen" Meier erhofft sich, dass jenen mehr Gehör geschenkt werde, die durch die Coronakrise wirtschaftlich und psychisch an ihre Grenzen kommen. &bdquo;Ich kenne viele Menschen, die dankbar wären, wenn unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen wieder ein lebbarer Alltag stattfinden darf", spricht sie wohl vielen aus der Seele. &bdquo;Unsere Kinder und viele Erwachsene werden die psychische Folgen in ihre Zukunft mitnehmen", befürchtet sie noch nicht absehbare Kollateralschäden. Meier macht Medien, insbesondere den sozialen Netzwerken den Vorwurf, Ängste zu schüren. &bdquo;Ich fordere eine Wiedereröffnung aller Sportaktivitäten, Einkaufsmöglichkeiten und Öffnung aller Dienstleister wie Friseure, Kosmetiker, Gastronomen unter Berücksichtigung der Hygienemaßnahmen", erklärt die resolute &bdquo;Handwerkerin", die mit ihren Kunden zwangsläufig viel Hautkontakt hat. Der Lockdown schränke viel zu pauschal alle möglichen Kontakte ein, wirtschaftliche und soziale Folgen blieben außer acht. Viel Geld für Hygienekonzepte ausgegeben Dabei hätten Einzelhändler und Dienstleister viel Geld in die Hand genommen, um die Hygienekonzepte zu erfüllen. &bdquo;Das hat bei fast allen sehr gut geklappt", findet sie und kann nicht verstehen, warum bei anderen Anbietern genau das untersagt sei, was sie selbst als Dienstleisterin aus der Gesundheitsbranche tun darf. &bdquo;Zu uns kommt ja keiner wegen einer Wellness-Massage, sondern weil es handfeste physiologische Probleme wie etwa Blockaden oder Rückenschmerzen gibt", sagt sie. Am Anfang der Pandemie durfte sie ohne Maske, dann mit handelsüblicher Stoffmaske und nun nur noch mit FFP2-Maske weiterhin ganz nah am Menschen arbeiten. &bdquo;Das ist in meinem Beruf auch gar nicht anders möglich", erklärt sie. Das Hygienekonzept wirke, es habe in der gesamten Zeit keinen Ausbruch von Covid19 in ihrer Praxis gegeben. Ohne Test ausgekommen - trotz 50 Kontakten aus unterschiedlichen Haushalten jede Woche &bdquo;Ich bin bisher gesund und ohne Tests durch die Zeit gekommen obwohl ich 50 Kontakte aus unterschiedlichen Haushalten jede Woche meistens 30 bis 45 Minuten nah an mir habe", beschreibt sie ihren Status. Im Vergleich zu dem, was bei ihr in der Praxis gehe, müssten doch praktikable Lösungen in Bereichen zu finden sein, in denen der Abstand viel besser gewahrt sei, lautet ihr Umkehrschluss. Meier ist dankbar, dass sie weiterarbeiten darf und bis auf die Kurse nicht direkt von Schließungen betroffen ist. Für ihre Gesundheitskurse hatte die Physiotherapeutin extra einen größeren Raum angemietet, um die geforderten Abstände einhalten zu können. Doch nun dürfe sie keine Wirbelsäulengymnastik mehr in der Gruppe geben. Auf den Kosten bleibt sie hängen. Kritische Fragen nach den Kriterien für die Quarantäne Auch der Marienfelder Ulrich Schreiber unterstützt Meiers Appelle an die Politik. Der kritische Ingenieur, der mit unbequemen Fragen an die Stadt oder den Kreis die getroffenen Maßnahmen hinterfragt, wünscht sich mehr Aufklärung, etwa über die Aussagekraft der PCR-Tests oder die Zahl der Menschen, die unter Quarantäne gestellt werden. &bdquo;Nach welchen Kriterien wird diese Quarantäne angeordnet?", hakt er nach. &bdquo;Wenn man da von Infizierten spricht, löse man bei diesen Verdächtigten als ’Corona-Fälle’ eine Suche nach deren Erstkontakten aus. Was bei der Menge der – durchaus auch &bdquo;Falschpositiven" – zu hoher Recherchearbeit führe. &bdquo;Das Ergebnis davon", so Schreiber, sei &bdquo;unnötige Panik".

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