Heinz Hoenig

Sorge um TV-Star: So schützen sich Menschen aus dem Kreis Gütersloh vor seinem Schicksal

Krankenversichert zu sein, ist in Deutschland Pflicht. Das Beispiel von Heinz Hoenig zeigt, dass man durchs Raster fallen kann. Ein Fachmann gibt Tipps.

TV-Star Heinz Hoenig ist laut Medienberichten schwer erkrankt und zugleich nicht krankenversichert. Wie das sein kann und welche Vorsorge man treffen sollte, berichtet AOK-Sprecher Jörg Lewe. | © dpa

Nicole Donath
04.06.2024 | 04.06.2024, 12:11

Kreis Gütersloh. Diese Geschichte bewegt viele Menschen: Medienberichten zufolge hat eine bakterielle Entzündung bei TV-Star Heinz Hoenig („Das Boot“, „Der Schattenmann“) einen Stent am Herz beschädigt. Nun müsse bei dem 72-Jährigen die Aorta ausgewechselt werden, ein Loch in der Speiseröhre habe er ebenfalls. Am Montag (13. Mai) wurde Hoenig zum ersten Mal operiert.

Um die Kosten für die OP zahlen zu können, haben Freunde und Kollegen etwa 150.000 Euro an Spenden gesammelt. Der Antrag des schwer kranken Schauspielers zur Aufnahme in die gesetzliche Krankenkasse sei abgelehnt worden, berichtete Hoenigs Frau Annika bei „stern TV am Sonntag“.

In einer privaten Versicherung seien mit Blick auf die Vorerkrankungen monatlich rund 2.500 Euro fällig - ein Ding der Unmöglichkeit angesichts seiner kleinen Rente und mangelnder Rücklagen. Wir haben einen Fachmann befragt.

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Herr Lewe, wie kann das passieren, dass jemand in Deutschland nicht krankenversichert ist?

Jörg Lewe: Es gibt verschiedenste Situationen, die dazu führen können. Wir hören davon im Tagesgeschäft vor allem von Menschen, die zuvor privat versichert waren. Ursache ist fast immer, dass die Betroffenen sich nicht oder nicht rechtzeitig um ihren Krankenversicherungsschutz gekümmert haben, wenn es in ihrem Leben eine veränderte Situation gab, wie die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, Auslandsaufenthalt oder einen Wechsel.

Können Sie eine Zahl nennen, wie viele Menschen davon in Deutschland betroffen sind und wie viele im Kreis Gütersloh?

Lewe: Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland rund 61.000 Menschen ohne KV - das ist allerdings eine Zahl aus dem Jahr 2020 und somit nicht aktuell. Obendrein tauchen Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus oder Wohnungslose nicht in der Statistik auf. Experten sprechen von einer Million. Uns bei der AOK liegen dazu leider keine konkreten Zahlen vor.

Kann es vorkommen, dass man aus Versehen nicht mitbekommt, wenn der Versicherungsschutz ausläuft?

Lewe: Nein, die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten nach Ende ihres Versicherungsverhältnisses innerhalb von sechs Wochen schriftlich zu informieren und den weiteren Versicherungsschutz sicherzustellen, sofern kein anderweitiger Versicherungsschutz nachgewiesen wird - also beispielsweise eine andere gesetzliche oder private Krankenkasse oder freie Heilfürsorge. Das Krankenversicherungsverhältnis läuft zum Beispiel durch Ende einer Beschäftigung aus und der folgenden Abmeldung des bisherigen Arbeitgebers oder durch Ende der kostenfreien Familienversicherung - beispielsweise wegen des Erreichens der Altersgrenze oder weil es höhere Einkünfte gibt. Dazu zählen auch Mieteinnahmen oder Zinserträge über monatlich 505 Euro oder fehlende Mitwirkung des Stammversicherten.

Wie fallen die Reaktionen auf diese Infos in der Regel aus?

Lewe: Leider antwortet auf diese Anfrage der gesetzlichen Krankenkassen über den aktuellen Versicherungsstatus nur etwa ein Drittel der Versicherten. Woran liegt das? Zu einem nicht unerheblichen Teil sind sie unter der uns bekannten Adresse nicht mehr zu erreichen - Briefe kommen zurück. Dann folgen Anfragen an die Einwohnermeldeämter. Kommt die Post nicht zurück, gehen wir davon aus, dass der Versicherte sich noch in Deutschland aufhält und die Versicherung wird als obligatorische Anschlussversicherung fortgeführt. Gesetzliche Grundlage hierfür ist das Fünfte Sozialgesetzbuch. Zweck der obligatorischen Anschlussversicherung ist es, allen Versicherten einen fortlaufenden Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten – auch nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder dem Ende der Familienversicherung.

Über welche Beträge sprechen wir dann?

Lewe: Da den Krankenkassen meistens auch keine Informationen zum Einkommen vorliegen, muss dann gesetzlich zunächst der Höchstbeitrag berechnet werden. Oft reagieren die Versicherten aber erst dann, wenn sie eine Mahnung über die hohen Krankenversicherungsbeiträge ihrer letzten gesetzlichen Krankenkasse erhalten. Reagieren die Versicherten, können der Versicherungsschutz und die Beitragseinstufung einkommensgerecht festgelegt werden.

Und wenn eine Reaktion ausbleibt?

Lewe: Sofern es weiterhin keine Reaktion, keine Beitragszahlung und keine Anhaltspunkte gibt, dass sich der Versicherte noch in Deutschland aufhält, wird die Versicherung nach sechs Monaten rückwirkend wieder beendet und der Versicherungsschutz erlischt. Melden sich Versicherte später als sechs Monate nach Ende ihrer letzten Versicherung, kann die sogenannte Auffangpflichtversicherung greifen. Das funktioniert jedoch nur mit Unterschrift des Versicherten. Ohne Mitwirkung des Versicherten kann keine Versicherung mehr zustande kommen.

Wer trägt die Kosten für diese Auffang-Krankenversicherung?

Lewe: Die auffangweise versicherten Personen haben die Beiträge selbst zu tragen. Solange der Betroffene bedürftig ist, besteht jedoch voller Versicherungsschutz, auch wenn die Beiträge vom Versicherten nicht oder nicht vollständig bezahlt werden. Entfällt die Hilfebedürftigkeit später, insbesondere durch die Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung, werden Krankenkassenleistungen nur bei akuter Krankheit, bei Schmerzen oder Schwangerschaft erbracht, wenn mindestens zwei Monatsbeiträge rückständig sind.

Jörg Lewe, Leiter Kommunikation und Marketing bei der AOK Westfalen-Lippe. - © Frank-Michael Kiel-Steinkamp
Jörg Lewe, Leiter Kommunikation und Marketing bei der AOK Westfalen-Lippe. | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Angenommen, man gerät - wie Heinz Hoenig - ohne Krankenversicherung in Not: Wer zahlt dann die Behandlungen? Das Sozialamt?

Lewe: Wenn der oder die Betroffene nie auf die Kontaktversuche seiner Krankenkasse geantwortet hat, kann es dazu kommen, dass die Person beispielsweise ins Krankenhaus eingeliefert werden muss und dann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, eine Unterschrift für die Auffangpflichtversicherung zu leisten. In diesem Fall zahlen weder die Krankenkasse noch das Sozialamt die Kosten. Die Kosten müssen dann privat bezahlt werden.

Wenn ich nun realisiere, dass ich keine Beiträge mehr für die Krankenversicherung zahlen kann, was ist dann zu tun? Beraten Sie die Menschen dann?

Lewe: Ja, selbstverständlich. Auch hier ist es wichtig, sich so schnell wie möglich bei seiner Krankenkasse zu melden, bevor sich hohe Beitragsschulden aufsummieren und gegebenenfalls Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen, wie beispielsweise eine Kontopfändung. Sofern Hilfebedürftigkeit besteht, kann das Sozialamt die Beitragszahlung übernehmen – allerdings nur für die Zukunft. Für bereits aufgelaufene Beitragsschulden kommt das Sozialamt nicht auf.

Welche Tipps haben Sie grundsätzlich aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrungen?

Lewe: Es kommt regelmäßig vor, dass wir beispielsweise von Krankenhäusern Anträge auf Kostenübernahme der Behandlung bekommen und die Patienten waren dann vielleicht letztmalig vor 30 oder mehr Jahren versichert. Dann ist es oft schwierig zu ermitteln, welche die letzte Krankenkasse oder die Privatversicherung war. Denn diese ist dafür zuständig, den Versicherungsschutz zu klären. Sind die Patienten so schwer erkrankt, dass sie bei der Klärung nicht mehr mitwirken können, wird es sehr schwierig. Fast unmöglich wird es, wenn die Patienten nie zuvor in Deutschland versichert waren. Auch das kommt immer wieder vor. Daher: Rechtzeitig kümmern!