Obdachlos nach Großbrand: Bewohner vor den Trümmern seines Hauses

Harsewinkel-Greffen. Gefasst, als könne er selbst die Dimension der Katastrophe noch gar nicht erfassen, steht Bernhart Grünebaum buchstäblich vor den Trümmern seiner Existenz. Keine 24 Stunden zuvor muss der Greffener Landwirt am Samstag erleben, wie ein Großbrand sein 250 Jahre altes Wohnhaus samt Tenne und Stall vernichtet. &bdquo;Als das Feuer ausbrach, war ich gerade bei meiner Mutter zum Mittagessen im betreuten Wohnen im Pflegeheim", sagt Grünebaum. &bdquo;Bei Dir brennt’s" habe ihm ein Nachbar am Telefon gesagt. Grünebaum rast nach Hause und sieht schon von weitem den Rauch, die lodernden Flammen und den Leiterwagen der Feuerwehr, über den die Kameraden der drei Harsewinkeler Löschzüge zu retten versuchen, was einfach nicht mehr zu retten ist. Feuer breitet sich rasend schnell aus Drei Mann haben bereits den vollen Atemschutz an, um ins Haus einzudringen und nach Vermissten zu suchen. Als feststeht, dass der abwesende Hausherr nicht gefährdet ist, kommt Großgerät zum Einsatz, um den Brand nicht noch weiter ausdehnen zu lassen. Einsatzleiter Markus Laumann beordert drei Bagger des Abbruchunternehmens Landwehr an die Ostortstraße. Schnell wird klar, dass das Fachwerkwohnhaus mit dem Heuboden und der anliegende Stall nicht zu halten sind. &bdquo;Zu viel Holz, zu viel Stroh", erklärt Grünebaum. Über die dort gelagerten Ballen, in denen Glutnester immer wieder aufflammen, breitet sich das Feuer rasend schnell aus. Zum Verhängnis wird dem im Jahr 1778 fertiggestellten Fachwerkhaus und seinen aus Ziegeln bestehenden Anbauten zudem das mit Docken gedeckte Dach. Das sind Dachziegel, die jeweils mit kleinen Strohbündchen zur Dämmung abgedichtet sind, um das Dach schneedicht zu machen. &bdquo;Das hat meine Oma im Jahr 1943 so neu decken lassen", erinnert sich Grünebaum. Ökologisch sei das äußerst nachhaltig. &bdquo;Aber im Brandfall ist diese Bauweise fatal", sagt der 60-Jährige und blickt auf das Trümmerfeld vor ihm. Kälbchen vor dem Tod gerettet Drei verbogene Stahlträger eines Anbaus ragen noch aus dem Schutt heraus. Von etwa 1.000 kleinen Ballen seines eingelagerten Tierfutters aus der Mahd des Vorjahres ist so gut wie alles verbrannt. Die im April eingefahrene Heuernte war unter einem Schleppdach gelagert und ist zu drei Vierteln noch brauchbar. Die braucht er dringend für seine 16 Rotbunten, mit denen er seine kleine Milchwirtschaft in Anbindehaltung noch betreibt. Die Muttertiere standen zum Glück auf der Weide nebenan. Zwei frisch geborene Kälbchen retteten die Feuerwehrkameraden vor dem Flammentod. Die genaue Ursache wollen Sachverständige der Kriminalpolizei am heutigen Dienstag herausfinden. Mitleid oder gar eine Solidaritätsaktion ist das Letzte, was sich der Milchviehhalter und Einzelkämpfer, der den Hof alleine bewirtschaftet, in seiner Situation wünscht. Dabei ist vom Laptop bis zur Toilette alles weg. &bdquo;Die Harsewinkeler Versicherung hat mir zugesagt, dass sie hier einen Wohncontainer aufstellt", erklärt er, wie es vorerst provisorisch für ihn weitergeht. "Man kennt sich hier noch persönlich" Die Genossenschaftshilfe setzt unbürokratisch und schnell ein. &bdquo;Die ist zum Glück dezentral organisiert, man kennt sich hier noch persönlich", sagt er, als sich der Gutachter am Montag nach der ersten Inaugenscheinnahme verabschiedet. Ganz alleine ist der Greffener in der Not dann doch nicht. Drei Freunde packen mit an, wühlen sich mit bloßen Händen durch die Trümmer aus Schutt, vom Löschwasser durchnässte Strohballen, verkohlten Balken, Metallresten von Dachrinnen, Ziegeln, Dachpfannen und dem wenigen übrig gebliebenen Hausrat. Eine Suche nach Nadeln im Heuhaufen. Die &bdquo;Nadeln", das sind Überreste der Dinge, die einfach unwiederbringlich sind und die wahrscheinlich verbrannt sind. Mit der eigenen Landwirtschaft sesshaft werden Wie die Familienfotos der drei Grünebaum-Generationen, die hier vor Ur-Enkel Bernhart gewirkt haben. Oder wie die Urkunde des Hofkaufes, den Grünebaums Ur-Großvater im Jahr 1900 notariell beglaubigt bekam. Der ehemalige Schäfer aus Tatenhausen hatte sich zur Jahrhundertwende entschlossen, mit einer eigenen Landwirtschaft sesshaft zu werden. &bdquo;Der war die ewigen Querelen mit den Landwirten wegen seiner drei Schafherden auf deren Wiesen leid", erzählt Bernhart Grünebaum geradezu anekdotenhaft. Er selbst ist hier als Kind in das Hofleben hineingeboren, ohne dass dieses Erbe automatisch vorbestimmt ist. Grünebaum baut im Jahr 1979 am CJD-Gymnasium Versmold sein Abitur, studiert anschließend Betriebswirtschaft an der Westfälischen Wilhelm-Universität in Münster. Als sein Vater Hubert im Jahr 1983 einen Herzinfarkt erleidet, steht der Hof vor der Existenzfrage. &bdquo;Entweder machen wir den zu oder ich übernehme", erzählt der sehr eloquent formulierende Landwirt von dem Scheideweg, an dem er damals mit 23 Jahren steht. Mehr schlecht als recht Richtungsweisende Entscheidungen und Schicksalsschläge hat es in der Familiengeschichte immer wieder gegeben. Was Urgroßvater Georg mit seinem gemischten Betrieb mit Kühen, Schweinen und Hühnern unter einem Stalldach beginnt, wird im Zuge der Spezialisierung und der zunehmenden Hygienevorschriften immer ausgefeilter, wie die Anbauten aus den Jahren 1950 und 1970 für die verschiedenen Tierarten zeigen. Mehr schlecht als recht kommt die Familie durch Kriegs- und Nachkriegszeit, bekommt 1945 für lange Zeit Flüchtlinge aus den Ostgebieten einquartiert, muss sich immer wieder auf neue Fährnisse einstellen. Mehr Autarkie geht für die Branche In den 50er Jahren stellt sein Opa Franz ganz auf Milchwirtschaft um. Bis zu 30 Milchkühe sorgen für die Existenzgrundlage. &bdquo;Was bleibt, ist bis heute der Einfluss auf die Landwirtschaft aus Brüssel, Berlin, Düsseldorf, von der Landwirtschaftskammer Münster, dem Kreis Gütersloh und Stadt Harsewinkel", zählt Grünebaum auf, wer den Landwirten alles Vorschriften mache. Er wünscht sich mehr Autarkie für seine Branche. Dazu komme, dass die Erzeugnisse der Bauern in der Gesellschaft nicht sonderlich geschätzt seien, wie das Preisdumping bei Milch und Fleisch zeige. &bdquo;Dabei ist Landwirtschaft etwas anderes, als etwa ein Auto zusammenzuschrauben", verweist er auf die besondere Verantwortung gegenüber den Hoftieren als Lebewesen. Rindviecher zerschmettert ihm das Kniegelenk Eines seiner Rindviecher zerschmettert ihm im Jahr 2016 das Kniegelenk. &bdquo;Zur Frühpensionierung hat’s aber nicht gereicht", sagt er mit einem Seitenhieb auf die Berufsgenossenschaft. Um den Hofbetrieb dennoch zu meistern, verkleinert er seine Herde weiter von 30 auf 16 Milchkühe. Ist der verheerende Brand nun das Fanal, endgültig aufzugeben? Bernhart Grünebaum merkt bei dieser Frage überrascht auf. &bdquo;Ich werde hier noch einmal etwas neu aufbauen", verspricht er und lässt Kampfgeist aufblitzen. Ein neues Wohngebäude und ein landwirtschaftliches Nutzgebäude stellt er sich vor. &bdquo;Aber kein Fachwerk und keinen Heuboden mehr", fügt er noch sicherheitshalber an.

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